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Sand im Getriebe?

24.02.2012 12:02 Uhr
Sand im Getriebe?

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Reizthema Getriebeölwechsel

Automobil-, Getriebe- und Schmierstoffhersteller sind sich einig: Getriebe und somit auch Getriebeöle sind immer höheren Beanspruchungen ausgesetzt. Erscheinen Lebensdauer-Getriebeölfüllungen noch zeitgemäß?

Ende letzten Jahres veröffentlichte der Hamburger Schmierstoffanbieter Castrol eine Meinung zur Lebensdauer-Ölfüllung von Getrieben, die man, zumindest von offizieller Seite, so noch nirgendwo las oder hörte. Auszüge:

„Gestiegene Wärmeabfuhr, erhöhte Dämpfungseigenschaften aufgrund geringerer Getriebemasse, Durchölung eng tolerierter Bauteile, dauerhafte Gewährleistung der Reibwertkonstanz, Sicherstellung eines tragenden Schmier-films bei höheren Kräften und Mo- menten machen in Summe eine deutlich gestiegene Scherbeanspruchung aus. Die Konsequenz daraus: Der Schmierstoff kann schneller altern und gefährdet damit die angestrebte Dauerhaltbarkeit des Getriebes.“

„Schon nach 80.000 bis 100.000 Kilometern oder fünf Jahren ist ein Schmierstoff, der vom Automobilhersteller als Lebensdauerfüllung deklariert wird, oft am Ende.“

Korrekte Situationsbeschreibungen oder Marketing-Sprüche? Wir haben nachgefragt bei Unternehmen, die es wissen müssen: die Hersteller Daimler und Volkswagen, der Importeur Toyota, die Getriebehersteller Aisin, Getrag und ZF sowie Motul als zweiten Schmierstoffhersteller. Während es Aisin und ZF vorzogen, zu schweigen, fielen die Antworten der anderen Befragten recht unterschiedlich aus: in gewohnter Weise im Spektrum von kon-kret bis ausweichend. Der Reihe nach.

Zunächst war es wichtig, abzufragen, was die einzelnen Marktteilnehmer denn unter Lebensdauer-Ölfüllung verstehen. Die nicht gleichlautenden Ergebnisse sind in der Tabelle auf Seite 12 zusammengefasst.

Castrol behauptet: „Die Definition der ‚Lebensdauer‘ ist keineswegs einheitlich und wird in der Regel nicht veröffentlicht.“ Was Wettbewerber Motul bestätigt: „Es gibt keine eindeutige Definition für den Begriff Lebensdauerfüllung oder Life Time Filling.“ Wird auch die erhöhte Scher-beanspruchung/beschleunigte Ölalterung bestätigt? „Moderne Antriebskonzepte besitzen eine deutlich höhere spezifische Literleistung und es sind deutlich höhere Drehmomente zu übertragen, bei gleichzeitig geringerer Füllmenge und Abmessungen. Damit erhöht sich zwangsläufig die mechanische und thermische Beanspruchung des Schmierstoffs. Die Folge sind Viskositätsabfall durch mechanische und beschleunigte Ölalterung durch hohe thermische Belastung.“

Normale Betriebsbedingungen?

Auch die zweite anfangs genannte Be- hauptung von Castrol wird durch Motul bekräftigt: „Durchschnittsgebrauch oder ‚normale Betriebsbedingungen‘, wie die Fahrzeughersteller es definieren, sind eher die Ausnahme. Im Alltagsgebrauch bewegt fast jeder Verkehrsteilnehmer sein Fahrzeug unter erschwerten Betriebsbedingungen. Dazu zählen zum Beispiel häufige Kurzstrecken, Baustellenverkehr, Fahrten mit Anhänger, Fahrten mit hohem Vollgasanteil, abrupte Beschleunigungsphasen, im Schubbetrieb unter hoher Last. Diese Belastungsarten führen beispielsweise bei modernen Automatikgetrieben (auch DSG mit Nasskupplung) zu erhöhtem Abrieb an den Lamellen oder hoher Beanspruchung der Wandlerüberbrückungskupplung. Die Folge ist ein erhöhter Eintrag an Abrieb sowie die Bildung von Kondensat. Der Endverbraucher ist sich in den meisten Fällen nicht darüber im Klaren.“

Die Meinung von Getrag hierzu lautet: „Unbestritten sind die Anforderungen an die Getriebeöle in den letzten Jahren stark gestiegen. Das betrifft einerseits höhere Leistungsdichten der Zahnradkomponenten und verringerte Schleppverluste zur Reduzierung der CO2-Emissionen, aber auch die zusätzlichen Funktionen, die abzudecken sind. Hier ist der Übergang auf schlupfgeregelte Wandler-Überbrückungskupplungen in Standard-Planetenautomaten zu nennen, die hohen Beanspruchungen in stufenlosen Getrieben und die Anforderungen von Doppelkupplungsgetrieben mit nass laufenden Lamellenkupplungen. Dabei muss das Schmieröl über geeignete Friction-Modifier-Additivpakete im Zusammenwirken mit den hochentwickelten Doppelkupplungs-Be-lägen dauerhaft die komfortable Ansteuerbarkeit sicherstellen, auch wenn zum Beispiel bei Rennstarts kurzzeitig sehr hohe Reibleistungen in den Systemen umgesetzt werden. Lediglich bei Getrieben mit trockenlaufender Doppelkupplung, die bis ca. 320 Nm Motormoment angeboten werden, entfällt diese Zusatzfunktion des Öls, hier ist die Beanspruchung dann ähnlich wie bei Hand- und automatisierten Schaltgetrieben.“

Bei Daimler formuliert man es so: „Die Anforderungen an Getriebeöle sind mit den Jahren tatsächlich gestiegen. Dem entsprechend werden bei der Ölentwicklung zusammen mit den Ölfirmen die passenden Grundöle ausgesucht und mit einer entsprechenden Additivierung versehen. So lassen sich Getriebeöle darstellen, die sich für eine lange Lebensdauer bis hin zur Lebensdauerfüllung für mechanische Getriebe eignen.“

13 Jahre ohne Schadenzunahme

Während Toyota den Getriebeölwechsel generell ablehnt („wir sind seit nunmehr 13 Jahren ohne Ölwechsel unterwegs, in dieser Zeit ist es zu keiner Zunahme von Getriebeschäden gekommen“), räumt VW ihn indirekt und zum Teil ein („in dem Fall, dass für ein Getriebe ein Ölwechsel festgelegt ist, ist das Wechselintervall im Serviceplan angezeigt“), allerdings ohne konkret zu werden. Bei Daimler sieht man die Angelegenheit deutlich pragmatischer und nennt Ross und Reiter, nachzulesen im Infokasten auf Seite 12. „Aus unserer Sicht muss man das Thema aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen an die Schmierstoffe bei Schalt- und Automatikgetrieben wirklich gezielt betrachten“, weiß Daimler-Pressesprecher Gerd Esser.

Theoretische Balance

Wer hat nun recht? Vermutlich beide Seiten, was die Situation für Werkstätten und Autohäuser nicht einfacher gestaltet. Automobil-, Getriebe- und Schmierstoffhersteller definieren bei Neuentwicklungen eine theoretische Balance, die in der Praxis häufig nicht eintritt. Nämlich immer dann, wenn ein Käufer sein Auto nicht „durchschnittlich“ nutzt. Und das kann auch ein Rentner-Ehepaar sein, das seinen Opel Astra nur im Kurzstreckenverkehr einsetzt. Das Fazit für Werkstattprofis lautet somit:

die Vorgaben der Hersteller/Importeu-re einhalten (Gewährleistung)

künftig verstärkt auf Fahrzeuge achten, die besonderen, nicht durchschnittli-chen Betriebsbedingungen unterliegen

deren Besitzern einen vorzeitigen oder außerplanmäßigen Ölwechsel anbieten

bei Beanstandungen wie verminderter Schaltkomfort einen Schmierstoffhersteller konsultieren (oft existieren für spezielle Beanstandungen auch spezielle Problemlöser-Getriebeöle)

Bei allen Argumenten für und wider Getriebeölwechsel darf man einen Punkt nicht vergessen: Es geht auch um Lobbyismus. Hersteller und Importeure wollen die Unterhaltskosten ihrer Produkte kleinrechnen und Schmierstoffhersteller ihren Absatz erhöhen. Peter Diehl

▶ asp hat nachgefragt: Daimler, Volkswagen, Toyota, Aisin, Getrag, ZF und Motul

Werkstattausrüstung

Ölwechselgeräte

Wer das Öl von Automatikgetrieben wechseln will, braucht dazu ein spezielles Gerät, um auch an so genannten geschlossenen Systemen (ohne Ablasseinrichtung) arbeiten zu können und eine möglichst hohe Wechselquote zu erreichen. Derartige Ölwechsel- und Spülgeräte tauchten vor Jahren im Markt auf, wurden zuerst belächelt – und besitzen heute sogar Freigaben namhafter Automobilhersteller (vgl. Infokasten „Mercedes-Benz: Ölwechsel bei AT und DKG“).

Kontakte:

BG Products / H. Heinzer GmbH

www.hheinzer.de

Roten Trading AG, www.flodynamics.eu

Lebensdauerölfüllung: Aussagen von Marktbeteiligten

Unternehmen

Was ist bei Getrieben unter „Lebensdauerölfüllung“ zu verstehen?

Wo sind diese Angaben veröffentlicht oder am Auto vermerkt?

Getrag International GmbH

Die Erprobungen decken allgemein ca. 240.000 km normalen Kundenbetrieb ab. Wenn danach sowohl das Getriebe als auch der Schmierstoff bei der Befundung und bei der Bewertung des Betriebsverhaltens die Eignung für weitere Laufleistung erkennen lässt, ist das Hauptkriterium für die Bezeichnung Lebensdauerfüllung gegeben. Mit entsprechenden Rafftests wird darüber hinaus auch die Langzeiteignung über ca. 15 Jahre störungsfreien Betrieb untersucht und bewertet.

Aufgrund der Testergebnisse werden die erforderlichen Serviceintervalle unter Einbeziehung der Öl- und Additivlieferanten in Absprache zwischen Getriebe- und Fahrzeughersteller festgelegt. Die Dokumentation erfolgt seitens des Fahrzeugherstellers im Serviceheft bzw. in ergänzenden Serviceunterlagen für Händler.

Daimler AG(für Mercedes-Benz und Smart)

Mechanische Getriebe der Mercedes-Benz Pkw und automatisierte Schaltgetriebe der smart-Modelle sind mit einem Getriebeöl befüllt, dessen Haltbarkeit auf die Gesamtlebensdauer des Fahrzeugs ausgelegt ist. Deshalb gibt es im Rahmen der Serviceumfänge, die bis zu einer Laufleistung von 250.000 Kilometer definiert sind, keine Anweisungen für einen Getriebeölwechsel bei mechanischen Getrieben.

Aufgrund der höheren Anforderungen im Automatikgetriebesegment sind bei Mercedes-Benz je nach Getriebe Ölwechselintervalle zwischen 50.000 und 125.000 km vorgegeben. In umfangreichen Dauerläufen wurden diese Laufleistungvorgaben abgesichert.

im Serviceheft zum Fahrzeug

Volkswagen AG

Bei Getrieben mit Lebensdauerfüllung bedeutet dieser Begriff, dass das Getriebeöl über die gesamte Lebensdauer des Fahrzeuges nicht gewechselt wird.

In dem Fall, dass für ein Getriebe ein Ölwechsel festgelegt ist, ist das Wechselintervall im Serviceplan angezeigt.

Toyota Deutschland GmbH

Getriebeöl wird während des Autolebens, Toyota spricht hier von 15 Jahren, in Schalt/-Automatikgetrieben nicht mehr gewechselt.

Eine konkrete Angabe, was ein Autoleben bedeutet, steht nicht in den Unterlagen. Im Wartungheft werden die nötigen Arbeiten beschrieben. Dort steht bei den entsprechenden Ölen jeweils ein „I“ für Inspektion. Ein „R“ würde bedeuten „replace“ (Tausch).

Mercedes-Benz

Ölwechsel bei AT und DKG

Mercedes-Benz schreibt Ölwechsel für folgende Getriebe vor:

5-Gang-Automatik: einmalig bei 60.000 km

7-Gang-Automatik 7G-TRONIC: einmalig bei 50.000 km oder nach 3 Jahren

7-Gang-Automatik 7G-TRONIC PLUS: alle 125.000 km oder nach 5 Jahren

7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe 7G-DCT: alle 100.000 km oder nach 5 Jahren

Diese beiden Geräte sind von Mercedes-Benz für Ölwechsel bei Automatik-

getrieben als Werkstattausrüstung freigegeben:

ÖWS/ATM-M von BG Products

TSD 650 M von Flo-Dynamics

Quelle: Daimler AG

▶ Getrag: „Unbestritten sind die An- forderungen an die Getriebeöle in den letzten Jahren stark gestiegen.“

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