Elektrofahrzeuge
Masse statt Klasse?
Allerorten sieht man jetzt im Sommer Roller durch die Straßen flitzen. Kaum ein motorisiertes Zweirad ist so beliebt wie die zahlreichen Abkömmlinge der legendären Vespa. Kein Wunder auch, bereits für wenige Hundert Euro gibt es sie bereits im Baumarkt, im Online-Shop oder sogar beim Kaffee-Röster um die Ecke.
Bei den angebotenen Fahrzeugen handelt es sich aber nicht nur um benzinbetriebene Zweiräder, sondern ganz im Trend der Zeit werden sogar E-Roller, Pedelecs (Fahrräder mit elektrischem Hilfsantrieb), E-Mofas oder E-Mopeds für wenig Geld angeboten. So gibt es zum Beispiel beim Otto-Versand unter dem Namen „eco-Flash Venus 1500“ einen E-Roller für rund 1500 Euro. Im Segment der E-Roller scheinbar ein wahres Schnäppchen, denn vergleichbare Fahrzeuge kosten meist gut das Doppelte oder Dreifache. „Solche Dumpingpreise lassen sich nur realisieren, wenn das Produkt aus China kommt“, sagt Ira Frankenberger, verantwortlich für das Marketing bei der Clean Mobile AG in Unterhaching bei München, einem Entwicklungsunternehmen für Elektroantriebe im LEV-Bereich (Light Electric Vehicles, d.h. Pedelecs, E-Bikes, aber auch dreirädrige Elektro-Leichtfahrzeuge). „Die Roller werden von Import-Firmen billig in China eingekauft und über diverse Handelsketten in Deutschland vermarktet. Der niedrige Preis erklärt sich, weil die Technik dieser Fahrzeuge generell sehr einfach ausgelegt ist. Selbst Nicht-Fachleute können dies schnell erkennen, wenn sie die Werbetexte und Technikbeschreibungen solcher Billig-E-Zweiräder genau lesen.“ So werden meist, wie beim eco-Flash Venus 1500, als Energiequellen Blei-Gel-Batterien verwendet. Das entspricht dem Stand der Antriebstechnologie der 1990er Jahre. Nicht zeitgemäß sind daher auch die angegebene Batterielebensdauer von ca. 300 bis 350 Ladezyklen und die Ladedauer von bis zu acht Stunden. Wird ein solcher Roller täglich gefahren und geladen, muss der Batteriesatz bereits nach einem Jahr getauscht werden. Je nach Anzahl, Typ und Hersteller der Ersatzbatterien können hier bis zu 500 Euro für den Ersatz fällig werden. Mit den Einbaukosten und unter Berücksichtigung des Wertverlusts des Fahrzeugs kann dies unter Umständen den vorzeitigen wirtschaftlichen Totalschaden bedeuten.
Ein solcher Batteriewechsel kann jedoch auch schon sehr viel früher nötig sein, denn in der Praxis haben die Batterien oft nach deutlich weniger Ladezyklen nicht mehr ihre volle Kapazität. Die versprochenen Reichweiten von 40 bis 50 Kilometern werden dann nicht mehr erreicht. „Das Problem ist hier, dass aufgrund der Kostenreduzierung sich die asiatischen Hersteller meist irgendwelcher Elektronik- und Elektrik-Komponenten bedienen, ohne sie aufeinander abzustimmen“, erklärt Rudi Höbel, Fahrzeugingenieur und Vorstand Technik bei der Clean Mobile AG. „Das fehlende Balancing in den Batterien und mitgelieferte (Billig-) Ladegeräte von geringer Qualität führen dazu, dass sie permanent mit einer falschen Ladekennlinie geladen werden, was schließlich auf kurz oder lang die Akkus zerstört.
Herausforderung Akkulaufzeit
Hinzu kommt auch, dass die Energieverluste innerhalb der Antriebseinheit sehr hoch sind. Dies liegt meist an der Steuerungs-Software, die nicht auf die einzelnen Bauteile des Antriebs ausgelegt ist, und schlechten mechanischen Komponenten.“ Ein weiteres Problem bei Billig-Rollern sind oft auch mangelnde Servicestrukturen. Sie sind meist aus Kostengründen auf ein Minimum reduziert. Vor allem in ländlichen Regionen kann dies bei Reparaturen oder Wartung von Billig-E-Zweirädern zum Problem werden. Doch selbst wenn eine Werkstatt in der Nähe ist, bedeutet das noch lange nicht, dass der Roller repariert oder gewartet werden kann, denn oft fehlt es an wichtigen Ersatzteilen oder fehlenden Schulungen der Werkstätten. „Nicht ohne Grund hat sich auf Online-Plattformen wie eBay ein reger Handel für gebrauchte Ersatzteile für Billig-Roller in den letzten Jahren entwickelt“, so Rudi Höbel. „Es kommt sogar vor, dass gewiefte Privatleute mehrere solcher Billig-Roller neu kaufen, sie zerlegen und die Teile als Neuteile über das Netz anbieten.
Qualität hat ihren Preis
Dabei verdienen sie ein Vielfaches von dem, was die Roller zusammen gekostet haben. Die Kenntnisse zum Einbau dieser Teile finden die Besitzer der Roller dann in einer der zahlreichen Foren im Netz. Ein deutliches Zeichen fehlender Kompetenz in den Werkstätten.“ Die Freude an der billigen E-Mobilität auf zwei Rädern währt vor diesem Hintergrund nur kurz. Das wissen auch die europäischen und amerikanischen Hersteller. Sie versuchen daher meist sich mit qualitativ sehr hochwertigen und technisch aktuellen Produkten von der asiatischen Billig-Konkurrenz abzuheben.
„Auch bei den modernen E-Bikes konzentriert sich die Entwicklung hauptsächlich auf die Reichweiten“, so Werner Gruber, CEO der Clean Mobile AG. „In diesem Punkt unterscheiden wir uns nur wenig von den Elektro-Pkw. Aufgrund des bedeutend geringeren Fahrzeuggewichtes und anderer unterschiedlicher Rahmenbedingungen der Pedelecs und E-Bikes sind hier jedoch in den letzten Jahren große Entwicklungserfolge erzielt worden.“ So ist es Clean Mobile als ersten Hersteller gelungen, mit Hilfe einer On-Board-Stromquelle in Form einer Direkt Methanol Brennstoffzelle (DMFC) Reichweiten zu erzielen, die vergleichbar mit denen von Verbrennungsmotoren sind und Unabhängigkeit von der Steckdose bieten. Diese Technologie wird vor allem im innerbetrieblichen Transport und bei Postunternehmen eingesetzt. Bereits in Serie angeboten werden alle von Clean Mobile rein auf Basis von Lithium-Ionen-Akkus entwickelten und angebotenen E-Antriebe für E-Bikes und sonstige elektrische Leichtfahrzeuge (LEVs). Sie werden von führenden OEM, Fahrzeugherstellern wie zum Beispiel MZ, PG-Bikes, Third Element oder von der Accel Group, erfolgreich eingesetzt. Werner Gruber: „Der LEV-Markt ist eindeutig ein Boom-Markt. Bereits heute sind rund 200.000 LEV in Deutschland unterwegs. Hält der Boom weiter an, ist der vom Bundeskabinett beschlossene nationale Entwicklungsplan zur Elektromobilität, der zum Jahr 2020 von einer Million Elektrofahrzeugen in Deutschland ausgeht, sicherlich nicht illusorisch – vorausgesetzt man rechnet die LEV hinzu.“
Trotz positiver Marktaussichten ist hier jedoch vor allem bei den Händler-Netzen und Servicestrukturen im Bereich der LEV noch viel Aufbauarbeit zu leisten. Nach wie vor nämlich liegt der Service und Handel vor allem hochwertiger LEV meist in den Händen weniger auf Fahrräder spezialisierten Händlern. Wer als Betreiber einer Kfz-Werkstatt oder eines Autohauses vor diesem Hintergrund hier ein Nebengeschäft aufbauen möchte, muss jedoch vieles beachten, damit Ruf und Finanzen nicht ruiniert werden.
Servicenetze im Aufbau
„Das erste Kriterium für ein erfolgreiches LEV-Geschäft ist die Auswahl qualitativ hochwertiger und typgeprüfter Produkte, sagt Rudi Höbel. „Sicherlich spielt der Preis beim Verkauf auch eine wichtige Rolle; mit qualitativ und technisch minderwertigen Billigprodukten wird man sich jedoch mittelfristig mehr Kunden vergraulen als dazugewinnen.“ Einen umfassenden Überblick über den LEV-Markt findet man auf der Homepage von ExtraEnergy (www.extraenergy.org). Neben umfangreichen Testberichten, Herstelleradressen, Trendberichten werden hier auch Szene-News geboten. „Das zweite Kriterium ist die Ersatzteilversorgung“, so Rudi Höbel weiter, „Sie muss vom Hersteller garantiert sein und wie bei Pkw oder Lkw innerhalb von 24 Stunden erfolgen. Obwohl eine gesicherte Ersatzteilversorgung selbstverständlich klingt, sind viele der meist jungen Herstellerfirmen hiermit aus Kosten- und Personalgründen überfordert und bieten daher oft nur Minimal-Services an. „Viele LEV-Hersteller versuchen daher, um das nötige Kapital für umfassende Service-Strukturen zu erwirtschaften, zuerst viele Handelspartner zu akquirieren, in der Hoffnung, dass diese einen möglichst hohen Absatz erzielen. Dies geschieht meist, indem sehr günstige Partnerkonditionen angeboten werden. Erst wenn dann der Break-Even-Point erreicht wird, konzentriert man sich verstärkt auf die nötigen Service-Strukturen. Bei qualitativ hochwertigen Produkten kann dieses Modell funktionieren, vor allem dann, wenn die Hersteller eine auf Qualität aufbauende langfristige Marktpositionierung planen“, erklärt Rudi Höbel. Selbstverständlich sollten auch immer Händlerschulungen sein. Hersteller und Importeure, die nicht auf einen schnellen Gewinn aus sind, werden diese immer anbieten. Marcel Schoch
Übersicht LEV-Fahrzeugtypen
LEV-Fahrzeugtypen
Technische Rahmendaten
Pedelec (Pedal Electric Cycle)
Da der Gruppe der Fahrräder zugehörig, ist keine Zulassung nötig.
Fahrrad mit unterstützendem elektrischem Hilfsmotor bis 25 km/h. Die Motorleistung (max. 250 W) des Pedelec ist über einen Kraft-, beziehungsweise Bewegungssensor automatisch an die Muskelkraft des Fahrers gekoppelt. Der Motor ist nur während des Tretens aktiv.
E-Bike (mit Pedale)
Über Einzelabnahme
Die Motorleistung (max. 500 Watt) wird über ein manuelles Bedienelement (Knopf, Hebel oder Drehgriff) geregelt, vergleichbar einem konventionellen Mofa oder Moped. Die Muskelkraft (Pedale) und Elektromotor sind unabhängig voneinander. E-Bikes können sowohl rein elektrisch wie auch im Mischbetrieb gefahren werden.
E-Bike (ohne Pedale)
Mit Zulassung
Je nach Geschwindigkeit können Leicht-Mofas (max. 20 km/h) und Mofas (25 km/h) unterschieden werden. Je nach Stärke der Motorisierung und Geschwindigkeit können Mofas (max. 25 km/h, max. 1 kW), Mokicks (Kleinkrafträder; 45 km/h) oder Motorräder unterschieden werden.
E-Scooter (Roller)Mit Zulassung
Bei E-Scootern werden zwei Arten unterschieden:
- Roller, auf denen man steht und rein elektrisch fährt (so genannte „Steh-Scooter“).
- Sitz-Roller. Sie werden über einen „Gas”-Griff am Lenker bedient. Typisch ist das „Vespa“-ähnliche Design.
Je nach Stärke der Motorisierung fallen sie in die Klasse der Mofas, Mokicks (Kleinkrafträder) oder Motorräder.
Dreirädrige LEV („E-Trike“)
Mit Zulassung
Dreirädrige Lasten- oder Personenbeförderungs-Fahrzeuge mit weniger als 100 Kilogramm Leergewicht und max. 45 km/h.
- Ausgabe 7/2010 Seite 62 (555.9 KB, PDF)