Richtanlagen
Die Hersteller von Karosserierichtanlagen haben mit vielen guten Ideen und Produkten auf die Herausforderungen durch neue Werkstoffe im Automobilbau und die Kostensituation reagiert, wie die Marktübersicht zeigt.
Während der vergangenen Jahre haben sich die Anforderungen an Pkw-Richtanlagen aufgrund neuer Karosserie-Materialien und moderner Fahrzeugtechnik grundlegend geändert. Hochfeste Stähle, Aluminium und sogar Kunststoffe haben die bis dahin üblichen Stahlbleche in vielen Bereichen der Fahrzeugstruktur ersetzt. Auch umfangreiche Technik, wie zum Beispiel Aufpralldämpfer, Airbag, Xenonscheinwerfer und aufwändige Lackierungen spielen heute bei der Kalkulation eines Unfallschadens eine zunehmend wichtigere Rolle, die es bei der Instandsetzung von Karosserien zu berücksichtigen gilt.
Pkw-Richtanlagen mit elektronischen Messsystemen sind daher bei der Ermittlung von Schadensumfängen bei der Eingangsdiagnose heute kaum mehr wegzudenken. Mit ihnen kann bereits im Vorfeld festgestellt werden, ob es sich um einen Richtschaden handelt, oder ob nur defekte Teile der Karosseriehaut getauscht werden müssen. Bedenkt man zudem, dass für Messen und Richten durchschnittlich Arbeitszeiten von vier bis fünf Stunden von Fahrzeugherstellern und Versicherungen kalkuliert werden, darf das Messen und Instandsetzen auf der Richtanlage nicht durch lange Rüstzeiten oder durch komplizierte Messvorgänge verzögert werden. Hinzu kommt, dass das Fahrzeug in der Regel während der gesamten Reparatur auf der Richtanlage verbleibt. Vermessungssysteme, Verankerungen und die Plattform zur Aufnahme des Fahrzeugs dürfen daher den Arbeitsprozess in keiner Weise behindern. Alle Hersteller bieten daher heute so genannte Heberichtanlagen an, die mit einer Hebebühne kombiniert sind, so dass die Arbeitshöhe variabel ist. Vor allem Scherenhebebühnen mit Punkt-, Rad- oder Fahrbahnaufnahmen (Blackhawk, Carbench, Car-O-Liner; Celette, Carbench) aber auch Parallelogramm-Hebebühnen (Chief) kommen hier zum Einsatz. Sie bieten genügend Platz für ein Messsystem und die nötigen Zugtürme, für das Ausrichten des verschobenen Karosseriebereichs auf sein Originalmaß. Auch für anschließende Reparaturen kann das Fahrzeug meist auf der Heberichtanlage belassen werden, ohne dass das Richt- oder Messsystem zwingend abgebaut werden muss, da genügend Raum für fortführende Instandsetzungsarbeiten, auch von der Unterseite des Fahrzeugs, vorhanden ist.
Nachteil reiner Heberichtanlagen ist jedoch ihr großer Platzbedarf in der Werkstatt. Sie kommen daher meist für Kfz-Betriebe in Betracht, die einen Großteil ihres Geschäfts mit der Karosserie-Instandsetzung bestreiten. Relativiert wird dieser jedoch, wenn Heberichtanlagen auch für andere Arbeiten genutzt werden können.
Für Werkstätten, die nur gelegentlich Karosserie-Instandsetzungsarbeiten durchführen, sind mobile Richtanlagen die bessere Wahl. Im Angebot sind sie u.a. bei Blackhawk, Carbench, Celette, GPN und KMWE Fi.Tim. Sie bestehen meist aus einem Richtrahmen, den nötigen Zugtürmen und einem Vermessungssystem, das bei Bedarf mit einer vorhandenen Hebebühne kombiniert werden kann (u.a. KMWE Fi.Tim „Jollift Master Bench“). Auch ohne Hebebühne sind einige Systeme, wie zum Beispiel das Autorobot Micro von GPN einsetzbar. Fest in den Boden eingelassene Richtanlagen (so genannte Richtrahmen) sind in größeren Karosserie-Instandsetzungsbetrieben zwar noch anzutreffen, doch scheint ihre Zeit abgelaufen. Denn selten werden heute stark beschädigte Karosserien wieder instand gesetzt, weil sich eine Reparatur meist nicht mehr lohnt oder aufgrund moderner Karosseriewerkstoffe richttechnisch sich nicht durchführen lässt. Entsprechend gering ist auch das Angebot auf dem deutschen Markt bei den Richtanlagen-Herstellern. Lediglich Blackhawk und Celette haben noch fest im Werkstattboden verankerte Pkw-Richtsysteme im Programm. Obwohl solche Systeme einen großen Platzbedarf haben, aufwändig eingebaut werden müssen, bieten sie jedoch den Vorteil vor allem bei Rahmenreparaturen große Zug- und Pressdrücke übertragen zu können. Zur Gruppe der Bodenrichtanlagen gehören auch Überflursysteme ohne Hebebühne, wie sie Autorobot, Celette und GPN anbieten. Sie sind reine Richtsysteme, die lediglich eine Karosserie-Reparatur und -vermessung erlauben. Ihr Einsatzgebiet finden sie daher bei großen Kfz-Betrieben, die auf die Karosserieinstandsetzung spezialisiert sind. Kernstück jeder Richtanlage ist das Vermessungssystem. Das Ergebnis der Richtarbeit ist dabei nur so gut, wie es die Genauigkeit der Messapparatur zulässt. Mechanische Messsysteme, die auf ablesbaren Skalen an der Messvorrichtung oder am Richtrahmen beruhen, sind daher bei den Herstellern (Autorobot; Blackhawk; Celette) nur noch wenige im Angebot. Dies liegt zum einen an den sehr eng bemessenen Toleranzen für Instandsetzungsarbeiten der Fahrzeughersteller an modernen Karosseriesystemen, zum anderen an den Vorgaben der Versicherer, die denen der Fahrzeughersteller folgen.
Präzision hat hohe Priorität
Nur wenn diese Genauigkeiten eingehalten werden, können heute Karosseriewerkstätten auch die gesetzlich geforderten Garantien geben, die nur gewährleistet werden können, wenn das Fahrzeug gemäß den Herstellervorschriften und mit der hier verlangten extremen Genauigkeit repariert wurde. Bei der Anschaffung oder Aufrüstung einer Pkw-Richtanlage sollte daher immer auf elektronische Messsysteme zurückgegriffen werden. Unabhängig ob solche Messsysteme mit Laser, Ultraschall oder mit so genannten Tastern arbeiten, garantieren alle ein Höchstmaß an Präzision bei der Vermessung.
Elektronische Messsysteme bieten zudem den Vorteil, dass im System selbst die Daten der jeweiligen Fahrzeuge vorliegen und bereits beim Messvorgang abgeglichen werden können. Damit diese Daten immer auf dem aktuellen Stand sind, bieten alle Richtanlagenhersteller regelmäßige Updates online oder über Daten-CD an. Das Risiko, speziell bei sehr neuen Modellen, nicht über die entsprechenden Karosserie-Daten bzw. über die Kenntnisse der erlaubten Reparaturmethoden zu verfügen, ist daher im laufenden Werkstattbetrieb bei elektronischen Messsystemen sehr gering. Für den reibungslosen Betrieb eines Richtsystems im Werkstattalltag haben auch die Servicedienstleistungen der Richtanlagenhersteller große Bedeutung. Bei der Kaufentscheidung einer Richtanlage sollten diese immer mit einfließen. Wichtig ist hier zunächst eine gute Beratung vor Ort, damit das Richtsystem den Gegebenheiten in der Werkstatt und der Auftragssituation optimal angepasst werden kann. Bereits in der Vorbereitungsphase ist daher ein Anforderungskatalog von der Werkstatt zu erstellen, der mit zwei bis drei Anbietern besprochen werden sollte. Dabei kristallisieren sich die unterschiedlichen Möglichkeiten, auch hinsichtlich der Aufrüstmöglichkeiten des Richtsystems, heraus. Planungsfehler, die zu erhöhten Kosten im laufenden Betrieb führen können, lassen sich so bereits im Frühstadium vermeiden.
Manchmal hilft nur noch die Hotline
Selbstverständlich sollte auch eine Hotline sein, damit Probleme im Werkstattalltag möglichst verzögerungsfrei behoben werden können. Darüber hinaus sollte der Richtanlagenhersteller Schulungen für Mitarbeiter des Werkstattbetriebes anbieten können. Neben den für den Betrieb und der regelmäßigen Wartung und Pflege der Richtanlage nötigen Kenntnissen, sind hier auch die Inhalte der Unfallverhütungsvorschriften (UVV) von Bedeutung (siehe auch Anmerkung Tabelle).
Nicht immer muss es ein Neugerät sein. Um Kosten zu sparen, bieten einige Richtanlagenhersteller über ihren Vertrieb den Verkauf und die Inzahlungnahme von gebrauchten Richt- und Messsystemen an. Vor allem kleinere Werkstattbetriebe können hiervon profitieren. Nachfragen lohnt sich daher. Vor der Kaufentscheidung sollte man sich auch nach dem Reparaturservice erkundigen. Neben einer gesicherten Ersatzteilversorgung ist hier vor allem die regelmäßige Wartung durch geschulte Fachleute von entscheidender Bedeutung.
Trotz moderner Verbundkarosserien, hochfester Stähle und aufwändiger Fahrzeugtechnik gibt es heute immer noch zahlreiche Karosserieschäden, welche die Sicherheitsstruktur nicht berühren und bei denen die Airbags nicht ausgelöst wurden. Hier werden ambitionierte Karosseriespengler auch zukünftig ihr Betätigungsfeld finden. Die Investition in eine moderne Richtanlage kann sich daher immer noch lohnen. Marcel Schoch
▶ Der Einsatz moderner Werkstoffe im Karosseriebau hat wesentlichen EInfluss auf die Instandsetzung
▶ Richtanlagen sind für unterschiedliche Arbeitsumfänge und Ansprüche einer Werkstatt verfügbar
▶ Bei den Mess-Systemen sind elektronische Systeme mit ihrer Präzision und Vielseitigkeit die erste Wahl
▶ Alternativ zu einer neuen Ausstattung kann auch die Investition in gebrauchte Systeme sinnvoll sein