Ohne Standesdünkel

21.06.2013 12:02 Uhr

EQR/DQR

Europa wächst zusammen. Doch immer noch nicht sind alle Schranken gefallen. Wer im Ausland arbeiten will, muss nachweisen, dass seine Qualifikationen vergleichbar mit denen des Gastlandes sind. Bis vor geraumer Zeit war dies keine leichte Aufgabe, doch mit dem Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) und seinen nationalen Ablegern hat sich viel geändert.

Der Startschuss zum EQR fiel im Jahr 2004. Damals, als Reaktion auf das Ersuchen der europäischen Mitgliedsstaaten, Sozialpartner und anderen interessierten Gruppen ins Leben gerufen, sollte mit ihm ein gemeinsames Übersetzungsinstrument geschaffen werden, das nationale Qualifikationen europaweit verständlich macht. Kern des EQR ist dabei ein gemeinsamer europäischer Referenzrahmen. Auf ihn lassen sich die verschiedenen nationalen Qualifikationssysteme beziehen, um es Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu ermöglichen, die Qualifikationsniveaus der unterschiedlichen europäischen Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung besser verstehen und vergleichen zu können. Gesetztes Ziel ist dabei, die grenzüberschreitende Mobilität von Beschäftigten und Lernenden und deren lebenslanges Lernen innerhalb der EU zu fördern.

2008 wurde der EQR von den europäischen Institutionen verabschiedet, damit er europaweit in die Praxis umgesetzt werden kann. Alle EU-Mitgliedsstaaten sollten daraufhin ihre nationalen Qualifikationssysteme bis 2010 an den EQR koppeln, so dass ab 2012 bei allen Qualifikationen auf ein entsprechendes EQR-Niveau Bezug genommen werden kann. Zu diesem Zweck wurde in jedem Land eine nationale Koordinierungsstelle benannt – auch in Deutschland, wo der so genannte DQR (Deutscher Qualifikationsrahmen) seit 2006 von der „Bund-Länder-Koordinierungsgruppe Deutscher Qualifikationsrahmen“ (B-L-KG DQR) erarbeitet wird.

Nachdem der DQR in seinen Grundzügen stand, hat man sich am 31. Januar 2012 in einem Spitzengespräch zwischen Bund, Ländern, Sozialpartnern und Wirtschaftsorganisationen auf eine grundsätzliche Linie für die Einführung des DQR verständigt. Nach einer mehr als sechsjährigen Entwicklungsphase wurde der DQR schließlich im Mai 2013 mit dem Ziel eingeführt, die Ausbildungsordnungen der beruflichen Erstausbildung und die Bildungsstandards der allgemeinbildenden Schulabschlüsse unter Maßgabe der Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung auf die Richtigkeit der Zuordnungen zum Referenzrahmen zu testen, um sie dann schrittweise umzusetzen.

Acht Referenzniveaus

Um zu verstehen, wie der EQR und damit auch der DQR funktionieren und wo noch Probleme liegen, muss man sich zunächst den EQR-Referenzrahmen näher betrachten. Im Wesentlichen besteht dieser aus acht Referenzniveaus, die abgestuft vom Grundniveau (Niveau 1), über mittlere (Niveau 4) bis zum fortgeschrittenen Niveau (Niveau 8) nach beruflicher und allgemeiner Bildung beschreiben, was ein Lernender weiß, versteht und in der Lage ist, zu tun (vgl. hierzu: http://ec.europa.eu/education/pub/pdf/general/eqf/broch_de.pdf).

Der EQR soll damit das gesamte mögliche Spektrum von Bildungsergebnissen abdecken. Zur Einordnung auf die jeweiligen Niveaus werden so genannte Deskriptoren verwendet, die nach Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen (KFK) gegliedert sind. Unter Kenntnissen wird dabei Theorie- und/oder Faktenwissen verstanden. Der Begriff Fertigkeiten bezieht sich auf kognitive (Problemlösefähigkeit, kreatives Denken u.a.) oder praktische (u.a. Umgang mit Werkzeugen und Materialien) Fähigkeiten. Kompetenz beschreibt im EQR-Kontext hingegen die beiden Aspekte „Verantwortung“ und „Selbstständigkeit“. Je höher dabei das Niveau ist, umso anspruchsvoller sind die Erfüllungsanforderungen der KFK, um die entsprechenden Lernergebnis-Niveaus in allen Qualifikationssystemen zu erreichen.

Der DQR hat, wie der EQR, eben- falls acht Niveaus (vgl.: http://www.deutscherqualifikationsrahmen.de/de/ s=6YcS41ilP19Vtjz9). Auf den DQR-Niveaus 1 und 2 sind die Berufsausbildungsvorbereitung angesiedelt. Niveau 3 erreicht die zweijährige berufliche Erstausbildung und Niveau 4 die drei- und dreieinhalbjährige berufliche Erstausbildung. Auf Niveau 5 sind vorerst Fortbildungen, die vergleichbar sind mit dem IT-Spezialisten, verortet. Niveau 6 erreichen der Bachelor, der Meister, der Fachwirt und die Fachschulabschlüsse wie Techniker. Niveau 7 werden dem Master und dem Strategischen Professional (IT) zugewiesen. Auf Niveau 8 findet sich schließlich die Promotion.

Um die Besonderheiten des deutschen Bildungssystems angemessen zu berücksichtigen, rückt jedoch beim DQR – im Gegensatz zum EQR – der Kompetenzbegriff bei den Deskriptoren mehr in den Mittelpunkt. Der DQR unterscheidet hier zwei Kompetenzkategorien: „Fachkompetenz“, unterteilt in „Wissen“ und „Fertigkeiten“, und „Personale Kompetenz“, unterteilt in „Sozialkompetenz und Selbständigkeit“ („Vier-Säulen-Struktur“). Damit wird in Deutschland ein erweitertes Kompetenzverständnis zugrunde gelegt, das ganzheitliche Handlungskompetenz ausdrücken soll. Jedoch sollen die allgemeinbildenden Schulabschlüsse (Abitur) zunächst noch nicht dem Rahmen zugeordnet werden. Dieser Punkt war sowohl im Vorfeld als auch bei der Umsetzung des DQR im Mai 2013 noch heftig umstritten und soll bis 2017 entschieden werden. Auch um die Einordnung einzelner Berufe in den DQR wird noch diskutiert – so zum Beispiel um die der berufsbegleitenden dualen beruflichen Aufstiegsfortbildung (etwa IHK-Betriebswirte und Handwerksmeister).

Das Handwerk hatte sich in den Verhandlungen immer wieder dafür stark gemacht, dass diese auf einer Stufe mit den Diplom-Betriebswirten oder Masterabschlüssen auf Niveau 7 verortet werden sollen und nicht, wie bisher, auf Niveau 6. Dort stehen sie u.a mit dem Bachelor auf einer Stufe, dem niedrigsten akademischen Grad, der in der Regel bereits nach sechs Semestern als erster berufsqualifizie-render Hochschulabschluss erreicht wird. Ob diese Nivellierung auf Niveau 6 in Anbetracht der mangelnden praktischen Berufserfahrung eines Bachelor-Absolventen erstrebenswert für Handwerksmeister und Techniker ist, wie gelegentlich behauptet, sei hier dahingestellt. Davon aber zu sprechen, „dass durch diese Nivellierung in Deutschland jeder die Chance zum Aufstieg hat – unabhängig ob über den akademischen Weg oder der beruflichen Bildung“, wie es einst die Ex- Bundesbildungsministerin Annette Schavan formulierte, schießt deutlich über das eigentliche Ziel des EQR/DQR hinaus. Denn die gleiche Stufe im Qualifikationsniveau bedeutet nicht, dass man automatisch Zugang zum nächst höheren Qualifikationsniveau und damit verbunden auf gleiche Bezahlung hat.

Gleichwertig, nicht gleichartig

Liest man nämlich die DQR-Matrix richtig, werden auf den einzelnen Niveaustufen lediglich gleichwertige, aber nicht gleichartige Qualifikationen abgebildet. Der DQR kann damit auch keine Zugangsberechtigung zum jeweils höheren Bildungsangebot darstellen. So kann nach einem in Niveau 6 eingeordneten Bildungsabschluss (Meister, Techniker, Fachwirt) nicht automatisch ein Master in Niveau 7 studiert werden. Nur, wenn ein Bachelor-Abschluss oder ein gleichwertiger Abschluss an einer Berufsakademie vorliegt, werden die Zugangsvoraussetzungen hierfür erfüllt.

Auch der Kommentar der stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes Ingrid Sehrbrock zum Erfolg des DQR, dass es jetzt möglich ist, die Stufe 6 zu erreichen, ohne die Hochschule auch nur für einen Tag von innen gesehen zu haben und damit das deutsche System der beruflichen Bildung gestärkt werde, ist nur zum Teil richtig. Er suggeriert nämlich, dass durch die Gleichwertigkeit der Berufabschlüsse uneingeschränkter Zugang in die jeweils anderen Berufsfelder möglich ist. Dass aber ein Bachelor kein Handwerksmeister ist und umgekehrt und niemand wegen der gleichen Niveau-Einstufung den Titel des anderen führen darf, dürfte selbstredend klar sein.

EQR und DQR dienen lediglich dazu zwischen nationalen Qualifikationen vergleichen zu können. Dadurch, dass auf Berufsabschluss-Urkunden und Zeugnissen zukünftig auch das erreichte Niveau vermerkt ist, wird es wesentlich einfacher sein, nationale Ausbildungen miteinander zu vergleichen, systematisch einzuordnen und damit international vergleichbar zu machen. Damit hilft der EQR/DQR auch, dass Lerninhalte nicht mehr wiederholt werden müssen, wenn Lernende oder bereits ausgebildete Arbeitnehmer in ein anderes Land ziehen. Die Transparenz der erworbenen Qualifikationen und Kompetenzen, insbesondere die der Bildungsgänge und -abschlüsse, werden so zwischen den europäischen Staaten transparenter.

Marcel Schoch

Kommentar/Statement DQR/EQR

Von Anfang an beschäftige ich mich mit der Übersetzung des Europäischen in einen nationalen Qualifikationsrahmen. Es ist uns mithilfe von Deskriptoren gelungen, die öffentlich rechtlichen Bildungsabschlüsse im Kfz-Technikerhandwerk den entsprechenden Niveaus zuzuordnen. Der nächste Schritt ist jetzt, den Verantwortlichen in der Aus- und Weiterbildung verständlich zu erklären, warum wir Transparenz und Durchlässigkeit benötigen und welchen Sinn der DQR hat. Die Abkehr der Darstellung der zu vermittelnden Lerninhalte hin zur Darstellung der Lernergebnisse wird von vielen noch nicht so richtig angenommen. Dass Qualifikationen – verstanden als Bündel von Kompetenzen – die Basis des Qualifikationsrahmens sind, ist in den Köpfen vieler Bildungsverantwortlichen noch nicht verankert. Auch verstehen unsere Kfz-Betriebe die Sinnhaftigkeit der Deklarierung der Zeugnisse mit der zugeordneten Niveaustufe noch nicht so recht und können diese im Moment nicht beurteilen. Einen positiven Aspekt hat der EQR/DQR jedoch. Er hat zu einer Verbesserung der Beschreibung von Qualifikationen in zukünftigen Ausbildungs- und Rahmenlehrplänen beigetragen.

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