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Mindestlohn: 8,50 Euro für (fast) alle

20.02.2015 06:00 Uhr

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Das deutsche Arbeitsrecht kannte bislang keinen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn. Dies hat sich nun geändert. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie wurde zu Jahresbeginn ein flächendeckender Stundensatz von 8,50 Euro eingeführt. Die Auswirkungen sind nicht unerheblich: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) berechnete, dass infolge der Einführung des MiLoG rund 3,7 Millionen Beschäftigte einen höheren Lohn erhalten werden. Schon kurz nachdem der Gesetzesentwurf publik wurde, meldeten sich erste Kritiker zu Wort: Deren Berechnungen zufolge kostet die Anhebung der Löhne bis zu zehn Milliarden Euro. Die arbeitgebernahe "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" warnte vor massivem Beschäftigungsabbau und dem Verlust von bis zu 570.000 Arbeitplätzen. Eine Stundenvergütung von 8,50 Euro führt bei einer 40-Stunden-Woche zu einem Brutto-Monatsgehalt von 1.470,50 Euro. Kfz-Betriebe entlohnen ihre Mitarbeiter zumeist großzügiger und sind somit bei den meisten Tätigkeitsprofilen aus dem Schneider. Bei der geringfügigen Beschäftigung und im Bereich Fahrzeugaufbereitung ist jedoch mehr Aufmerksamkeit vonnöten. Der Mindestlohn wird nach Auffassung von Dietrich Asche, Geschäftsführer des Bundesverbands Fahrzeugaufbereitung (BFA), eine Herausforderung. "Je nach Region wurden bisher auch deutlich geringere Löhne gezahlt." Er erwartet Preissteigerungen als Konsequenz; für erste Erfahrungswerte sei es aber noch zu früh. "Derzeit läuft eine Umfrage bei unseren Mitgliedern zu diesem Thema", sagte er.

Rahmenbedingungen

Für Branchen, für die per Tarifvertrag bereits eine Lohnuntergrenze gilt, gibt es eine zweijährige Übergangsfrist. Bis Ende 2016 sind dort niedrigere Tariflöhne erlaubt. Das betrifft allerdings nicht das Kfz-Handwerk bzw. die Fahrzeugaufbereiter. Ab dem 1. Januar 2017 gilt der allgemein verbindliche Mindestlohn ohne jede Einschränkung. Der Betrag ist übrigens nicht in Stein gemeißelt, die Höhe wird jährlich, erstmals mit Wirkung zum 1. Januar 2018, überprüft und gegebenenfalls angepasst.

Der Mindestlohn gilt ab einem Alter von 18 Jahren. Das Anheben des Mindestalters auf 21 Jahre hatte demgegenüber ZDK-Präsident Jürgen Karpinski gefordert. Die derzeit gewählte niedrige Altersgrenze könnte zur Folge haben, dass potenziellen Azubis nach Schulabschluss der Weg auf den Arbeitsmarkt lukrativer erscheint, warnte er schon im Sommer. Neben den Auszubildenden findet der Mindestlohn keine Anwendung bei verpflichtenden Praktika. Ferner sind Langzeitarbeitslose ausgenommen, die in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden sollen. Wer mehr als zwölf Monate arbeitslos war, hat im ersten halben Jahr keinen Anspruch auf den Mindestlohn.

Haftung und Dokumentation

Eine Besonderheit des MiLoG besteht in der Haftung für die Versäumnisse der Nachunternehmer. Wer andere Unternehmer mit einer Werk- oder Dienstleistung beauftragt, haftet folglich wie ein Bürge dafür, dass der beauftragte Unternehmer oder dessen Auftragnehmer den Mindestlohn zahlt. Der Auftraggeber muss also auch für ein Unternehmen einstehen, mit dem er keinen Vertrag geschlossen hat und das er gegebenenfalls nicht kennt. Der Auftraggeber sollte den Auftragnehmer vertraglich zu einer rechtzeitigen Mindestlohnzahlung verpflichten, empfiehlt Rechtsanwalt Benjamin Sokolovic vom Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN). Darüber hinaus sollte der Auftraggeber die Selbsterbringung der angefragten Leistungen seitens des Dienstleisters vorschreiben. Alternativ muss sich der Auftraggeber zusichern lassen, nur mit eigener Zustimmung Nachunternehmer einzusetzen. Des Weiteren sollte eine Freistellungsvereinbarung bezüglich einer Haftung des Auftraggebers sowie eine Vertragsstrafe für den Auftragnehmer im Falle der Zuwiderhandlung Vertragsbestandteil sein.

Gemäß §17 des MiLoG müssen Unternehmer bei Minijobbern und in für Schwarzarbeit anfälligen Branchen wie Bau oder Gastronomie die Arbeitszeit dokumentieren und mindestens zwei Jahre aufbewahren. Auch wenn das Kfz-Gewerbe nicht zu den gefährdeten Branchen zählt, müssen sich Betriebe im eigenen Interesse dafür einsetzen, dass Subunternehmer die neuen Mindestlohnregelungen einhalten und auch dokumentieren. Dietrich Asche erklärt: "Wie so häufig gilt auch hier: Wer schreibt, der bleibt."

Die Dokumentationspflicht ist derzeit das größte Streitthema rund um den Mindestlohn. CSU-Chef Horst Seehofer sprach Anfang Februar von einem "Irrsinn an Bürokratie" und forderte die sofortige Abschaffung. Laut Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion wurde die Arbeitszeit aber meist schon vor Einführung des Mindestlohns überwacht. Von einem Zusatzaufwand könne also keine Rede sein. Auch die Gewerkschaften sehen hierin ein vorgeschobenes Argument und wittern den Versuch, den Mindestlohn wieder ganz auszuhebeln. Ohnehin versuchten einige Unternehmen bereits auf unzulässige Weise, das Gesetz zu umgehen. "Uns wurden Fälle gemeldet, bei denen der Mitarbeiter statt des Mindestlohns einen Gutschein bekommen sollte für einen Kinobesuch oder eine Karte für die Sauna und das Solarium", sagte eine Sprecherin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) der Nachrichtenagentur dpa. Der einfachste Umgehungsversuch ist laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung aber die unbezahlte Mehrarbeit.

Kontrolle durch den Zoll

Die Bau-Gewerkschaft kritisierte, dass die kaum mehr als 6.000 Kontrolleure umfassende Zollbehörde keinen wirksamen Schutz gewährleisten könne. Zwar ist von einer Aufstockung in einer Größenordnung von rund 1.600 zusätzlichen Fahndern die Rede, doch selbst damit sind nur laxe Kontrollen möglich. Doch Vorsicht, eine Nichtbeachtung kann sehr teuer werden: Es droht eine Höchststrafe von bis zu 500.000 Euro. Es gilt folgende Faustformel: Bei Verstößen muss sich der Unternehmer auf den doppelten Wert des nicht gezahlten Mindestlohns plus 30 Prozent einstellen. Bei Vorsatz erfolgt wiederum eine Verdoppelung.

Einer Umfrage des Ifo-Instituts zufolge planen Unternehmen wegen dem Mindestlohn die Kürzung von Sonderzahlungen (23 Prozent), Personalabbau (22 Prozent) und/oder eine Arbeitszeitverkürzung (18 Prozent). Erste Arbeitsmarktdaten deuten allerdings darauf hin, dass das Thema nicht so heiß gegessen wird, wie es zuvor gekocht wurde: Laut Bundesagentur für Arbeit waren im Januar zwar wieder knapp über drei Millionen Menschen arbeitslos gemeldet, allerdings ausschließlich "aus jahreszeitlichen Gründen". Im Vergleich zum Januar 2014 waren es 104.000 Arbeitslose weniger. "Auch die frühzeitigen Arbeitssuchendmeldungen lassen nicht erkennen, dass es zu Entlassungswellen gekommen wäre", so der DGB in einer Mitteilung Ende Januar.

Martin Schachtner / Niko Ganzer

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