Mahbod Asgari, Geschäftsführer ADAC
Der ADAC hat seine Pläne für die Umsetzung eines Werkstattkonzepts begraben. Die Entscheidung ist auch eine Konsequenz aus der Diskussion über das Selbstverständnis des Autofahrervereins nach dem Skandal um den Preis „gelber Engel“.
Der Vorstand hat´s gegeben, der Vorstand hat´s auch wieder genommen.“ Auf diese Kurzformel könnte man die Entscheidung des ADAC, ein Werkstattkonzept aus dem Kreise der ADAC-Straßendienst Plus Vertragspartner aufzubauen, beschreiben. Am 11. September wurde in einer Verwaltungsratssitzung beschlossen, nicht länger mit einem ADAC-Werkstattkonzept zu experimentieren. Der Entscheidung gingen turbulente Monate für den Verein voraus. Der knapp 19 Mio. Mitglieder starke ADAC war nach Bekanntwerden der Manipulationen um die Wahl zum beliebtesten Auto der Deutschen, dem „gelben Engel“, im Januar in seinen Grundfesten erschüttert worden. Zumindest in den Medien hatten die Recherchen der Süddeutschen Zeitung ein Echo erzeugt, dass erst den Chefredakteur des Vereinsblattes ADAC-Motorwelt, den ADAC-Geschäftsführer und schließlich auch den ADAC-Präsidenten Peter Meyer aus dem Amt fegten. Seit dieser Zeit ist Selbstfindung angesagt, in der Hansastraße 19 in München. Es geht um das Selbstverständnis von Europas größtem Autofahrerverband, weltweit die Nummer zwei. Im Mittelpunkt der so genannten „Reform für Vertrauen“ steht die Frage, ob mit der Rolle als Interessenvertretung der Autofahrer und als Verbraucherschützer bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten rund um das Auto vereinbar sind.
Kann man Kindersitze im Interesse der Sicherheit testen und gleichzeitig selbst Kindersitze in den eigenen Geschäftsstellen an Kunden verkaufen? Darf man Werkstätten in großem Stil testen und sich gleichzeitig selbst unternehmerisch im Werkstattumfeld betätigen? Für den Werkstattbereich hat der ADAC die Selbstfindung abgeschlossen und gibt damit möglicherweise die Marschrichtung für den gesamten Findungsprozess vor, dessen Ergebnis erst Anfang Dezember im Rahmen einer außerordentlichen Hauptversammlung vorgestellt werden soll. Werkstätten testen: ja; Werkstätten betreiben: nein, lautet das klare Votum der relevanten Gremien.
Jetzt ist man bemüht, den bereits eingeleiteten Prozess der Werkstatt-Partnerqualifizierung geordnet zu Ende zu führen und auch für die Betriebe, die neue Gebäude nach den ADAC-CI-Vorgaben für Partnerwerkstätten errichtet haben, aktiv in eine neue Zukunft zu begleiten. Verantwortlich dafür ist Mahbod Asgari, einer von aktuell drei Geschäftsführern des ADAC, und zuständig für die Bereiche Sicherheit, Technik und Hilfe, zu dem unter anderem die ADAC-Pannenhelfer und die ADAC-Pannendienstpartnerbetriebe gehören. Mit ihm sprachen wir über die Folgen des beschlossenen Ausstiegs für Werkstattunternehmer.
Herr Asgari, wie viele Betriebe signalisieren bereits als ADAC-Werkstattpartner?
Derzeit sind es bundesweit elf eigenständige Betriebe, die als ADAC-Werkstätten firmieren. Der letzte hat erst Ende September Eröffnung gefeiert. Dass sich diese Eröffnung mit unserer strategischen Entscheidung überschnitten hat, ist bedauerlich, aber letztlich der organisatorischen Vorbereitung geschuldet.
Der Ausstieg aus dem Werkstattkonzept wird deutlich vor der geplanten Hauptversammlung im Dezember verkündet, warum?
Wir wollten unseren Partnern so schnell wie möglich Planungs- und Zukunftssicherheit geben, um weitere Investitionen zu vermeiden. Aus diesem Grund haben wir die Entscheidung beim Werkstattkonzept vorgezogen. Die zentralen Ergebnisse unseres umfassenden Reformprogramms zur Neuausrichtung des ADAC stellen wir im Dezember vor.
Das klingt, als sei der Ausstieg die einzige Alternative gewesen.
Das ist nicht korrekt. Die Entscheidung für oder gegen ein ADAC-Werkstattnetz hat strategische Bedeutung für den gesamten ADAC. Es geht um das Selbstverständnis des Vereins und darum, dass im Rahmen der Reform für Vertrauen alles auf den Prüfstand kommt. Der Ausstieg aus dem Werkstattkonzept war dabei eine mögliche Alternative.
Welche Optionen gab es noch?
Wir hätten das Thema inklusive der Qualifikationen für die geplanten rund 150 Straßendienst Plus Partner ganz normal weiterführen können. Weitere Alternative: Wir hätten das Thema offensiv vorantreiben können. Mit einem flächendeckenden Netz von rund 400 ADAC-Partnerwerkstätten. Dann hätten sich alle interessierten Partner, nicht nur die Plus Partner, bewerben können. Dritte Alternative war, auszusteigen und gar nichts zu machen. Und die vierte Möglichkeit sieht vor, aus dem Thema auszusteigen, den Plus-Partnern aber weiterhin Qualifizierungsbausteine und Qualitätssicherungsmaßnahmen anzubieten, ohne dass die mit der Marke ADAC werben und wir Systempartner sind. Diese Alternativen sah die Beschlussvorlage für das Präsidium und den Verwaltungsrat vor.
Und zugestimmt hat man dem Totalausstieg?
Nein, es wurde Mitte September beschlossen, aus dem ADAC-Werkstattkonzept auszusteigen, die Partner beim Thema Qualifizierung und Qualitätssicherung aber weiter aktiv zu unterstützen, ihren Betrieb auf ein höheres Niveau zu qualifizieren. Dies aber ohne Werkstattsystem. Das heißt, wir sind kein Systemanbieter und die Betriebe müssen bis Mitte nächsten Jahres die Signalisation ADAC-Werkstatt entfernen.
Warum die relativ lange Übergangsphase?
Wir möchten den Partnern die nötige Zeit geben zu entscheiden, wie sie weitermachen wollen. Als Straßendienstpartner mit der alten CI oder mit einer komplett anderen Marke, von einem Hersteller, einem Importeur oder auch einem Werkstattsystem.
Das wird für die Partner, die schon investiert haben, nicht ohne Kosten abgehen.
Richtig. Wir haben zugesagt, diese Partner finanziell zu entschädigen. Wir sind verlässlich und lassen unsere Partner nicht im Regen stehen. Wenn ein Unternehmer im Hinblick auf das ADAC-Werkstattkonzept bereits investiert hat, dann bekommt er von uns eine angemessene Entschädigung.
Sie erstatten also die Kosten, die der Partner bereits investiert hat?
Nein, so pauschal lässt sich das nicht sagen. Wir schauen uns an, was die Unternehmer mit ihrem Invest machen wollen. Wir wissen, dass einige Partner über den Abschluss eines Servicevertrags mit einem Automobilhersteller oder Importeur nachdenken. Andere planen, sich einem Mehrmarkenwerkstattsystem anzuschließen. Für diese neuen Partnerschaften wird eine veränderte CI für das Gebäude, unter Umständen auch eine andere Diagnoseausstattung erforderlich sein, als sie für den ADAC-Werkstattpartner ursprünglich vorgesehen war. Über diese Kosten müssen und werden wir mit den Werkstätten reden, damit sie für einen neuen Nutzungszweck umgestalten können.
Welche Gesamtkosten erwarten Sie für Entschädigungsleistungen und wie viele Betriebe sind betroffen ?
Elf ADAC Plus Partner haben die ADAC-Außen-CI bislang vollständig umgesetzt, drei weitere Betriebe haben die letzte Qualifikationsstufe auf dem Weg zur ADAC-Werkstatt erreicht. Dazu kommen weitere ca. 20 Betriebe, die schon in eine ADAC-konforme Ausstattung investiert haben. Wir reden also in der Summe von etwa 35 Betrieben. Die Kosten der Entschädigung richten sich wie gesagt unter anderem nach den nächsten Schritten, die der jeweilige Partner plant und können aktuell noch nicht beziffert werden.
Was ist mit dem Exklusiv-Belieferungsvertrag durch die Centro?
Wir überlegen derzeit, ob wir bestimmte Bausteine, die wir für das ADAC-Werkstattkonzept kreiert hatten, weiterführen und den Partnern auf freiwilliger Basis anbieten sollen. Dazu gehört auch der gesamte Prozess der Ersatzteilbeschaffung, den wir gemeinsam mit dem Kooperationspartner Centro ausgearbeitet und abgestimmt haben. Partner, die diesen Prozess weiter nutzen wollen, können das auf freiwilliger Basis selbstverständlich tun.
Muss der ADAC Regressforderungen der Centro befürchten?
Nein. Der Vertrag mit Centro beinhaltete den definierten Prozess für die Ersatzteilbelieferung der ADAC Plus Partner. Bestimmte Ersatzteilvolumina waren nicht vertraglich vorgegeben.
Gibt es andere Prozesse und Dienstleistungen, die für das ADAC-Werkstattkonzept entwickelt wurden und dieses in Zukunft möglicherweise überleben werden?
Wir überlegen tatsächlich, ob wir bestimmte Prozessverbesserungen und Services künftig allen Partnern, nicht nur den Plus Partnern, als Dienstleistung anbieten, um sie dabei zu unterstützen, ihre betrieblichen Abläufe weiter zu optimieren. Das können Tools im Bereich Ersatzteilbeschaffung sein, Konzepte zur Betriebsorganisation, Beratungsangebote bis hin zu Audits für betriebliche Prozesse. Das Ganze selbstverständlich immer auf freiwilliger Basis. Gerade durch die vielfältigen Erfahrungen im Bereich Verbraucherschutz verfügen unsere Experten über ein großes Know-how zu Kundenanforderungen oder Prozessen im Service. Dieses Know-how weiterzugeben, kann den ADAC-Partnern dabei helfen, ihre eigenen Abläufe noch weiter zu optimieren. Allerdings werden wir frühestens Mitte nächsten Jahres einen entsprechenden Dienstleistungskatalog vorlegen.
Verursacht der Ausstieg aus dem Werkstattkonzept personelle Veränderungen beim ADAC?
Nein, wir hatten drei Außendienstmitarbeiter für das Werkstattkonzept eingestellt, die ohnehin in das Betreuer-Netz der Straßendienst-Partner (SD) übernommen werden sollten. Den Schritt ziehen wir jetzt vor. Ansonsten hat der Ausstieg keine personellen Auswirkungen.
Und wie steht es ein halbes Jahr nach dem Skandal um die ADAC-Mitgliederentwicklung?
Wenn es schlecht läuft, haben wir Ende des Jahres vielleicht 100.000 Mitglieder weniger als Ende 2013. Läuft es gut, haben wir gar keinen Mitgliederrückgang und gehen mit plus/minus Null ins neue Jahr 2015. Dabei hat das Thema Pannenhilfe dem ADAC in diesem Jahr sehr den Rücken gestärkt. In einer Kundenzufriedenheitsbefragung vom Mai 2014 haben wir die gleichen hohen Werte erreicht wie ein Jahr vor dem Skandal. Das bestätigt meine Theorie, dass Fehler verziehen werden, wenn die Kernleistung stimmt. Und Pannen- und Unfallhilfe oder Krankenrücktransport sind – Skandal hin oder her – nach Meinung unserer knapp 19 Mio. Mitglieder weiterhin sehr gut.
Herr Asgari, vielen Dank
für das Gespräch.
Das Gespräch führte Frank Schlieben
- Ausgabe 10/2014 Seite 63 (4.6 MB, PDF)