Serie Teil 9: Verkaufte Stunden pro Durchgang
Die Masse machts, sagt ein Sprichwort. Gilt das auch für den Verkauf von Werkstattaufträgen? Unser Autor meint: nein. Innerhalb weniger Minuten kann man haltbare Aussagen darüber treffen, wie es um die Leistung in einem Servicebetrieb wirklich steht.
Will man sich als Berater bei einem neuen Auftrag recht schnell einen Eindruck davon verschaffen, wie die Prozesse in einem Servicebetrieb ablaufen, dann bedarf es in der Regel weniger als zehn Minuten, um ein erstes ziemlich aussagekräftiges Bild zu erhalten. Wird eine Begrüßungstafel eingesetzt, geht es noch schneller. Zunächst einmal ein Blick in den Terminkalender. Wieviel Prozent Auslastung sind geplant? Dann die Uhrzeiten, zu denen der Kunde kommen soll. Zwei Mal acht Uhr und ein Serviceberater reichen aus, um das Thema Direktannahme ad acta zu legen. Und nicht zuletzt die Kennzahl, um die es heute geht: Verkaufte Stunden pro Durchgang. Das sind die fakturierten Stunden. Warum nicht Umsatz pro Durchgang? Na, weil man ja zum Beispiel Festpreise macht, bei denen geringere Stundenlöhne vereinbart werden. Das ist aber nicht Bestandteil der heutigen Betrachtung. Denn wenn ein Servicebetrieb zum Beispiel lediglich 1,2 Stunden pro Durchgang verkauft, dann ist das ein klares Zeichen, dass Auftragsvorbereitung und Annahme deutlich kranken.
Einflussfaktoren
Aber was sind die Einflussfaktoren, die sich positiv auf diese Kennzahl auswirken? Und warum ist es so schlimm, wenn diese Kennzahl eben mal etwas niedriger ist? Fangen wir mal damit an:
Nehmen wir an, ein Kunde kommt auf Grund eines Frühjahrscheck-Angebots zu Ihnen. Dann hat er meist nur eine vage Vorstellung davon, was damit gemeint ist und wie lange es dauert. Und das Thema Zusatzarbeiten hat er gar nicht auf dem Schirm. Warum auch? Das kostet doch auch zusätzliches Geld. Will er eigentlich nicht! Nimmt sich der Serviceberater nun keine Zeit für ihn, dann bleibt es bei dem Frühjahrscheck für 19,90 Euro. Das nennt man gemeinhin den Service-GAU, weil nun der ganze Aufriss eines Auftrages gemacht wird, der Monteur zwanzig Minuten beschäftigt ist und am Ende knapp 20 Euro in der Kasse sind. Will der Serviceberater aber, dass da 120 oder gar 150 Euro draus werden, muss er dem Kunden zusätzliche Arbeiten anbieten und – ja – verkaufen.
Doch dafür benötigt er Zeit, um mit dem Kunden zu reden. Ergo hat die Dauer des Gesprächs mit dem Kunden Einfluss auf die Menge der verkauften Stunden. Was hält den Serviceberater also ab?
Die nackte Angst vor dem Auftrag
Neben Gründen wie „keine Zeit“ und „der Kunde will nicht“ ist einer der wichtigsten Gründe die nackte Angst. Das hat vielfach die Ursache darin, dass Chefs es gerne sehen, wenn der Terminplan mit mindestens einer Woche Vorlauf prall gefüllt ist. Und weil der Chef so zufrieden grinst, wenn man ihm auf die Frage nach: „Wie sieht´s denn aus?“ mit einem beschäftigten „130 Prozent – die ganze Woche!“ antwortet, darum wird der Terminplaner fleißig bis an den Rand und darüber hinaus vollgeschrieben.
Auch mal sicherlich mit sehr auskömmlichen Zeiten. Ist Erfahrungssache. Mit welchem Ergebnis? Na ja, wenn nun der Serviceberater am Morgen in den Terminkalender guckt, dann macht er sich klar, dass heute ja wohl gar nix mehr geht. Und dementsprechend verhält er sich. Und das ist nur natürlich! Jetzt stellen Sie sich mal vor, der nimmt ein Fahrzeug mit einer Hunderzwanzigtausend-Kilometer-Inspektion auf die Hebebühne und findet da noch defekte Bremsen, oder Auspuff oder Stoßdämpfer oder Ölverlust, oder einen fälligen Zahnriemen? Und dann sieht das auch noch der Kunde und fragt, ob man das denn nicht direkt mitmachen könne! Bis heute Abend! Und gefühlt ist die Bude voll bis oben hin. Und morgen auch und übermorgen auch. Und der Werkstattleiter hat noch von gestern ein paar Pflegefälle da.
Ganz ehrlich: Welcher Serviceberater setzt sich bei klarem Verstand solchen Gefahren aus? Nein – dann lieber keine Direktannahme und im Zweifel kann man telefonieren. Und wenn es nicht hinhaut: Die Teile sind nicht mitgekommen! Immer wieder gern genommen, um den Druck abzulassen.
Pufferzeiten aushalten können
Um dem zu begegnen, hilft nur eine Therapie. Zunächst einmal Puffer planen und auch wirklich aushalten können. Nur wer aktiv morgens sieht, dass da noch Luft ist, ist bereit den mittels Direktannahmen zu verkaufen. Oder wenn man die Planung genau haben will mittels Vorabcheck. Das bedeutet der Kunde kommt zur Direktannahme und dann macht man auf Basis dieser einen Termin, welcher dem Kunden gut passt, zu dem man Teile bestellen kann und den richtigen Monteur für die Arbeit reserviert.
Verhältnis 1 zu 3 geht nicht
Das alles muss vor dem Hintergrund geschehen, durch mehr Stunden pro Durchgang die notwendigen Durchgänge zu reduzieren und so eben mehr administrative Zeit für den einzelnen Kunden zu haben. Wegen so einer Aussage wird man schon mal aus einem Beratungsauftrag geworfen. Gleichzeitig wird postuliert, dass ein Verhältnis von drei produktiven zu einer administrativen Kraft geht. Aber: Wenn drei Monteure in der Werkstatt arbeiten, dann können die zur Verfügung stehenden 24 Arbeitsstunden verkauft werden, indem die Monteure zwanzig Aufträge mit jeweils 1,2 Stunden abarbeiten oder eben zwölf Aufträge mit zwei Stunden. Bei Letzterem bleiben dem Serviceberater und auch der Serviceassistenz acht Durchgänge erspart. Wohlgemerkt bei gleichem Umsatz! Und damit administrative Zeit von mehreren Stunden, die er besser in die Betreuung des einzelnen investiert.
So viele Aufträge wie möglich?
Nur so bekommt der Serviceberater die Zeit, per Direktannahme sauber definierte Aufträge entgegenzunehmen und mit dem Kunden über weitere Dienstleistungen sprechen zu können. Es ist schon merkwürdig, wie vehement sich Werkstattchefs diesem Argument verschließen. Da bekommt man solche Aussagen wie: „Wenn ich nur zwölf Durchgänge am Tag mache, könnte ich zusperren“ zu hören. Dabei ist der Grund, dass er zwanzig Durchgänge machen muss der, dass er zwanzig Durchgänge macht. Die aber mit der schnellen Feder. Immer noch gilt der Grundsatz: Soviel Durchgänge wie möglich. Dass dabei die Serviceberater verschlissen werden, sieht man seltsamerweise gar nicht. Oder wieviele Serviceberater kennen Sie, die in dem Job 65 Jahre alt werden? Eben! Georg Hensch
- Ausgabe 7/2013 Seite 50 (1.3 MB, PDF)