FSD/TÜV
Papier und Bleistift haben bei der Durchführung der Hauptuntersuchung bald ausgesorgt. Im Rahmen der Einführung der Untersuchung elektronisch geregelter Fahrzeugsysteme wird der Ablauf der Hauptuntersuchung modernisiert.
Für Fahrzeuge mit Erstzulassung ab 1. April 2006 ist im Rahmen der Hauptuntersuchung eine Prüfung elektronisch geregelter Fahrzeugsysteme vorgeschrieben. Die gesetzlichen Grundlagen dafür wurden 2006 im Rahmen der 41. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften gelegt. Hintergrund der Prüfung der elektronischen Systeme ist die weitere Verbesserung der Verkehrssicherheit.
Hohes Sicherheitsniveau erhalten
Mit der Prüfung der sicherheitsrelevanten elektronischen Systeme soll gewährleistet werden, dass ab Werk verbaute Sicherheitssysteme wie ESP und Airbags, aber auch Fahrerassistenzsysteme wie mitlenkende Scheinwerfer oder Spurhalteassistenten über die komplette Nutzungszeit des Fahrzeugs ihre Funktion erfüllen. Wird bei einem solchen Fahrzeug zum Beispiel ein ausgelöster Airbag nicht ersetzt, ist dies ein erheblicher Mangel und die Hauptuntersuchung damit nicht bestanden. Immerhin stellten die Sachverständigen bei der Durchführung der HU im vergangenen Jahr 70.000 fehlerhafte oder manipulierte Airbags fest.
In Deutschland sind mehrere Tausend unterschiedliche Fahrzeugtypen im Bestand. Und selbst identische Fahrzeugtypen können sich erheblich im Ausstattungsumfang verbauter elektronisch geregelter Sicherheitssysteme unterscheiden. Aus diesem Grund benötigen die Sachverständigen beim TÜV eine solide Datengrundlage über die verbauten Systeme. Diese Systemdaten stellt die FSD (siehe Kasten) bereit, welche für fast jedes zugelassene Fahrzeug über eine genaue Auflistung der verbauten Systeme verfügt. Im Rahmen der HU werden so Verbau, Echtheit und Funktionsweise von acht sicherheitsrelevanten Systemen geprüft: Bremsanlage, Lenkanlage, Licht, Kurvenlicht, Sicherheitsgurte, Airbags, Geschwindigkeitsbegrenzer, ABS und fahrdynamische Systeme wie ESP und bei Cabrios der Überschlagschutz. Nun würde es aber den zeitlichen Rahmen jeder HU sprengen, wenn jedes dieser Systeme einzeln überprüft werden müsste. Bei der FSD hat man daher den Ablauf der HU unter Einbeziehung der Prüfung der elektronischen Systeme neu entwickelt. Entstanden ist dabei die elektronische Hauptuntersuchung, welche ab Oktober 2010 eingeführt werden soll.
Neu entwickelter HU-Adapter
Ein wichtiger Baustein dieser elektronischen HU ist der von der FSD entwickelte HU-Adapter. Dabei handelt es sich um ein modulares Diagnosesystem mit Funk-Datenkopf und einer PDA-Anzeigeeinheit. In dieses ausschließlich den Prüforganisationen zugängliche Gerät floss das Diagnosewissen von mehr als 30 Automobilherstellern ein. Mit dem hochspezialisierten Diagnosesystem lassen sich sowohl HU-spezifische Testroutinen abarbeiten als auch Live-Daten auslesen und die Stellglieddiagnose ausführen. Sobald der Sachverständige zu Beginn der HU die Fahrgestellnummer in seinen PC eingegeben hat, ist das Fahrzeug exakt definiert. Aus der Systemdatenrechercheanwendung werden alle erforderlichen, individuellen Daten für Durchführung der HU auf den HU-Adapter übertragen. Schon jetzt wird angezeigt, welche elektronisch geregelten Sicherheitssysteme in dem Fahrzeug verbaut wurden. Und dann beginnt quasi eine geführte HU. Am Beginn steht immer eine kurze Testfahrt von knapp 20 Sekunden Länge, in deren Verlauf eine Kurve gefahren werden muss.
Durchführung zeitlich optimiert
Dabei werden die Drehzahlsensoren der Räder, der Lenkwinkelsensor und der Gierratensensor einer Plausibilitätsprüfung unterzogen. Beim ersten Stopp in der Prüfhalle wird zum Beispiel geprüft, ob die elektrische Parkbremse ordnungsgemäß die Funktion vom Hydraulik-System an das mechanische System übergibt. Beim Ablassen des Fahrzeugs von der Bühne werden die Höhenstandssensoren getestet. Das Durchschalten der Beleuchtung erfolgt ferngesteuert über den PDA, typspezifische Mängel werden ebenso im passenden Moment eingeblendet wie die Liste der zugelassenen Reifengröße. Auch das Verschwenken mitlenkender Scheinwerfer kann der Sachverständige von außen aktivieren und beobachten.
Der Ablauf der elektronischen Hauptuntersuchung fasziniert mit unglaublich ausgetüftelten Prüfschritten, die vor allem den Möglichkeiten des HU-Adapters zu verdanken sind. Trotz umfangreichem Prüfprogramm bleibt die HU im bekannten zeitlichen Rahmen und bietet an einigen Punkten mehr Präzision als bisher. Noch fehlen einige Daten, ist die schon beschlossene Einführung formell noch nicht in Kraft, doch die FSD und die Prüforganisationen sind jederzeit startbereit. Bis dahin gilt eine Übergangsphase, in der elektronische Systeme nur visuell geprüft werden. Auch Stift und Klemmbrett bleiben derweil noch in Aktion. Bernd Reich
FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH
Daten-Sammler
Am 4. Oktober 2004 wurde die FSD GmbH von den deutschen Prüforganisationen unter gesellschaftlicher Beteiligung aller TÜV gegründet. Seit April 2006 hat die FSD GmbH ihren Geschäftsbetrieb unter der Leitung von Dipl.-Ing. Jürgen Bönninger am Stammsitz in Dresden aufgenommen. Prüflabore befinden sich in Dresden und Radeberg. Aktuell beschäftigt die FSD knapp 90 Mitarbeiter. Der Ingenieurdienstleister stellt den knapp 15.000 Sachverständigen in Deutschland das Informationssystem für die Hauptuntersuchung, die Systemdatenrechercheanwendung zur Verfügung. Die Datenbank umfasst inzwischen bereits Daten für mehr als 60 Millionen in Deutschland zugelassener Fahrzeuge. Diese reichen von Daten für einzelne Baureihen bis zur individuellen Verbauinformation über die Fahrzeugidentifizierungsnummer (VIN). Außerdem bietet die FSD elektronische Informationsmodule für die Fortbildung der Sachverständigen an.
Kurzinterview
Auf Kurs
Schon jetzt wird die Elektronik von Fahrzeugen geprüft?
Bönninger: Ja, die Einschränkung ist, dass für den Anfangszeitraum von vier Jahren Funktion und Wirkungsweise der Systeme von den Sachverständigen ohne Hilfsmittel geprüft werden.
Wie sieht das bisher in der Praxis aus?
Bönninger: Wichtig ist erst mal die Information, was überhaupt in das Fahrzeug eingebaut wurde. Diese Systeme müssen dann auch funktionieren. Das ist Vorschrift ab 2006.
Ab wann wird der HU-Adapter eingesetzt?
Bönninger: Der Verordnungsgeber wird ihn ab 2010 in der StvZO in die Ausstattungsvorgabe aufnehmen. Es wird aber eine schrittweise Einführung geben ab 1.10.2010. Wir wären in der Lage das innerhalb von einem Jahr für alle Sachverständigen zu bauen. Das Gerät ist fertig und kann produziert werden.
Kommen Sie immer an alle Daten?
Bönninger: Es gab bis zum Jahre 2008 hier keine Vorgabe, weder aus Brüssel noch aus Deutschland, die es den Fahrzeugherstellern auferlegt hat, uns diese Daten zur Verfügung zu stellen. Wir haben aber trotzdem für 91 Prozent der zugelassenen Fahrzeuge mit Herstellern und Importeuren entsprechende Verträge abschließen können.
- Ausgabe 6/2009 Seite 34 (603.4 KB, PDF)