Kein Beruf für alle Fälle

09.09.2009 12:02 Uhr

Nachwuchssicherung

Die Ausbildung zum Kfz-Servicemechaniker befindet sich noch in der Erprobungsphase. Auch wenn die ersten Erfahrungen zum größten Teil positiv sind, gibt es Optimierungsbedarf.

Jugendliche ohne oder mit schlechtem Hauptschulabschluss, die gerne eine Ausbildung im Kfz-Gewerbe machen möchten – das ist die Zielgruppe für die zweijährige Ausbildung zum Kfz-Servicemechaniker. Da von Bewerbern um einen Ausbildungsplatz als Kfz-Mechatroniker heute mindestens ein guter Hauptschulabschluss, besser noch die Mittlere Reife erwartet wird, sollte mit dem Servicemechaniker den eher praktisch begabten Jugendlichen ein Berufsabschluss im Kfz-Gewerbe ermöglicht werden. Das war die Intention der nordrhein-westfälischen Landesverbände der IG Metall und des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes, die den Anstoß zur Entwicklung des neuen Ausbildungsberufs gaben.

Dazu sollte den Servicemechanikern nach erfolgreichem Ausbildungsabschluss zugesichert werden, dass sie sich quasi in einer zweiten Stufe noch weiter zum Kfz-Mechatroniker ausbilden lassen können. Kann oder will das der bisherige Ausbildungsbetrieb nicht leisten, ist ein Wechsel in eine andere Werkstatt möglich oder es springt die überbetriebliche Ausbildungsstätte ein. „Durchstiegsgarantie“ nennen das die Experten. Die ersten Ausbildungsverträge für den Servicemechaniker wurden im Jahr 2004 geschlossen. Damals starteten 462 junge Menschen mit dieser Ausbildung. Im Jahr 2007 waren es bereits 1.866 neue Ausbildungsverträge, im vergangenen Jahr 1.728. Der überwiegende Teil der Ausbildungsverhältnisse wurde von Unternehmen in Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein geschlossen. „Das ist zum großen Teil auf das Engagement der jeweiligen Landesverbände sowie Durchstiegsgarantie zurückzuführen, die in diesen Bundesländern existiert“, erklärt Professor Georg Spöttl vom Institut Technik und Bildung (ITB) an der Universität Bremen, das den neuen Ausbildungsberuf in seiner Erprobungsphase anhand einer Stichprobe aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein wissenschaftlich evaluiert. In allen anderen Bundesländern haben die Kfz-Servicemechaniker keinen Anspruch auf einen Ausbildungsplatz zum Kfz-Mechatroniker.

Erprobungsphase verlängert

Ausgesprochen überrascht waren die ITB-Bildungsforscher vom hohen Einstiegsalter der Azubis, das im Schnitt bei knapp 19 Jahren liegt. „Es zeigt, dass die Ausbildung zum Mechatroniker nicht unmittelbar nach der Hauptschule begonnen wurde, sondern viele der jungen Menschen vorher in anderen Programmen untergebracht waren oder andere Ausbildungen begonnen hatten“, so Spöttl. Als besonders positiv hebt er hervor, dass 80 Prozent der Azubis die Prüfung im ersten Anlauf bestehen und danach 43 Prozent die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker anpacken. Im April dieses Jahres wurde die Erprobungsphase für den Kfz-Servicemechaniker um weitere vier Jahre verlängert, die begleitende Evaluierung wird sich auf das gesamte Bundesgebiet erstrecken. Bis Juli 2013 soll schließlich feststehen, ob der Kfz-Servicemechaniker in Deutschland als offizieller Ausbildungsberuf zugelassen wird. Birgit Behrens, Geschäftsführerin Berufsbildung des Zentralverbands des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK), ist vor allem auf die Ergebnisse der Verbleibstudie gespannt, die klären soll, wo die Kfz-Servicemechaniker einige Jahre nach ihrer Ausbildung beschäftigt sind und welche Erfahrungen sie in ihrem Berufsalltag machen. „Noch hat sich nicht gänzlich gezeigt, dass die Betriebe den Kfz-Servicemechaniker tatsächlich brauchen“, unterstreicht Behrens. Außerdem müssten die Inhalte der Ausbildung noch besser an die Praxis-anforderungen angepasst und angereichert werden. Auch eine Verlängerung der Ausbildungszeit hält sie für denkbar. „Kleine Betriebe brauchen Allrounder, derzeit also eher Kfz-Mechatroniker als Kfz-Servicemechaniker.

Interesse bei kleinen Betrieben

In größeren Betrieben lässt sich dagegen Arbeitsteilung schon besser realisieren, so dass hier auch ein Servicemechaniker eher ausgelastet werden kann.“ Zu dieser Einschätzung kommt auch Professor Spöttl (siehe Interview). Er bedauert daher sehr, dass die großen Händler- und Herstellerbetriebe im Kfz-Bereich bislang wenig Interesse an diesem Ausbildungsberuf zeigen, was meist mit den hohen Qualitätsanforderungen der jeweiligen Organisation begründet wird. Bei den Franchise-Anbietern, für deren Kerngeschäft ein Servicemechaniker fast schon die Idealbesetzung wäre, ist die Resonanz noch geringer. „Das macht schon fast den Eindruck, als ob diese Organisationen den neuen Ausbildungsberuf noch gar nicht wahrgenommen hätten“, so Spöttl. Nicht zuletzt angesichts des demografischen Wandels und des sich bereits abzeichnenden Rückgangs an potenziellen Azubis, hält es ZDK-Geschäftsführerin Behrens für wichtig, dass auch Jugendlichen, die keinen guten Haupt- oder gar Realschulabschluss vorweisen können, ein Weg für eine qualifizierte Tätigkeit im Kfz-Gewerbe offensteht, um so dem drohenden Fachkräftemangel der Branche entgegenzuwirken.

Potenzial noch nicht erkannt

Aus Gesprächen mit Werkstattinhabern und Personalverantwortlichen weiß Behrens allerdings, dass Werkstattmitarbeiter zweiter Klasse in der Praxis grundsätzlich weniger gefragt sind. Angesichts der Diskussionen um eine Anreicherung der Ausbildungsinhalte und die Verlängerung der Ausbildungszeit bleibt die Frage, inwieweit sich der Kfz-Servicemechaniker dann noch vom Kfz-Mechatroniker unterscheiden wird – abgesehen vom Schulabschluss, versteht sich. Eva Elisabeth Ernst

Berufsbild Kfz-Servicemechaniker

Durchsteigen lassen

Professor Georg Spöttl vom Institut Technik und Bildung an der Universität Bremen zu den Ergebnissen der ersten Erprobungsphase der Ausbildung zum Kfz-Servicemechaniker und dem Nutzen dieses Ausbildungsberufs für kleinere inhabergeführte Betriebe.

Wie beurteilen Sie die bisherigen Ergebnisse der Erprobungsphase des neuen Ausbildungsberufs zum Kfz-Servicemechaniker?

Die Intention dieses neuen Ausbildungsberufs ist es, Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten eine Ausbildung im Kfz-Gewerbe zu ermöglichen. Das gelingt mit dem Kfz-Servicemechaniker. Auch die auffallend niedrige Abbrecherquote sowie die hohe Zahl der Kfz-Servicemechaniker, die sich zum Kfz-Mechatroniker weiterqualifizieren, sind als Erfolg zu werten. Zudem stellt in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein jeder dritte Betrieb, der einen Servicemechaniker ausbildet, zum ersten Mal einen Ausbildungsplatz zur Verfügung. Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass zwei Jahre gut zu überblicken sind und sich das Risiko einer personellen Fehlentscheidung damit verkleinern lässt.

Also rundum ein voller Erfolg?

Auf einem Gebiet leider nicht: Die Übernahmequote ist recht niedrig. Von den Kfz-Servicemechanikern, die nicht noch die Ausbildung zum Mechatroniker anschließen, werden lediglich elf Prozent übernommen. Für einen Regelberuf ist das meiner Meinung nach eindeutig zu wenig. Zum Vergleich: Bei den Kfz-Mechatronikern liegt dieser Wert bei rund 60 Prozent.

Was kann getan werden, um die Übernahmequoten zu erhöhen?

Ich persönlich bin der Meinung, dass man die Jugendlichen lange und intensiv genug ausbilden sollte, so dass sie das gleiche Niveau wie die Kfz-Mechatroniker erreichen und dann auch die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Sehr sinnvoll finde ich die Durchstiegsgarantie, die es bislang leider nur in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gibt. Aber auch die Verbände können einiges dafür tun, die Akzeptanz des Servicemechanikers in den Betrieben zu erhöhen.

Unter welchen Voraussetzungen empfehlen Sie dem Inhaber eines mittelständischen Kfz-Betriebs derzeit, Servicemechaniker auszubilden?

Wer auch Schwächeren eine Chance geben will, sollte sich mit dieser Ausbildung beschäftigen. Wenn ein Werkstattinhaber bei der Azubi-Auswahl soziale Aspekte gelten lässt, muss er sich allerdings darüber im Klaren sein, dass die Inhalte der Ausbildung in ihrer bestehenden Form den Ansprüchen eines modernen Servicebetriebs nicht genügen. Nach zwei Jahren Ausbildungszeit sind die jungen Leute nicht ausreichend qualifiziert für komplexere Aufgaben. Alles, was ein Kfz-Mechatroniker im dritten und vierten Lehrjahr über Motormanagement-Systeme oder Fahrwerksreparaturen lernt, fehlt dem Kfz-Servicemechaniker. In größeren Werkstätten und in Nutzfahrzeugbetrieben, in denen arbeitsteilig gearbeitet wird, gibt es bessere Chancen für den produktiven Einsatz eines Servicemechanikers. Für kleinere Betriebe ist es arbeitsorganisatorisch eher schwierig, einen Servicemechaniker zu beschäftigen. Dort muss jeder alles können.

Raten Sie diesen Betrieben also grundsätzlich davon ab, Servicemechaniker auszubilden?

Nein, ganz und gar nicht. Sie sollten diese Azubis aber intensiv fördern, so dass sie im Anschluss daran auch die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker beginnen und bestehen. Mit dieser Option des Durchstiegs macht der Servicemechaniker auch für kleinere Betriebe Sinn. Schließlich darf ja nicht vergessen werden, dass ein Azubi im dritten und vierten Lehrjahr bereits produktiv mitarbeitet. Wer nur zwei Jahre ausbildet, dem entgeht das.

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