Risikozuschlag

20.07.2012 12:02 Uhr

Praxisfall Immobilienfinanzierung

Trotz aktuell günstiger Zinsen: ein Immobilienkredit ist immer noch eine oftmals komplizierte langfristige Finanzierung mit eigenen (Bank-)Regeln. Unser aktueller Praxisfall zeigt, dass mündliche Zusagen mit Vorsicht zu genießen sind.

Eigentlich war längst alles geklärt: Da die Hausbank von Matthias H. sich bereits vor Monaten bereit erklärte, den umfangreichen Anbau seiner Betriebs-immobilie zu finanzieren, sah er keinen Grund, den Zukauf des Grundstücks sowie die Zusagen gegenüber den Handwerkern hinauszuzögern. Die Investitionskosten von insgesamt rund 600.000 Euro sollten danach wie folgt aufgeteilt werden: Unternehmer H. bringt als Eigenkapital 200.000 Euro ein, während das Kreditinstitut 400.000 Euro finanziert. Bei einem seinerzeit „in Aussicht gestellten jährlichen Zinssatz von drei Prozent“ (so formulierte es der Kundenberater der Bank) und der bei Langfristfinanzierungen üblichen jährlich ansteigenden, zunächst einprozentigen Tilgungsrate hätte sich für die vereinbarte Zinsbindung von zehn Jahren eine monatliche Belastung von etwa 1.340 Euro ergeben. Kein „Pappenstiel“ für H., dessen Mittelbetrieb auch noch Zinskosten für weitere Geschäftskredite verkraften muss, aber noch durchaus akzeptabel. Nach den Berechnungen seines Steuerberaters ist dieser zusätzliche finanzielle Aufwand bei den zu erwartenden Mehreinnahmen des Betriebes nach Fertigstellung des Gebäudes zu vertreten.

Überraschende Wende

Als es nun aber in die konkreten Verhandlungen über die Darlehensdetails geht, trifft H. auf völlig unerwartete Probleme. Überrascht ist er bereits, als während der wichtigen Kreditgespräche nicht mehr nur sein langjähriger Gesprächspartner, sondern ein weiterer, ihm bislang unbekannter Bankmitarbeiter anwesend ist. Im Laufe des Gesprächs wird schnell deutlich, dass dieser das Sagen hat. So bringt er das Gespräch schnell auf das Thema „Bonitätsprobleme“, sieht bei H. einen „Mangel an werthaltigen Sicherheiten“ sowie von angeblichen „Problemen bei der Kapitaldienstfähigkeit“. H. sieht seinem Kundenberater zwar an, dass ihm dieses Prozedere ebenfalls Unbehagen bereitet, helfen kann er seinem Kunden aber wohl nicht.

Im Ergebnis bleibt H. nichts anderes übrig, als sich mit den vorgetragenen Einzelheiten auseinanderzusetzen, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Wesentlicher „Knackpunkt“ ist das erwähnte Bonitätsproblem, das bei den Vorgesprächen offenbar noch nicht erkennbar war bzw. von seiner Bank zumindest nicht deutlich genug thematisiert wurde.

Zum Hintergrund: Erst nach dem ersten Orientierungsgespräch hat der Steuerberater von Unternehmer Matthias H. Zahlen präsentiert. Aus denen ging hervor, dass der Betrieb bezüglich der zukünftigen Liquidität und Rentabilität nicht mehr das Niveau der Vorjahre erreichen wird. Zwar gab es bankseitig damals keine konkreten Nachfragen, klar ist aber wohl, dass die wirtschaftliche Entwicklung des Betriebs bankintern problematisch gesehen wird. Offenbar hielt es die Bank aber für vertretbar, H. noch nicht über diese neue Beurteilung zu informieren.

Als unmittelbare Folge dieser veränderten Prognosedaten ist aber nun nach Überzeugung des Kreditgebers die Kapitaldienstfähigkeit von H. nicht mehr, wie ursprünglich erwartet, zu halten. Zwar sieht die Bank „keine ernsthaften Probleme“, einen uneingeschränkten Freibrief für die pünktliche Zahlung der langjährigen Zins- und Tilgungsleistungen will sie aber offensichtlich nicht mehr erteilen.

Bewertungsfragen

Ein weiteres Problem ergibt sich aus unterschiedlichen Wertansätzen zur Beurteilung der Baukosten des Gebäudes. Während der von H. beauftragte Architekt die Größenordnung von 600.000 Euro (Grundstück plus Gebäude) für angemessen hält, erscheint der Bank vor allem der Grundstückspreis zu hoch. Weitergehende Informationen, wie es zu diesen unterschiedlichen Ansätzen kommen konnte, wurden H. nicht genannt.

Auch hier besteht also ein Nachverhandlungsbedarf. H. wird jedenfalls versuchen, das Zustandekommen der Kosten nochmals zu präzisieren und gleichzeitig Zahlen aus den öffentlichen Richtwerten der Gemeinde vorlegen, die seine Angaben bestätigen. Zumindest in diesem Punkt dürfte er gute Aussichten auf ein Einlenken der Bank besitzen. Alles in allem befindet sich Unternehmer H. in einer schwierigen, aber keineswegs bedrohlichen Situation.

Immerhin ist ihm frühzeitig signalisiert worden, dass die Bank seine Finanzierung begleiten wird. Eine oder mehrere entsprechende Gesprächsnotizen sollten sich also auch in der Kreditakte des Bankinstituts befinden. Außerdem hat H. selbst Notizen angefertigt, die er in Kopie auch seinem Steuerberater zukommen ließ. So macht der Bankmitarbeiter bei aller Kritik, ob aus der Sicht von H. nun berechtigt oder nicht, auch deutlich, dass sich an der ursprünglichen Finanzierungszusage, die nun zwar unter „erschwerten Bedingungen“ zu sehen ist, nichts ändert.

Was sich jedoch ändern wird, ist der Zinssatz. Statt der erwarteten drei Prozent muss H. nun mit einem „Sicherheitsaufschlag“ von einem weiteren Prozentpunkt rechnen. Die Gesamtfinanzierung wird sich bei dieser neuen Konstellation (vier Prozent Zinssatz plus ein Prozent Tilgung) auf monatlich rund 1.670 Euro erhöhen.

Michael Vetter

Check-Liste

Kredit-Verhandlung:

Bei komplexen Finanzierungen wie im beschriebenen Fall sollte der Unternehmer frühzeitig verbindliche Kreditzusagen anstreben. So genannte „Grundsatzabsichten“ der Bank, eine Finanzierung zu ermöglichen, bieten dem Kreditnehmer in der Regel noch keinen Anspruch auf ein verbindliches Darlehen.

Zu empfehlen ist darüber hinaus, sich nicht ausschließlich auf die Hausbank zu verlassen, sondern auch weitere Kreditgeber, vor allem die in aller Regel vorhandenen Zweit- und Drittbanken, einzubinden.

Zu einer professionellen Vorbereitung gehört die Hilfe durch den Steuerberater, der Liquiditäts- und Rentabilitätsberechnungen ebenso anfertigt wie aussagefähige Unterlagen zur Ermittlung der Kapitaldienstfähigkeit. Wichtig ist ein kontinuierliches Fortschreiben dieser Zahlen.

Stichwort „Kapitaldienstfähigkeit“

Durch ein Gegenüberstellen der regelmäßigen Ausgaben und Einnahmen wird ermittelt, in welchem Umfang der jeweilige Betrieb zusätzliche Zins- und Tilgungsraten leisten kann. Die auf diesem Weg ermittelte Kapitaldienstfähigkeit sollten Unternehmer und Betriebsverantwortliche regelmäßig selbst oder mit Hilfe des Steuerberaters durchführen, um frühzeitig Liquiditätsengpässen entgegentreten zu können.

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