Neuer Leitfaden für die Abgasuntersuchung
Die ständige Weiterentwicklung der Fahrzeugtechnologie erfordert auch Anpassungen in der periodischen Fahrzeugüberwachung. Seit 1993 wurden daher 4 Geräteleitfäden entwickelt. Jetzt liegt der 5. vor. Auch er ist wieder sehr stark von technischen Neuerungen der Fahrzeugtechnologie geprägt und wird zum 01.06.2015 wirksam.
Seit dem Wirksamwerden des letzten Leitfadens im Jahre 2008 sind viele technische Neuerungen umgesetzt worden, die jetzt im neuen Geräteleitfaden 5 (AU-Richtlinie) Berücksichtigung finden. Primär ausschlaggebend war für die Neuauflegung des Leitfadens die Verwendung der WWH-OBD (World Wide harmonized OBD) bei Fahrzeugen, die nach Verordnung 595/2009 EC (Euro 6 NKW) zugelassen sind. Auch wurden Entwicklungen, wie zum Beispiel die verkürzte Prüfprozedur für alle Fahrzeuge mit Dieselmotor, falls der erste Gasstoß signifikant unter dem Grenzwert liegt, in den Leitfaden 5 aufgenommen.
Internationale Anpassung
Ebenfalls umgesetzt wurden zum Beispiel auch Neuerungen, wie die Kennzeichnung der verwendeten Datenbank und des verwendeten AU-Grenzwertes, sowie der Umgang mit Elektrofahrzeugen mit Range Extender und die Behandlung von Fahrzeugen mit Standdrehzahlbegrenzung. Den Rahmen des Leitfadens bildet zunächst die WWH-OBD. Der Begriff „World Wide Harmonized On-Board-Diagnostic“ steht für einen internationalen Standard, der zu einer globalen Harmonisierung der emissionsrelevanten On-Board-Diagnose führen soll. Die Anforderungen an das OBD-System bei Euro VI-Fahrzeugen wurden hierfür weltweit in der UN/ECE 49 (global technical requirements) geregelt und dabei Bezug auf die ISO Norm 27145 genommen (auch bekannt unter: World Wide Harmonized OBD). Nach Harald Hahn, Geschäftsführer von AVL Ditest und Vorsitzender des ASA Fachbereichs Diagnosegeräte ist damit zu rechnen, „dass dieses OBD-System in einigen Jahren auch bei Pkw zum Einsatz kommen wird. Der Leitfaden 5 wird dabei nicht zwischen Pkw und Nkw unterscheiden.“ Der funktionale Hauptunterschied zu den bisherigen OBD-Systemen liegt darin, dass nicht mehr alle abgasrelevanten Fehlercodes gleich behandelt werden, sondern bei der WWH-OBD eine Bewertungskategorisierung der Wirkung des Fehlers auf das Abgasverhalten erfolgt. Dies stellt sich zukünftig wie folgt dar: So genannte A-Fehler überschreiten dabei die Ansprechschwelle des OBD-Systems. B1 und B2 Fehler liegen im Bereich oberhalb des normal zugelassenen Emissionswertes und können die OBD-Ansprechschwelle überschreiten. C-Fehler haben keinen Einfluss auf das Emissionsverhalten, liegen also unterhalb des zugelassenen Emissionswertes. Diese werden bei der Bewertung des AU-Ergebnisses nicht berücksichtigt. Daneben wird es auch eine Verkürzung der Prüfprozedur für Dieselfahrzeuge geben. Bisher schreibt die aktuelle Gesetzgebung vor, dass neben dem Reinigungsgasstoß mindestens drei Gasstöße durchgeführt werden müssen, die dann bewertet werden, ob die AU bestanden oder nicht bestanden ist.
Aus Umweltgesichtspunkten ist diese Art der Messung jedoch nicht mehr zeitgemäß. So hat man in anderen europäischen Ländern bereits früh den so genannten „Fast Pass“-Test eingeführt. Mit dem Leitfaden 5 hält diese Technik jetzt auch in Deutschland Einzug. „In der Praxis bedeutet dies, falls der erste Gasstoß (Reinigungsgasstoß) signifikant, zum Beispiel 30 Prozent unter dem Grenzwert liegt, ist die Abgasuntersuchung bestanden“, so Harald Hahn. „Weitere Gasstöße sind dann nicht mehr erforderlich.“
Diesel-AU in Zukunft schneller
So will man vor allem Lärm und Abgas vermeiden und auch den Motor schonen. Der neue verkürzte Prüfmodus gilt für alle Fahrzeuge mit Dieselmotor. Ausnahmen sind Fahrzeuge mit Standdrehzahlbegrenzung. Diese müssen nach wie vor die volle Prozedur mit mindestens drei Gasstößen durchlaufen. In diesem Zusammenhang ist es auch konsequent, dass der seit 1. Juli 2012 gemäß der europäischen Richtlinie 2010/48 EC zwingend bei der Diesel-Abgasuntersuchung anzuwendende so genannte Plakettenwert jetzt im Leitfaden 5 Berücksichtigung findet. Möglich wurde dies, da die Fahrzeughersteller mittlerweile an alle einschlägigen Datenlieferanten die Plakettenwerte übermittelt haben. Zukünftig müssen daher die verwendete AU-Solldatenbank und die bei der Untersuchung verwendeten Werte (P =Plakettenwert, H=Herstellervorgabe, S=Standardwert) gekennzeichnet werden. Gleichzeitig ist es jedoch immer noch möglich, wenn der Plakettenwert nicht anwendbar ist, dass die gesetzlichen Grenzwerte beziehungsweise Herstellerwerte angewendet werden dürfen. „Mit der Kennzeichnungspflicht will man nachvollziehen können, welche Daten verwendet wurden und ob diese noch aktuell sind“, ergänzt Harald Hahn. „Die Richtlinie für die Anerkennung von Kraftfahrzeugwerkstätten (…; „Anerkennungsrichtlinie“) schreibt zudem unter 3.3.2 und 3.3.2.2 vor, dass die untersuchende Stelle technische Daten und Prüfanleitungen auf dem neuesten Stand bereitzuhalten hat.“
Auch die Readiness-Informationen wurden überarbeitet. Bei den bisherigen Diesel-OBD-Systemen führten meist nur drei Systemtests zu einer Readiness-Information. Das WWH-OBD überwacht jedoch weitaus mehr Systeme. So bilden derzeit acht Komponenten eine Readiness-Information. Diese werden bei der AU, mit Ausnahme der Ready-Information der NOx-Nachbehandlung, auch in die Bewertung einbezogen.
NOx relevante Fehlercodes
Trotz dieser Ausnahme berücksichtigt der Leitfaden 5 auch NOx relevante Fehlercodes. Der Unterschied zu Systemen, die nach EC 2005/55 zugelassen sind, liegt jetzt darin, dass diese wie normale Fehlercodes behandelt werden. Auch die Vorgabe, dass diese für 9.600 Betriebsstunden oder 400 Tage im Fehlerspeicher verbleiben müssen und nicht gelöscht werden können, gibt es bei WWH-OBD nicht mehr. Bei einem WWH-OBD-System wird ein Fehler automatisch gelöscht, wenn er nach 40 Warmstarts oder 200 Stunden nicht mehr aktiv ist.
Eine weitere Neuerung ist die zusätzliche Information über den so genannten Fehlerstatus (so genannte Fehlerstati). Damit wird es möglich, festzustellen, ob der Fehler ein aktueller und aktiver (active and confirmed), ein möglicher (potential), ein vorläufiger (pending) oder ein einmal aktiver Fehler (previous active) ist. Für die AU bedeutet dies, dass nur A- und B-Fehler bewertet und als nicht in Ordnung ausgewiesen werden. Zudem müssen sie dabei noch aktiv und bestätigt sein. Alle anderen Fehlerkategorien (C-Fehler), sowie Fehlerstati finden bei der Bewertung des AU-Ergebnisses keine Berücksichtigung.
Zukünftig mehr Infos über die MIL
Die MIL (Malfunction Indicator Lamp) leuchtet nur in den Fällen „aktuell und aktiv“ sowie bei einem vorläufigen Fehler, bei den anderen ist sie aus. Darüber hinaus liefert die MIL bei WWH-OBD Systemen über spezielle Blinkphasen (ähnlich dem „alten“ Blinkcode) dem Fahrer nach Einschalten der Zündung weitere Informationen. Ihm wird nicht nur das Vorhandensein eines Fehlers signalisiert (im engine on mode), sondern über eine Drei-Phasen umfassende Prozedur (im engine off mode, ignition on) mitgeteilt ob die Lampe in Ordnung ist (Phase I: Lampentest), das OBD-System alle Systemtests durchlaufen hat (Phase II: Ready-Information) und eventuell, welcher Fehlertyp vorhanden ist (Phase III: Fehlerklassifizierung).
Im Leitfaden 5 wurden auch die erweiterten Prüfmodi für Kraftfahrzeuge mit alternativem Antrieb aufgenommen. Das Problem bestand hier bisher darin, dass bei einem Fahrzeug mit reinem Elektroantrieb und Hilfsmotor (so genannter Range Extender), dieser nur anspringt, wenn die Batterie einen bestimmten Ladungsstatus unterschritten hat, um sie nachzuladen. Eine AU-Prüfung war deshalb bisher äußerst schwierig, da bei nahezu jedem E-Fahrzeug das Aktivieren des Rang Extenders anders erfolgt. Aus diesem Grund wird zukünftig im Kontext der AU-Solldaten diese Information sehr detailliert und ausführlich zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus müssen die Fahrzeughersteller sehr genau beschreiben, wie die AU-Prüfung durchzuführen ist.
Auch hinsichtlich der OBD-Protokolle wird es Neuerungen geben, denn bei WWH-OBD ist neben dem klassischen CAN-Protokoll (ISO CAN) auch das in Nordamerika sehr weit verbreitete SAE J1939-Protokoll zugelassen. Die Übertragungsrate beträgt hier 250 Kbit oder 500 Kbit.
Neue Protokolle in Vorbereitung
„Das TCP/IP-Protokoll ist für zukünftige Anwendungen bereits in der UN/ ECE 49 als mögliches Protokoll erwähnt, aber noch nicht final spezifiziert, sodass es zur Einführung des Leitfaden 5 noch nicht verfügbar ist“, erklärt Harald Hahn. „In der Regel kommt daher der 16-polige standardisierte OBD-Stecker zum Einsatz (SAE 1962). Für Fahrzeuge, die das SAE J1939-Protokoll verwenden, kann jedoch auch ein 9-poliger SAE Stecker zum Einsatz kommen.“ Der Einbauort ist ähnlich wie im Pkw im Bereich des Fußraumes des Fahrers angesiedelt.
Letztlich gibt es auch Änderungen bei der AUK (Motorrad-AU). Im neuen AU-Leitfaden 5 ist ein Prüfablauf AUK definiert. Er ist zwingend vorgeschrieben, wenn Geräte mit AU-Leitfaden 5 zur Anwendung kommen. Reine AUK-Betriebe können jedoch weiterhin ältere Gastester ohne Prüfablauf verwenden (auch CO-Tester).
Keine AU an Euro 6 mit Leitfaden 4
Der bisherige Leitfaden 4 darf an Fahrzeugen nach Euro 6 nicht eingesetzt werden, hier ist zwingend der Leitfaden 5 anzuwenden. Dies betrifft also nicht nur schwere Nkw, auch Pkw mit Angasnorm Euro 6 dürfen nur mit Leitfaden 5 geprüft werden. „Der Leitfaden 5 bringt jedoch aufgrund der verkürzten Prüfprozedur eine erhebliche Zeitersparnis mit sich, so dass sich eine Umrüstung auf Leitfaden 5 für alle AU-Betriebe in kurzer Zeit amortisiert“, so Harald Hahn vom ASA-Verband. Alle AU-Betriebe sollten sich deshalb bereits jetzt mit den neuen Regelungen vertraut machen, Schulungen wahrnehmen und gegebenenfalls bei ihren Diagnosegerätelieferanten nach Updates erkundigen. Verzögerungen im Kundenservice und damit Umsatzeinbußen können so sicher vermieden werden. Marcel Schoch
AU Leitfaden 5
Der Auszug aus dem Verkehrsblatt mit dem offiziellen Wortlaut aus dem Verkehrsblatt zu den Änderungen des §29 StvZO zur Abgasuntersuchung wird der kommenden asp 11 beiliegen.