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Kettenreaktion

18.11.2008 12:02 Uhr
Kettenreaktion

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Steuerketten

Renaissance des klassischen Maschinenbaus: Bei tatsächlichen Motorneuentwicklungen spielen Zahnriemen als Nebenantriebslösung so gut wie keine Rolle mehr. Doch auch Steuerketten haben ihre Tücken. Welche das sind, klärt dieser Beitrag.

Zu Beginn der 1980er Jahre wurde die Steuerkette bei vielen Motoren-herstellern durch den Zahnriemen ersetzt. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch der Marktanteil der Steuerkette als Nebenantriebselement an Verbrennungsmotoren wieder deutlich vergrößert.

Zur Hauptaufgabe der Steuerkette gehört es, einen Teil der vom Motor erzeugten Kraft im Übersetzungsverhältnis zwei zu eins auf die Nockenwelle zu übertragen. Daneben treibt die Steuerkette mit unterschiedlichen Übersetzungsverhältnissen auch Nebenaggregate wie Öl- und Wasserpumpe oder Ausgleichswelle an. Der Vorteil des Steuerketten-antriebs ist vor allem sein sehr hoher Wirkungsgrad. Er kann unter optimalen Bedingungen bis zu 98 Prozent betragen, da Ketten absolut formschlüssig laufen und im Gegensatz zu kraftschlüssigen Übertragungselementen nicht mit Schlupf gerechnet werden muss.

Schonung der Wellenlager

Steuerketten garantieren daher, ähnlich wie Zahnräder, dass die Nockenwelle stets synchron in einem festen Winkelverhältnis zur Kurbelwelle läuft und so exakte Ventilsteuerzeiten eingehalten werden. Darüber hinaus müssen Steuerketten im Gegensatz zu kraftschlüssigen Antrieben nicht vorgespannt werden. Dies schont vor allem die Wellenlager im Motor. Da Steuerketten zudem keine bestimmten Kontakt- oder Reibeflächengrößen zur Kraftübertragung benötigen und sich kaum elastisch verformen, ist es möglich, kleine Zahnscheibendurchmesser und damit kurze Achsabstände zu realisieren. Entwickler können ihre Motoren kom-pakter gestalten. Doch kein Vorteil ohne Nachteil. Jeder Steuerkettenantrieb benötigt eine Ölschmierung. Der hierfür nötige konstruktive Aufwand verteuert die Entwicklung und den Bau des Motors. In den meisten Fällen wird deshalb der Steuertrieb, um Kosten zu sparen, an der Front- (BMW) oder Rückseite (Getriebeseite) des Motors (Audis V-Motoren) unter einem Deckel untergebracht. Aber auch Kettenantriebe zwischen den Zylindern, in einem speziellen Schacht, sind möglich, wie das Beispiel Honda zeigt. Die Unterbringung im Motorinneren bringt den Vorteil mit sich, dass die Steuerkette unter optimalen Schmierbedingungen läuft. So oder so hält sie meist ein ganzes Motorleben lang. Alternativ wurden in der Vergangenheit andere Nebenantriebselemente entwickelt. Spe-ziell Schubstangen, Königswellen und Zahnradkaskaden fanden im Motorenbau eine gewisse Verbreitung. Sie konnten aber die Steuerkette aufgrund noch höherer Produktionskosten nicht gefährden.

Anders der Zahnriemen, da mit ihm deutliche Kostenersparnis bei Konstruktion und Herstellung zu erreichen ist. Speziell die Schmierung und der separate Deckel können mit dem Zahnriemen entfallen. Darüber hinaus zeichnet sich der Zahnriemen durch leisen Lauf aus. Der Zahnriemen besteht meist aus einem Kunststoffverbundmaterial mit Gewebelage, ähnlich einer Reifenkarkasse. Gegenüber der Steuerkette ist er bei vergleichbaren mechanischen Eigenschaften des-halb deutlich billiger in der Herstellung. Jedoch ist seine Haltbarkeit eingeschränkt. Ein Zahnriemen kann zwischen 60.000 bis 120.000 Kilometer oder ca. sechs Jahre halten. Da das Material jedoch ermüdet und versprödet und somit die Gefahr des Reißens besteht, muss der Zahnriemen regelmäßig kontrolliert und gewechselt werden. Sein Einsparungspotenzial liegt daher vor allem beim Hersteller. Die nicht unerheblichen Kosten für die regelmäßige Zahnriemenerneuerung trägt der Kunde, denn nur die wenigsten Zahnriemen sind auf Motorlebensdauer ausgelegt. Falls doch, betrifft das meist Ottomotoren.

Verkürzung der Motorbaulänge

Im Gegensatz zu Zahnriemen sind Steuerketten thermisch beständiger und benötigen deutlich weniger Wartungsaufwand. Vor allem ihre hohe Betriebssicherheit, die weniger Gewährleistungsansprüche und höhere Kundenzufriedenheit zur Folge hat, ließ in den letzten Jahren viele Automobilhersteller zur Steuerkette zu-rückkehren. Hinzu kommt ein konstruktiver Vorteil, der für quer wie längs eingebaute Motoren gilt: Steuerkettenantriebe tragen durch ihre geringe Breite zur Verkürzung der Motorbaulänge bei.Konstruktiv bestehen Steuerketten aus beweglichen, ineinander gefügten und mit Gelenken verbundenen Metallgliedern, die formschlüssig in die Zähne des Ritzels (Antrieb) und des Kettenblatts (Abtrieb) greifen. Meist kommen Rollenketten zum Einsatz. Ihr Name leitet sich von den Gleitrollen ab, die bei jedem Kettenglied zwischen den beiden inneren Laschen auf den Bolzenbuchsen laufen. Öl zwischen Rolle und Bolzenbuchse, aber auch zwischen Buchse und Bolzen, dient vornehmlich der Verschleiß-, Geräusch- und Stoßminderung. Da sich die Rollen auf den Hülsen drehen können, erzeugen sie kaum Reibung beim Abrollen an den Zahnflanken des Kettenrads. Als Material werden heute legierte Stähle verwendet. Die Oberflächen der gleitenden Teile sind zudem glatt poliert und gehärtet.

Im Gegensatz zur Rollenkette verzichten die einfacheren Hülsenketten auf Rollen. Die Zahnflanken des Kettenrads berühren daher stets die fest stehenden Hülsen an derselben Stelle. Für ihre Betriebssicherheit benötigen sie immer eine gute Schmierung. Beide Kettentypen kommen auch als so genannte Duplex- und in selteneren Fällen als Triplex-Kette zum Einsatz. Diese Ketten haben eine doppelte bzw. dreifache Rollenreihe, die durch Laschen getrennt sind. Während in Europa hauptsächlich Hülsen- und Rollenketten als Steuerketten Verwendung finden, werden geräuschärmere Zahnketten vor allem von amerikanischen und asiatischen Herstellern verbaut. Als so genannter formschlüssiger Umschlingungstrieb können sie gänzlich auf Rollen und Buchsen verzichten, da speziell geformte Zahnlaschen in die Verzahnung der Kettenräder eingreifen und die Zugkraft übernehmen. Der Vorteil von Zahnketten ist ihr nochmals schmalerer Aufbau. Je nach Lastanforderung können sie aus mehreren nebeneinander liegenden Zahnlaschen bestehen. Die Zahnkette wird auch als Silent Chain oder Inverted Tooth Chain bezeichnet. Unabhängig davon, welcher Steuerkettentyp im Fahrzeug verbaut ist, unterliegt auch der Kettentrieb einem gewissen Verschleiß. Die Kette kann sich weiten und der Kettenspanner kann einlaufen. Mögliche Folge ist ein Überspringen der Kette. Ein Verschleiß der Kettenräder hingegen kommt in der Regel nicht vor. Sie bestehen aus extrem hoch vergütetem Stahl und halten ein Motorleben lang.

Verschleiß der Steuerkette prüfen

Der Grundsatz, der teilweise für Primär-, vor allem aber für Sekundärketten gilt, die Kettenräder und -blätter sowie das Ritzel mit zu tauschen, gilt bei Steuerketten daher nicht. Wann ein Wechsel der Steuerkette nötig wird, hängt stark von ihrer Qualität, Ausführung und vom Typ des Fahrzeugs ab. Pauschale Fahrleistungen können daher nicht genannt werden. Ein untrüglicher Hinweis auf eine verschlissene Steuerkette sind intensivere Geräusche (Schlagen und Rasseln) während des Betriebs. Ein leises Geräusch ist normal, sollte aber bei betriebswarmem Motor kaum hörbar sein. "Um den Verschleiß der Steuerkette zu prüfen, muss im eingebauten Zustand der Durchhang der Kette im Bereich des Kettenspanners gemessen werden", erklärt Ursula Grünenwald, technische Beraterin der Firma Ketten-Wild in München (www.kettenwild.de). "Ist der Kettenspanner federunterstützt (manuell einstellbar oder automatisch), ist die Stellung anhand der Angaben aus dem Werkstatthandbuch oder an den Verschleißmarkierungen zu prüfen. Bei Öldruckspannern muss der Durchhang der Kette manuell durch vertikalen Druck auf die Glieder kontrolliert werden. Der Durchhang ist immer an mehreren Stellen zu prüfen, da Steuerketten an verschiedenen Punkten unterschiedlich verschleißen können. Bei ausgebauter Steuerkette lässt sich der Verschleiß mit dem so genannten Verschleißlineal nachmessen. Beträgt die Längung der Kette, gemessen über zehn Glieder, mehr als drei Prozent gegenüber dem Neuzustand, ist die Steuerkette zu erneuern. Auch hier muss an verschiedenen Stellen der Kette gemessen werden. Diese Prüfung sollte alle 200.000 Kilometer durchgeführt werden." Bei modernen Motoren werden meist so genannte Endlosketten verbaut. Um sie zu wechseln, sind die Kettenräder zu demontieren. Vom Öffnen und Schließen der Ketten mit Spezialwerkzeug (Laschendrücker und Nieter) raten Profis dringend ab. "Die Gefahr, dass beim Vernieten der Ketten am Verschlussglied nicht fachgerecht vorgegangen wird und dieses sich im Betrieb öffnet, ist groß", warnt Ursula Grünenwald. "Wir liefern daher auf Bestellung die passende Kette als Endloskette montagefertig aus. Die Kette ist von uns vorgereckt, um eine Dehnung im Betrieb möglichst zu verhindern. Beim Kauf sollte man immer auf Qualitätsware achten, denn viele Billighersteller sparen sich gern das Recken oder verwenden qualitativ schlechtere Stähle." Auch der Kettenspanner ist störanfällig. Besonders bei langen Kettenumläufen muss er auf den freien Lauflängen (auch Leertrum genannt – der Trum, der die Kräfte überträgt, wird Lasttrum genannt) das Schwingen der Kette in Biegerichtung (Peitschen) verhindern.

Defekte Spanner stets ersetzen

Die gebogenen Flachstahlfedern und die kettenseitige Kunststoffauflage dürfen keinen Verschleiß zeigen. Auch ist die Federspannung zu prüfen. Bei hydraulischen Kettenspannern mit Kolbenbetätigung muss sich der Kolben leichtgängig in seiner Führung bewegen lassen. Defekte Spanner sind durch neue zu ersetzen, da sonst auch eine neue Steuerkette von einem Kettenrad abspringen kann. Sowohl federunterstützte als auch hydraulische Kettenspanner sind Verschleißteile, die nach ca. 150.000 bis 300.000 Kilometer erneuert werden müssen. Speziell bei Motoren mit hoher Fahrleistung sollte die Prüfung der Steuerkette und ihrer Bauteile zum Kundendienst gehören. Wird sie rechtzeitig erneuert, sind Fahrleistungen von 300.000 Kilometer und mehr kein Zufall. Marcel Schoch

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