Vom Fehlercode zur Telemetrie
Bei der Diagnose geht es sowohl darum, Fehler zu finden, als auch Bauteile zu programmieren oder Servicefunktionen abzurufen. Dabei greifen immer mehr Diagnosesyteme online auf Großrechner und Datenbanken zu und können zugleich den Status von Kundenfahrzeugen via mobilem Internet abfragen.
Zu den zentralen Themen der Werkstätten zählt seit jeher die Diagnose. So gilt es gemäß der Beanstandung eines Kunden oder der bei einer Prüfung entdeckten Störung auf die Schliche zu kommen. Als sich die Diagnose noch weitgehend auf den Motor bezog, kamen bevorzugt Motortester zum Einsatz. Doch in Zeiten, in denen Autos zugleich fahrende Computer sind, umfasst die Diagnose das komplette Fahrzeug. Diagnosegeräte sind Fahrzeugsystemkommunikationsgeräte, denn sie ermöglichen den Zugriff auf alle Systeme des Autos vom Motor bis zum Navi.
Dem Fehler auf der Spur
Immer noch gilt es bei der Diagnose die Ursachen für Störungen in möglichst kurzer Zeit zu finden. Zusätzlich umfasst die Diagnose eine Vielzahl an Service-Funktionen, Programmierungen und Ähnlichem. Die Automechanika bot einen umfassenden Überblick über die unterschiedlichen Arten der Diagnose, das Angebot der Gerätehersteller sowie Ausblick auf künftige Entwicklungen.
Grundlage der heutigen Diagnose sind die eigendiagnosefähigen Steuergeräte, welche seit den 80er-Jahren in Volumenfahrzeugen zum Einsatz kamen. Die Steuergeräte legten erkannte Fehler in einem Speicher ab und der Mechaniker in der Werkstatt konnte sie sich via Blinkcode oder über ein Fehlercodeauslesegerät anzeigen lassen. Das funktioniert bis zum heutigen Tag so, nur die Anzahl der eigendiagnosefähigen Steuergeräte in den Fahrzeugen hat bis auf gut 100 zugenommen. Und manche Steuergeräte können mehrere Tausend unterschiedliche Fehlercodes generieren. Die Anbieter der Diagnosegeräte haben daher unterschiedliche Strategien entwickelt, wie die hohe Anzahl an Fehlercodes zu managen ist und wie der Werkstatt daraus eine konkrete Fehlersuchanleitung an die Hand gegeben werden kann. Einige Diagnosesysteme der renommierten Anbieter arbeiten daher heute online und erstellen die Reihenfolge für die Fehlersuche im Hintergrund über einen Großrechner beim Hersteller des Diagnosegerätes. Dabei wird mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung gearbeitet.
Diagnose aus dem Großrechner
Ein Problem, welches die Vernetzung mit sich bringt, ist, dass ein Fehler für den Anwender zunächst völlig unlogisch sein kann. Ein Massefehler der Heckscheibenheizung kann zum Beispiel Einfluss auf die Funktion des ABS nehmen. Mit dem üblichen Systemwissen ist ein solcher Zusammenhang nur schwer zu entdecken. Aber ein Großrechner, dem ein solcher Fall schon häufiger untergekommen ist, wenn bestimmte Fehlercodes zusammen aufgetreten sind, merkt sich dies und schlägt der Werkstatt eine entsprechende Prüfung vor. Der Anwender in der Werkstatt profitiert so von den gelösten Diagnoseaufgaben anderer Kunden seines Diagnosegeräteherstellers. Und das Prinzip funktioniert und gibt zeitsparende Hinweise zu wahrscheinlichen Fehlerursachen. Die eigentliche Fehlersuche wird dabei auch in Zeiten der Vernetzung vor Ort mit Messtechnik betrieben.
Daten für die Diagnose
Für die Diagnose sind Daten erforderlich, denn nur mit Systemkenntnis lassen sich Störungen aufspüren und beseitigen. Um an diese Daten zu gelangen, gibt es völlig unterschiedliche Ansätze. Häufig setzen sich die Diagnosedaten aus einem Mix vom Diagnosegerätehersteller in Kleinarbeit, dem Reengineering, erarbeiteten Daten und zugekauften Diagnosedaten zusammen. So ist es zu erklären, dass nicht alle Diagnosesysteme bei allen Marken gleich gut sind und unterschiedliche Diagnosetiefen ermöglichen. Der Gegenentwurf sind Diagnosegeräte, welche sich bewusst nur auf wenige Marken beschränken, dafür dann aber den gleichen Zugriff erlauben wie das Original-Diagnosegerät des jeweiligen Automobilherstellers. Je präziser die Daten, desto mehr leistet die geführte Fehlersuche.
Neben den komplexen Diagnoseaufgaben warten auf den Anwender in der Werkstatt heute vor allem viele kleine Servicelösungen. Aktuelles Beispiel sind die RDKS-Tools, welche auf das Auslesen, Prüfen und Programmieren der Sensoren der Reifendruckkontrollsysteme spezialisiert sind. Und oft sind es nur kleine Dinge, welche mit einem Diagnosegerät erledigt werden müssen. Texa bringt mit dem Axone S zum Beispiel ein Gerät, welches für unterschiedliche Aufgabengebiete konfiguriert werden kann.
Formen der Telemetriediagnose
Von der Idee her gar nicht so neu, aber dank Miniaturisierung und mobilem Internet jetzt in der Masse realisierbar ist die Telemetriediagnose. Dabei wird ein kompaktes Diagnoseinterface dauerhaft in die Diagnoseschnittstelle gesteckt. Je nach Ausführung kommuniziert es nur mit dem Smartphone des Autofahrers oder gleich über eine Cloud mit dessen Stammwerkstatt. Einerseits werden dem Kunden auf diese Weise Daten über den Betrieb seines Autos zur Verfügung gestellt, auf welche er sonst nicht zugreifen könnte. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass der Autofahrer beim Auftreten einer Störung die Werkstatt aus der Ferne um eine Einschätzung und bei Bedarf um Hilfe bittet. Oder die Werkstatt hat gleich Zugriff und kann jederzeit den Status des Fahrzeugs prüfen oder bei Auftreten einer Störung in Kontakt mit dem Autofahrer treten. Den Möglichkeiten sind hier im Prinzip keine Grenzen gesetzt, zumal sich diese Technologie auch mit GPS-Technik und GSM-Kommunikation kombinieren lässt. So lassen sich Fahrzeugverfolgungen bei Diebstahl, Flottensteuerungen und einiges mehr realisieren. Manche Autohäuser nutzen die Telemetriediagnose als Kundenbindungsinstrument und schenken dem Kun-den das Modul. Andere bieten es als zusätzlichen, kostenpflichtigen Service an.
Noch in den Kinderschuhen bei der Diagnose steckt das Thema Augmented Reality. Darunter versteht man Systeme, welche zum Beispiel einem Mechaniker die Daten eines Diagnosegerätes in eine Datenbrille einblenden, so dass er kein separates Display benötigt und die Befehle mit der Stimme geben kann. Oder in das Display eines Tablet-PC werden in das von der eingebauten Kamera aufgenommene Live-Bild-Zusatzinfos eingeblendet. Mit dieser Technik ist es zum Beispiel möglich Reparaturanleitungen in Echtzeit anzuwenden. Volkswagen setzt diese Technik bereits bei einem Nischenprodukt ein, auch BMW arbeitet daran und auf der Automechanika haben auch einige Diagnosegeräteanbieter erste Prototypen vorgestellt. Mit dieser vermutlich binnen zwei bis drei Jahren serienreifen Technologie kann die Diagnose nochmals verbessert werden, weil der Anwender alle Informationen exakt dann erhält, wenn er sie für einen Arbeitsschritt benötigt. Bernd Reich
- Ausgabe 10/2014 Seite 28 (6.1 MB, PDF)