Bis zu 50 Prozent des Motoröls besteht heute aus Additiven. Bei einigen Ölen liegt der Additivanteil sogar noch darüber. Das heißt, das Verhältnis von Grundöl und Additivpaket beträgt heute nicht selten eins zu eins. Was verrückt klingt, wenn man bedenkt, dass Motoren früher Automobile, deren Ölkreisläufe mit Nebenstrom-Zentrifugen auszukommen haben, also keine Hauptstrom-Filter besitzen, additivarme Schmierstoffe bedürfen. Verrückt auch deshalb, weil es die Asche bestimmter Additive ist, die bei modernen Dieselmotoren maßgeblich dazu beiträgt, dass sich der Partikelfilter zusetzt.
Elf Arten von Additiv(paket)en
Folgende Additive, kombiniert zu so genannten Additivpaketen, sind in Ölen für moderne Motoren anzutreffen:
- Alterungsschutzmittel
- Detergentien (wirken reinigend)
- Dispergentien (halten gelöste Teilchen in Schwebe)
- Korrosionsinhibitoren
- Metalldeaktivatoren
- Oxidationsinhibitoren
- Pourpoint-Verbesserer (stellen Fließfähigkeit auch bei sehr niedrigen Temperaturen sicher)
- Reibungsminderer
- Schaumdämpfer
- Verschleißminderer
- Viskositätsindexverbesserer
Noch unübersichtlicher wird die Angelegenheit, wenn man bedenkt, dass die Zusammensetzung der Additivpakete, abhängig von der jeweiligen Anwendung (Temperaturbereiche etc.), stark differiert. "Beispielsweise gibt es bei den Reibungsminderer-Paketen fünf bis sechs Unterpakete mit unterschiedlichen chemischen Zusammensetzungen und bei den Verschleißminderern sogar rund 20 verschiedene Formulierungen", erklärt Volker Clasen, Anwendungstechniker bei Castrol. "Zunächst sind es Additive mit Phosphor-, Schwefel- und in geringerem Maß Chlorverbindungen, die als Asche den Partikelfilter zusetzen. Daher auch die Bezeichnung Low SAPS für Motoröle, die für Dieselmotoren mit Partikelfilter geeignet sind. Das Kürzel steht für Sulfatasche, Phosphor und Schwefel. Hinzu kommen metallische und metallähnliche Verbindungen, deren Rekristallisationsprodukte, Abrieb von Motorteilen und elektrolytisch wirkende Bestandteile, also Wasser und Säuren." Somit setzt sich ein Partikelfilter nicht nur mechanisch, vergleichbar mit einem Staubsaugerbeutel, sondern auch elektrochemisch (durch Oxidation und Korrosion) zu.
Wichtig ist auch die Viskosität
Gänzlich verhindern lassen sich diese Prozesse nicht, wohl aber eindämmen, und zwar mit dem korrekten Motoröl. Markenübergreifend kennzeichnet die Norm ACEA C, insbesondere ACEA C1, Motoröle mit geringen Anteilen von Sulfatasche, Phosphor und Schwefel. Doch das ist nicht alles. Volker Clasen: "Wird beispielsweise, vermutlich aus Kostengründen, statt der vorgesehenen SAE-Klasse 0W-30 ein 10W-40-Öl verwendet, so ist dieses Öl überlastet. In der Folge erhöht sich der Ölverbrauch und somit auch die Aschemenge, erfahrungsgemäß auf das Fünf- bis Sechsfache. Das damit erzeugte Problem im Abgasstrang - der Partikelfilter erhält wesentlich mehr Beladung als wegoxidiert werden kann - dürfte kurzfristig unbemerkt bleiben, doch nach geschätzten 80.000 Kilometern ist der Partikelfilter endgültig verstopft, selbst bei im Überlandverkehr genutzten Fahrzeugen, und nach vielleicht 180.000 Kilometern der Motor verschlissen." Hochgerechnet auf die genannte Fahrleistung, hat man vielleicht die Schmierstoffkosten um einige Hundert Euro reduziert, durch die verminderte Fahrleistung zugleich aber einen indirekten Schaden im vier- bis fünfstelligen Bereich angerichtet. Dieses durchaus realistische finanzielle Szenario sollte gut als Argumentationshilfe taugen, wenn es im Kundengespräch um einen zwar teureren, aber für ein Fahrzeug mit Dieselmotor und Partikelfilter korrekten Schmierstoff geht.
Ursprünglich war die Klassifizierung von Low-SAPS-Schmierstoffen nicht nur für Diesel-, sondern auch für Ottomotoren gedacht. Praktische Bedeutung hat sie heute aber nur für Dieselmotoren, was auch Volker Clasen bestätigt: "Derzeit geht es bei Schmierstoffen für Ottomotoren mehr um die Reduzierung von Kraftstoffverbrauch und CO2-Emission als um die Minderung der Partikelzahl." Dass sich diese Situation mittelfristig ändern kann, steht außer Frage (vgl. Kurzinterview "Eine Frage an Dr. Günter Fraidl").
Kurzinterview
Eine Frage an ... Dr. Günter Fraidl, Senior Vice President Powertrain Systems Passenger Cars beim Grazer Entwicklungsdienstleister AVL List GmbH
Während des letztjährigen Internationalen Wiener Motorensymposiums sagten Sie: "Wir müssen damit rechnen, dass wir hier (beim Partikelfi lter; Anm. d. Red.) eine Bewegung vom Diesel- zum Ottomotor haben werden." Lässt sich diese Aussage inzwischen zeitlich präzisieren?Die grundsätzliche Notwendigkeit eines Partikelfilters ist beim Diesel- und Ottomotor sehr differenziert zu betrachten. Beim Dieselmotor ist eine gewisse Partikelemission praktisch ein Charakteristikum der heterogenen Verbrennung. Eine Verringerung der Partikel-Rohemission steht zumeist im Trade-off zu anderen Emissionskomponenten (zum Beispiel NOx) bzw. zum Kraftstoffverbrauch. Damit erlaubt ein Partikelfilter eine bezüglich anderer Emissionsparameter günstigere Motorabstimmung und hat damit auch einen gewissen Zusatznutzen. Beim homogenen Ottomotor ist die Partikelemission zumeist eine Unvollkommenheit der Gemischbildung. Damit könnte rein theoretisch bei einer perfekten Gemischbildung die Partikelemission mit motorinternen Maßnahmen eliminiert werden. Zudem bringt der Partikelfilter im Gegensatz zum Dieselmotor keine Zusatzvorteile, sondern vielmehr bei höheren Lasten über erhöhten Gegendruck sogar CO2-Nachteile. Damit wäre ein Vermeiden des Partikelfilters auch aus Kostengründen ein sinnvoller Ansatz. Dies ist jedoch in der Praxis durch Toleranz- und Verschleißeinflüsse sowie unzureichende Kraftstoff- und Ölqualitäten nur eingeschränkt möglich und erfordert einen enorm hohen Entwicklungsaufwand. Auch die sichere Beherrschung der durch das Schmiersystem bedingten Partikelemission über die gesamte Fahrzeuglebensdauer stellt eine komplexe Zusatzaufgabe dar. Darüber hinaus ergibt sich durch die neuen Testverfahren Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure (WLTP) und Real Driving Emissions (RDE) beim Ottomotor gerade hinsichtlich Partikelanzahl eine drastische Verschärfung der gesetzlichen Randbedingungen, die gegebenenfalls Partikelfilter erzwingen können. Damit wird die Fragestellung, ob, wann und in welchen Fahrzeugen Partikelfilter auch bei Ottomotoren eingesetzt werden, zu einer komplexen technischen, aber noch viel komplexeren politischen Fragestellung.