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Rotationsprinzip

23.06.2008 12:02 Uhr
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Radlager – Aufbau, Funktion, Diagnose, Ersatz

Rotationsprinzip

Unterschiedliche Radlager-Bauarten mit mehr oder weniger umfangreicher Integration peripherer Bauteile erfordern erhöhte Aufmerksamkeit im Service. Ein Über- und Ausblick mit Diagnose- und Instandsetzungstipps.

Der erste Einsatz geschlossener, vor-geschmierter und voreingestellter Radlager soll bereits gut 50 Jahre zurückliegen? Schwer zu glauben, aber wahr. Trotzdem sind noch eine Vielzahl von Fahrzeugen mit einzustellenden Rad-lagern unterwegs, zum Beispiel die VW-Golf-Baureihen I bis III. Auf der anderen Seite schreitet die Ent-wicklung voran, allerdings nicht immer im Sinn von Autofahrern und Werkstätten. So haben die Entwickler mancher Pkw aus französischer Produktion Radlager und Bremsscheiben oder -trommeln in einem nicht trennbaren Modul vereint. Sind die Bremsscheiben bzw. -trommeln verschlissen, müssen zwangsläufig auch die Rad-lager erneuert werden und umgekehrt. Ein solches Modul ist natürlich alles andere als billig. Später einmal zeitwertgerechte Reparatur anbieten? Fehlanzeige. Wirklicher Fortschritt sieht anders aus.

Auch an den Aftermarket denken

Grundsätzlich spricht nichts dagegen, einzelne Teile zu Modulen zusammen-zufassen. Immerhin lassen sich auf diese Weise Montageaufwand, Bauraum, Fahrzeuggewicht und, stellt man es geschickt an, auch die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls reduzieren. Wenn man jedoch bei den Automobilherstellern einseitig an Fertigungsvorteile und Verkaufsargumente denkt, läuft man Gefahr, über das Ziel hinauszuschießen und dem Aftersales-Bereich – auch dem der eigenen Marke – einen Bärendienst zu erweisen. Dabei existieren genügend Beispiele dafür, wie sich einzelne Teile auch zum Nutzen von Autofahrern und Werkstätten zu Modulen kombinieren lassen. Um bei Radlagern zu bleiben: Lagermodule mit unterschiedlich ausgeprägtem, jedoch mit in jedem Fall auch im Aftermarket nachvollziehbarem Integrationsgrad. Hub Units 1 bis 3, wie sie vom Schweinfurter Systemlieferanten SKF genannt werden. Doch zunächst zum ursprünglichen Radlager, dem einzustellenden Kegelrollenlager.

Die in jedem Fall paarweise, meist an nicht angetriebenen Vorder- und/oder Hinterrädern eingesetzten Kegelrollenlager müssen bei offener Ausführung in der Werkstatt vor dem Einbau mit hochwertigem Schmiermittel gefüllt werden. SKF empfiehlt hierzu das Schmierfett VKG1. Das Lagerspiel ist nach den Vorgaben des jeweiligen Automobilherstellers oder -importeurs einzustellen.

Hub Unit 1 mit Impulsrad

Im Gegensatz zum Kegelrollenlager be-steht ein bei SKF als Hub Unit 1 bezeichnetes Radlagermodul aus zwei Innenringen, kombiniert mit einem Außenring, beide mit exakt definiertem Abstand zum Kugelsatz. Hinter den Abdichtungen ro-tieren zwei Kugelreihen, ein Käfig aus glasfaserverstärktem Polyamid und eine Lebensdauerschmierung. Hub Units vom Typ 1 findet man vorzugsweise an angetriebenen Rädern, bei Kleinwagen auch an nicht angetriebenen Rädern, Letzteres als Radlager-Bremstrommel-Modul. Ist der Bauraum beschränkt, können Kegelrollen statt Kugeln Verwendung finden.

Meist sind solche Hub Units mit Im-pulsrädern für ABS- oder ESP-Systeme ausgestattet. Dann sitzt das Impulsrad, das aus einer Elastomerschicht mit eingebettetem Magnetpulver besteht, in einer der beiden Dichtungen. Vor dem Einbau des symmetrischen Lagermoduls muss be-kannt sein, welche der optisch nicht un-terscheidbaren Dichtungen das Impulsrad enthält, denn die Montage darf nur mit dem Impulsrad nach außen, zum Sensor hin, erfolgen. Wurde die Hub Unit falsch montiert und muss ausgepresst werden, ist sie beschädigt und somit eine nochmalige Verwendung ausgeschlossen. Der sicheren Identifizierung der Dichtung mit Impulsrad dient eine so genannte Magnetfeldkarte, die SKF über den Ersatzteilgroßhandel ver-treibt. Das Bild auf der linken Seite zeigt ein Lagermodul, dessen Impulsrad nach vorn weist, erkennbar an den Magnetlinien auf der Karte. Beim Umgang mit dem Lagermodul ist generell große Vorsicht geboten. Um die Funktion sicherzustellen, sind Stöße und Magnetfelder zu vermeiden. Hier noch einige Tipps, gesammelt von den SKF-Spezialisten:

Beim Ein- und Auspressen des neuen Lagers das Presswerkzeug korrekt (in der Regel am Innenring) ansetzen.

Montagepaste hilft, Oberflächenkorrosion zu vermeiden.

Lagerverpackungen erst unmittelbar vor dem Einbau des Lagers öffnen, um den Eintrag von Schmutz und somit vorzeitigen Ausfall zu verhindern.

Unter Hub Unit 2 versteht man bei SKF die Weiterentwicklung der Hub Unit 1, und zwar in Form der Kombination mit einem Außenflansch als Ersatz der Rad-nabe. Genau genommen handelt es sich bei Flansch und Lageraußenring um ein und dasselbe Bauteil, das induktionsgehärtete Laufbahnen besitzt. Neben den üblichen Bohrungen, Bolzen und Zentrierungszapfen kann der Flansch auch ein ABS-/ESP-Impulsrad enthalten, das in diesem Fall die Optik eines gerade ver-zahnten Zahnrads aufweist. Verwendet werden Hub Units vom Typ 2 vorwiegend für nicht angetriebene Räder an Vorder- oder Hinterachsen.

Hub Unit 3 mit zwei Flanschen

Für angetriebene wie nicht angetriebene Räder verwendet wird die Hub Unit 3, die dritte Generation der Radlagermodule von SKF. Ihre Besonderheit sind die beiden Flansche: ein Außenflansch zur Montage der Einheit an der Aufhängung und ein Innenflansch zur Aufnahme von Bremse und Rad. Für Hub Units 2 und 3 gelten diese Montagehinweise von SKF: Den neuen Lagereinheiten beiliegendes Zubehör, zum Beispiel Schrauben, sollte tatsächlich eingebaut werden. Beim Befestigen der Hub Units sind die Drehmomentangaben unbedingt zu beachten; sie können bei einigen Ausführungen bis zu 300 Newtonmeter betragen. Eine der jüngsten Entwicklungen von SKF sind die so genannten X-Tracker-Module für den Einsatz an SUV und Nutzfahrzeugen. Bei SKF spricht man von der Kombination der Leistungen von SUV- und Nfz-Anwendungen mit der Handhabung und dem Komfort von Pkw-Anwendungen. Möglich wird das durch ein zweireihiges Schrägkugellager, bei dem die äußere Kugelreihe einen größeren Teilkreis beschreibt und mehr Kugeln enthält als die innere Kugelreihe.

Robuste Lösung: X-Tracker

Das hat zur Folge, dass das Lager laut Hersteller 50 Prozent steifer ausfällt als vergleichbare Kegelrollenlager. Konkret geht es u. a. um diese Vorteile:

besserer Rundlauf beim Abbiegen und Beschleunigen

reduzierte Durchbiegung von Na-benfläche und Rad

verbesserte NVH-Eigenschaften (NVH = Noise, Vibration, Harshness)

Die anfangs erwähnte Kombination von Radlager und Bremsscheibe oder Trommel trägt bei SKF das Kürzel VKBD und wird u. a. bei Renault Scenic II und Vel Satis eingesetzt.

Künftige Entwicklungen sind vor dem Hintergrund der Gewichts- und Schnittstellenreduzierung zu betrachten. SKF-Marketing-Mann Christian Bauer: "Mo-dule aus Radlager und Umgebungsteilen tragen bei SKF künftig die Bezeichnung HXM, wobei das mittlere X als Platzhalter für verschiedene Buchstaben dient. Als HCM werden Module bezeichnet, bei denen am Radlager-Außenring die Aufnahme des Bremssattels intergriert ist. Wir versprechen uns davon deutliche Verbesserungen in der Anwendung. HHM ist die Bezeichnung für künftige Module aus Radlager und Gleichlaufgelenk. Hier stehen ebenfalls Gewichts- und Schnittstellenreduzierung im Vordergrund. Auch Schwenklager, und zwar in gewichtsreduzierter Ausführung, wollen wir in Zukunft mit Radlagern kombinieren. Das Kürzel hierfür lautet HKM."

Diagnose? Konventionell

Bei allen Weiterentwicklungen der Rad-lager, Aufbau und Funktion betreffend, blieb, so scheint es, ein für Werkstätten und Autohäuser nicht unwichtiger Punkt auf der Strecke: die Diagnose. Sie erfolgt noch immer rein subjektiv.

Als Basis dient eine längere Probefahrt mit ausgiebigem Kurvenfahren in bei-den Fahrtrichtungen. Sind Lagerlaufbahnen geschädigt, ist das in den meisten Fällen deutlich hörbar.

Fahrzeug auf eine Hebebühne stellen. An jedem Rad drehen und auf Kratzgeräusche der Lager achten. Das kann ohne Hilfsmittel oder besser mit einem Stetoskop erfolgen. Bordsteinkontakte hinterlassen nicht selten einen kleinen, anfänglich kaum spürbaren Lagerschaden, der sich jedoch entwickelt.

Fahrzeug steht noch auf der Hebebühne. Handbremse lösen und das Radlagerspiel durch den Versuch, jedes Rad vertikal und horizontal zu kippen, prüfen. Ein objektiver Schwellwert ist nicht definiert. Das Gefühl für zu viel Radlagerspiel wird von Meistern oder Gesellen an Lehrlinge weitergegeben.

Bei Kegelrollenlagern kann das Einstellen des Radlagerspiels bereits helfen.

Abschließend ein Abstecher in die Peripherie der Radlager, zu den Raddrehzahlsensoren. Das im Zusammenhang mit der Hub Unit 1 genannte Impulsrad ist Teil einer aktiven ABS-/ESP-Sensorik, bei der die Sensoren in der Mehrzahl der Fälle nach dem Hall-Effekt-Konzept arbeiten. Beim Rä-derdrehen wird durch die sich im Impulsrad abwechselnden magnetischen Nord- und Südpole ein Rechtecksignal mit konstanter Amplitude erzeugt. Die Drehzahl des jeweiligen Rads bestimmt die Frequenz des Rechtecksignals, wodurch bis zum Stillstand der Räder ein Signal erzeugt und zum Beispiel für ASR genutzt wird. Genau das ist der Unterschied zu passiven Sensoriken, die das Prinzip des magnetischen Widerstands nutzen und deshalb sinusförmige Signale hervorbringen. Das Im-pulsrad wird hier auch Encoder oder Zahnrad genannt und kann diese Bau-formen aufweisen: einzelnes Impulsrad, auf den Außenring des Lagermoduls gepresstes Impulsrad (beide mit rechteckigen Zähnen und ebensolchen Öff-nungen, die parallel zur Achse verlaufen) sowie ein Impulsrad, das wie Letzteres auf den Außenring des Lagermoduls gespannt ist, jedoch eine im Winkel von 45 Grad zur Achse verlaufende Verzahnung besitzt. Signalerzeugung bis zum Stillstand ist mit passiven Sensoriken nicht möglich. Beim Wechsel der Radlagermodule ist im Zu-sammenhang mit passiven ABS-/ESP-Sensoriken zu beachten, dass zwischen Sensor und Impulsrad ein Luftspalt exis-tiert, der exakt definiert ist und nach der Erneuerung des Radlagers oder-moduls wieder hergestellt werden muss. P. Diehl

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