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Schnell ist relativ

25.06.2020 11:00 Uhr
Schnell ist relativ

Elektroautos benötigen eine leistungsfähige Ladeinfrastruktur und Ladeelektronik, um schnell aufgeladen werden zu können. Doch der Teufel steckt wie so oft im Detail. Wir klären auf, warum die Stromer oft Stunden an der Ladesäule hängen müssen.

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Geht es nach den Versprechen der Autohersteller, lässt sich die neue Generation der Elektroautos im Handumdrehen laden: "100 Kilometer in Reichweite in fünf Minuten" oder "80 Prozent Batteriekapazität in 30 Minuten" sind nur einige der Werbebotschaften, die Kunden zum Kauf eines Stromers animieren sollen.

Mangel an Schnellladern

In der Realität sieht das Ladeerlebnis mit dem Elektroauto meistens anders aus, denn wenn es mit dem Laden schnell gehen soll, sind verschiedene Faktoren entscheidend. Das Laden der Batterie eines Elektroautos ist nämlich nicht mit dem Tanken eines Verbrenners vergleichbar. Grundsätzlich muss man aber zunächst zwischen dem DC-Schnellladen mit Gleichstrom und dem AC-Laden mit Wechselstrom unterscheiden. Ersteres ist überhaupt Voraussetzung, um den Stromer "schnell" befüllen zu können. DC-Schnelllader sind sehr teuer und deshalb deutlich seltener als AC-Ladesäulen. Zudem muss das Auto natürlich schnellladefähig sein und eine entsprechende Ladebuchse vom Typ CCS oder Chademo besitzen, Tesla setzt wiederum auf ein eigenes System.

Entscheidend ist nun einerseits die Ladeleistung, die eine Schnellladesäule abgeben kann, und andererseits, was das Auto davon annehmen kann. Denn schnell ist relativ: Viele DC-Ladesäulen arbeiten noch mit 50 Kilowatt Leistung. Ein Stromer wie ein Tesla mit großer 100-kw/h-Batterie würde hier trotzdem über zwei Stunden benötigen, um voll aufgeladen zu werden. Gerade entlang der Autobahnen sind deshalb höhere Ladeleistungen bis zu 350 Kilowatt möglich, wenn auch noch recht spärlich ( siehe Grafik "Verteilung Ladeleistung"). Mit sehr hohen Leistungen reduziert sich zwar die Ladedauer, jedoch können viele Autos diese Leistungen nicht dauerhaft annehmen. Je nach Bauart der Batterie und des Thermomanagements (die Batterie erhitzt sich während des Ladevorgangs) wird die Leistung sehr schnell wieder gedrosselt oder gar nicht erst voll abgerufen. So kann es passieren, dass das Auto die ersten zehn Minuten mit 150 Kilowatt lädt, um dann auf 50 Kilowatt zu drosseln, was die Ladedauer wieder in die Höhe treibt. Autos mit einem guten Thermomanagement der Batterie wie beispielsweise der Audi E-Tron oder der Porsche Taycan sind in der Lage, sehr hohe Ladeleistungen über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten. Dennoch ist es sinnvoll, das Auto nur bis zu einer Kapazität von 80 Prozent aufzuladen und lieber öfters tanken zu gehen.

Drei Phasen sollen es sein

Beim weit verbreiteten AC-Laden mit Wechselstrom, so wie es an den meisten öffentlichen Wallboxen oder im Privatbereich zu finden ist, sind die Leistungen deutlich niedriger als beim DC-Schnellladen. Hier ist der Faktor Zeit nicht so entscheidend, im Regelfall sollte das Auto aber nicht länger als einen Arbeitstag an der Strippe hängen. Im Gegensatz zum DC-Schnellladen funktioniert das AC-Laden anders, denn der Wechselstrom aus der Wallbox muss zunächst in Gleichstrom umgewandelt werden. Das macht ein Onboard-Lader im Auto, der meistens der begrenzende Faktor ist. Dabei ist es entscheidend, wie effizient der Onboard-Lader im Auto arbeitet, da immer Umwandlungsverluste entstehen. BorgWarner hat jüngst einen Onboard-Lader vorgestellt, der über eine sehr hohe Effizienz verfügt, also einen Großteil des Stroms auch umwandeln kann. Dieser ist allerdings noch nicht verfügbar. Daneben ist wie beim DC-Schnellladen auch die Ladeleistug des Laders entscheidend. Hier gibt es große Unterschiede: Elektroautos wie der Renault Zoe haben beispielsweise einen sehr leistungsfähigen Onboard-Lader, der mit 42 Kilowatt Leistung laden kann. Andere Autos bieten im Regelfall nur elf Kilowatt und weniger, was aufgrund kleinerer Batteriegrößen dann jedoch nicht so ins Gewicht fällt.

Sehr ungünstig ist es hingegen, wenn die Batterie des Autos groß und der Onboard-Lader wenig leistungsfähig ist. Ein krasses Beispiel ist hierbei der Jaguar I- Pace. Der Luxus-Stromer hat eine Batterie mit einer Kapazität von 90 kW/h, jedoch nur einen Onboard-Lader, der maximal sieben Kilowatt Leistung entgegennehmen kann. Dieser lädt zudem nur einphasig, da das Auto für den internationalen Markt konzipiert wurde. In Deutschland wird der Strom jedoch dreiphasig bereitgestellt. Wegen der in Deutschland gültigen Schieflastverordnung in Privathaushalten darf die Ladung an einer Phase zudem nur mit maximal 20 Ampere abgesichert werden (zukünftig nur 16 Ampere). Folglich lädt der I-Pace an einer privaten Wallbox (unabhängig von deren Leistung) nur mit maximal 4,6 Kilowatt, meistens jedoch nur 3,7 Kilowatt (16 Ampere Absicherung). Somit benötigt das Fahrzeug über 25 Stunden, bis es voll aufgeladen ist.

Ladegeräte-Hersteller wie das Schweizer Unternehmen Juice Technology haben deshalb für Stromer mit lahmen Onboard-Ladern den "Juice Phaser" entwickelt. Laut Juice Technology ist das Gerät in der Lage, das Maximum aus einer Phase herauszuholen: Bis zu 5,6 Kilowatt sollen dank der internen 25-Ampere-Absicherung laut den Schweizern (legal) möglich sein, was die Ladedauer des I-Pace in der Theorie auf rund 15 Stunden verkürzt. Wünschenswert wäre es dennoch, wenn alle Autohersteller Onboard-Lader mit mindestens elf Kilowatt und dreiphasiger Ladefähigkeit verbauen würden, denn dann ließen sich auch Luxus-Stromer wie ein Jaguar I-Pace innerhalb eines Arbeitstages aufladen oder auch an öffentlichen Wallboxen flott laden.

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