Waschchemie
Das VDA-Siegel für Waschanlagen setzt seit 2010 Standards, um Fahrzeuge zu schonen. Damit eine Autowäsche so abläuft, muss die Waschchemie bestimmte Kriterien erfüllen. Nützt das auch der Umwelt?
Ende August im vorigen Jahr stieg die Party. An einer Berliner Aral-Tankstelle. Vertreter vom Verband der Automobilindustrie (VDA) übergaben das 1.000ste Siegel „VDA-konforme Waschanlage“ an die Stationsbetreiber – für ihre moderne Waschstraße.
Für die Autoindustrie hat der Werterhalt der Autos höchste Priorität. Waschanlagenbetreiber können das VDA-Siegel seit Juli 2010 beantragen. Es gilt für zwei Jahre. Die Vorgaben für das VDA-Siegel, an denen die Autowaschbranche seit 2007 mitarbeitet, zielt auf eine schonende Autowäsche. Autopartien und Fahrzeuganbauten bestehen zum Teil aus empfindlichen Materialien wie Eloxal.
„Autowäsche darf keine Schäden verursachen. Das war für seriöse Lieferanten und verantwortungsvolle Betreiber auch vor der Einführung der Richtlinie ein Muss“, erklärt Georg Wimmer. Er ist Geschäftsführer von Auwa Chemie, einem Tochterunternehmen des Anlagenherstellers WashTec. Wimmer sieht in den VDA-Richtlinien die Basis, schonende Autowäsche messbar und vergleichbar zu machen.
Das VDA-Regelwerk teilt Waschchemie in die Klassen A (manuelle Reinigung) und B (Maschinenwäsche) ein. Es schreibt den Herstellern keine Zusammensetzung vor oder verbietet einzelne Stoffe.
Die VDA-Vorgaben beinhalten die Prüfbedingungen, welche die Chemie bestehen muss. Zum Beispiel definieren Versuchsreihen, wie lange Reinigungsmittel unter welcher Temperatur auf verschiedene Prüfkörper einwirken müssen. Treten keine Schädigungen wie Flecken, Verfärbungen und Korrosionen auf, ist der alkalische oder saure Reiniger VDA-konform.
Auf den Etiketten der besiegelten Chemie steht wie bisher die maximal anzuwendende Konzentration. Ob diese im Vergleich zu Vor-Siegel-Zeiten generell sank, lässt sich nicht verallgemeinern. „Die Zusammensetzung der Produkte hat sich in manchen Fällen geändert. Wir haben verschiedene Rohstoffe ersetzt, um die Reinigungsleistung bei gleichzeitiger Materialschonung sicherzustellen“, beschreibt Auwa-Chef Wimmer die Herausforderung.
Grüne Sauberformel
Was Autos schont, schadet nicht der Umwelt. Die einfache Formel mag für Waschchemie stimmen. Nur bringt sie zwei verschiedene Aspekte zusammen. Hersteller behalten zum einen die VDA-Kriterien im Blick, entwickeln sie Reiniger. Auf der anderen Seite versuchen sie, ihre eigenen Umweltvorgaben zu erfüllen.
Grüne Serien gibt es genügend. Ihr Markenzeichen: biologisch abbaubare Inhaltsstoffe. Notwendig, erfolgt die Wasseraufbereitung nicht nur über Kiesfilter, sondern über eine biologische Stufe. Also über Bakterien. Biozide in der Chemie würden die Bakterien töten. Gift ist für solche Brauchwassersysteme auch, steigen Leitfähigkeit und Salzeintrag. Mittlerweile ziehen Waschanlagen bis zu 80 Prozent und mehr Brauchwasser.
Die Waschchemie sollte mit schwankenden Brauchwasserqualitäten zurechtkommen. Diesen Anspruch formuliert Dominic Bischof, Produktmanager bei Sonax. Er kümmert sich um Waschanlagenprodukte und berichtet: „Wir stellen das System aus Technik und Chemie durch leistungsstarke Produkte und optimale Dosierungen so ein, dass es flexibel auf die Schwankungen in der Wasseraufbereitungsanlage oder im Brauchwasser reagieren kann.“ Wasserqualität, die sich verändert, gehört zum Alltag. Erhöhte Tensidbelastungen, Aussalzung im Frühjahr oder Verkeimung im Kreislauf ließen sich bis zu einem gewissen Grad chemisch ausgleichen, meint der Sonax-Manager.
Bischof bringt als nächstes Kriterium ins Spiel, die Gesundheit des Anwenders zu schützen: „Ein Inhaltsstoff wie Nitrilotriacetic Acid, bekannt als NTA oder Nitrilotriessigsäure, ist ein stickstofforganischer Komplexbildner und steht im Verdacht, krebserregend zu wirken. Solche Stoffe sind für uns tabu.“ Sein Hinweis: Der Gesetzgeber schreibt vor, NTA erst ab einen Anteil von über fünf Prozent durch ein Gefahrensymbol auf dem Behälter zu kennzeichnen. Bereits bei einer geringen Dosis gefährde ein Anwender seine Gesundheit, sagen Branchenkenner.
Gute Portallösungen
Flusssäure zählt auch zu den geächteten, von Betreibern wohl unterschätzten Stoffen. Das VDA-Siegel bekommt man mit ihr nicht. Wer sie in der Vorwäsche verwendet, muss einen strengeren Arbeitsschutz einhalten. Stichwort: persönliche Schutzkleidung. Ob man die in den Waschanlagen immer anzieht, lässt sich anzweifeln. Das findet Benjamin Gozdowski, Geschäftsführer von Dr. Stöcker. Ihm geht es vor allem darum, die VDA-Konformität differenziert zu betrachten: „Bei Portalanlagen ist es kein Problem, die VDA-Kriterien zu erfüllen. Produkte wie Schaum, Shampoo, Trocknungshilfe und Konservierer sind in Bezug auf das VDA-Siegel unproblematisch und liefern durch die Bank hervorragende Ergebnisse.“ Anders schätzt es Gozdowski bei Hochleistungsanlagen ein. Mit solchen Waschstraßen gerate man je nach Arbeitsmethodik in Konflikt zum VDA-Band, glaubt der Chef von Dr. Stöcker. Er begründet: Der Chemie bleibe zu wenig Zeit zu wirken. Und reiner Hochdruck alleine versage, statisch anhaftenden Schmutz zu entfernen. Das stelle die Chemie im Vor- oder Felgenreiniger vor größere Anforderungen. Die ließen sich schwer VDA-konform lösen, ohne Abstriche an der Reinigungsleistung zu machen. „Das VDA-Siegel macht das Leben nicht unmöglich, wird der Problematik aber angesichts sinkender Waschhäufigkeit und gleichzeitig steigender Kilometerleistungen der Fahrzeuge nur bedingt gerecht“, urteilt Gozdowski.
Die aktuellen Zahlen vom VDA QMC (Qualität Management Center) stützen die Sichtweise des Dr. Stöcker-Chefs. Anfang August 2013 gab es 1.442 VDA-konforme Waschanlagen. Die verteilten sich auf 1.419 Portale, 18 Waschstraßen und fünf SB-Anlagen. Unangefochten führt Aral die VDA-Siegelliste an – mit 1.085 Anlagen. Es folgen OMV (184) und Shell (109). Experten schätzen, dass es knapp 16.000 Waschanlagen in Deutschland gibt. Da wirken die Siegel-Zahlen noch recht ernüchternd. Kai Kalbitz
- Ausgabe 10/2013 Seite 62 (5.2 MB, PDF)