Audi R8 mit Magnetic-Ride-Dämpfung
Die Kennlinien der Stoßdämpfer des Audi R8 sind nicht wie üblich zweistufig, sondern stufenlos verstellbar. Möglich wird das durch den ersten Serieneinsatz einer so genannten magnetorheologischen Flüssigkeit.
Angekündigt hatte sie Zulieferer Delphi schon Jahre zuvor. Aber manche Dinge dauern wohl etwas länger. Mit dem Audi R8 ist nun erstmals ein (Klein-)Serienfahrzeug mit Stoßdämpfern bestückt, deren Dämpferöl so genannte magnetorheologische Eigenschaften aufweist. Delphi nennt die Technik Mage Ride, bei Audi entschied man sich für den Begriff Magnetic Ride. Die Dämpfer werden als Option angeboten. Serienmäßig ist der R8 mit konventionellen Gasdruckdämpfern ausgerüstet.
"In den Kolben dieser Stoßdämpfer zirkuliert kein herkömmliches Öl, sondern ein magnetorheologisches Fluid – ein synthetisches Kohlenwasserstofföl, in dem mikroskopisch kleine magnetische Partikel eingeschlossen sind. Beim Anlegen einer elektrischen Spannung an einer Spule entsteht ein Magnetfeld, durch das sich die Ausrichtung der Partikel ändert: Sie legen sich quer zur Strömungsrichtung des Öls und hemmen so den Durchfluss durch die Kolbenkanäle. Der Dämpfer wird schlagartig straffer. Der Vorteil dieser Technik: Die Dämpferverstellung reagiert auf die Befehle des elektronischen Steuergeräts deutlich schneller als bisherige Systeme mit einem verstellbaren Ventil.
Radselektive Berechnung
Das Steuergerät wird von einer komplexen Sensorik gefüttert und berechnet pausenlos die optimalen Werte für jedes einzelne Rad. Lenkt der Fahrer beispielsweise in eine Kurve ein, so wird die Dämpfkraft am Kurvenäußeren erhöht. Die Wankneigung der Karosserie ist dadurch noch geringer, das Auto reagiert noch spontaner. Je nach Fahrsituation und persönlicher Stimmung kann der Fahrer zwischen dem Normal- und dem Sportmodus unterscheiden: betonter Fahrkomfort für lange Strecken oder schlechte Straßen, betonte Dynamik für das lustvolle Genießen einer kurvigen Strecke." Besser als die Erklärung im Audi-Originalton hätte man es kaum formulieren können.
Der Mittelmotor-Sportwagen mit All-radantrieb ist vorn und hinten mit doppelten Querlenkern ausgestattet, die meisten Fahrwerkteile bestehen aus einer Aluminiumlegierung. Das gilt ebenso für die Karosserie. "Zwingende Basis für ein präzises Fahrgefühl ist eine Karosseriestruktur von hoher Steifigkeit, die auch unter extremer Belastung keine Toleranzen und kein Eigenleben kennt. Der Audi Space Frame aus hochfestem Aluminium mit seinem Käfig-ähnlichen Aufbau liefert diese Steifigkeit in nahzu konkurrenzloser Weise", so ein weiteres Audi-Zitat.
Fahrwerk und Lenkung sind mit der Karosserie über 52 Anbindungspunkte verbunden. Im Fahrwerkbereich sind das so genannte Gummi-Metall-Elemente, die zwar "ein-fach aussehen, aber individuell ab-gestimmte High-Tech-Ele-mente sind", wie man bei Audi betont. Das trifft jedoch nur für den Neu-zustand der Gummi-Metall-Elemente zu. Sind sie verschlissen, existiert noch immer keine geeignete Diagnosemöglichkeit, um den Verschleißfortschritt festzustellen. Auf der einen Seite das ungeeignete Montiereisen, auf der anderen Seite das teure und zeitaufwändige Geräusch-Analyse-System (GAS) des ehemaligen Audi-Ingenieurs Jaromir Kur. Die Schere geht zu weit auseinander. Zwischen den Extremen fehlt ein brauchbares Mittelmaß, was sich kurz- und mittelfristig kaum ändern wird.
Zusätzliche Spurstange hinten
Zurück zum Fahrwerk: Die Doppelquerlenker-Hinterachse besitzt eine zusätz-liche Spurstange, die unter Last eine definierte Vorspurkurve ermöglicht, was Audi zufolge "wesentlich zur sehr guten Beherrschbarkeit dieses Hochleistungs-autos beiträgt". Apropos Beherrschbarkeit: Das elektronische Stabilitätsprogramm ESP ist beim Audi R8 zweistufig ausgelegt. "Der Standard-Modus, der bei allen Si-cherheitsreserven die Agilität des R8 in vollem Umfang erhält, und den Sport-Modus, der bei sehr sportlichen Ansprüchen eine größere Querdynamik gestattet. Und wer auf einer Rennstrecke die Fähigkeiten des R8 im Extrem ausloten will, kann das ESP inklusive der Antriebsschlupfregelung komplett ausschalten", rät man bei Audi.
Es scheint das Privileg der Markenbetriebe, den Audi R8 über die üblichen vier Jahre Markentreue hinaus betreuen und erleben zu dürfen, wie ein hochkomplexes, vielfach gummigelagertes Fahrwerk ein-schließlich durch magnetorheologische Flüssigkeit realisierter, elektronisch ge-steuerter Dämpfung altert. Wie fährt sich der R8 in zehn Jahren? Peter Diehl