Kältemittel R-1234yf
Die EU-Kommission hat den Automobilherstellern bezüglich des kaum lieferbaren neuen Kältemittels R-1234yfeine Schonfrist eingeräumt, die an Silvester 2012 endet. Wir fragten bei den Herstellern und Importeuren nach, welche Baureihen künftig mit R-1234yf befüllt werden und ob sie die Quasi-Ausnahmegenehmigung in Anspruch nehmen. Interessante Erkenntnis: Nicht jeder Befragte ist der Meinung, die Schonfrist sei ausreichend lang.
Ursprünglich wollten wir mit einer Befragung der Automobilhersteller und -importeure nur herausfinden, welche Baureihen demnächst mit dem neuen Klimaanlagen-Kältemittel R- 1234yf auf den Markt kommen, wann das geschehen soll und ob man die Quasi-Ausnahmegenehmigung der EU in An- spruch nehmen wird. Richtig gute Pressestellen ließen von ihren Fachabteilungen auch die Zusatzfrage nach der Art des Kompressoröls beantworten. Sämtliche Angaben enthält die Tabelle auf Seite 12.
Was wir ungeplant und indirekt herausfanden: Nach den Kampagnen einer selbst ernannten, national agierenden Umweltschutzorganisation und eines auflagenstarken Automagazins für Endverbraucher ist man bei vielen Herstellern und Importeuren so massiv verunsichert, dass diese harmlosen Fragen offenbar zu panikähnlichen Zuständen führten. Sonst überaus selbstbewusst auftretende Hersteller ver-wiesen kleinlaut auf den VDA. Als das Thema längst im Rollen war, übernahm dessen Pressestelle hierzu die alleinige Kommunikation. Ironie der Geschichte: VDA-Präsident Matthias Wissmann hat das Thema verbockt, indem er auch dann noch von Kohlendioxid (CO2) als neuem Kältemittel für Pkw-Klimaanlagen sprach, als die internationalen Weichen längst in Richtung R-1234yf gestellt waren.
Das Spektrum der Antworten ist breit; in der Fiat-Presseabteilung beantwortete man sogar Fragen, die gar nicht gestellt waren. Drei weitere Antwortbeispiele von ausweichend über hilflos bis weltfremd:
„Aus Wettbewerbsgründen können wir leider keine Auskunft geben, wann zukünftig Fahrzeuge mit dem neuen Kältemittel R-1234yf ausgestattet wer-den.“ (BMW)
„Ob und in wieweit der Hersteller die von der EU gewährte Ausnahmeregelung ansprechen wird, entzieht sich zur Zeit unserer Kenntnis.“ (Lada)
„Das neue Kältemittel ist gesetzlich für alle neuen Baureihen vorgesehen.“ (Seat)
Der Hintergrund der kürzlich durch die EU-Kommission ausgesprochenen Quasi-Ausnahmegenehmigung zur Verwendung des bisherigen Klimaanlagen-Kältemittels R-134a ist folgender: Klimaanlagen von Pkw, deren EU-Typgenehmigungen ab dem 1. Januar 2011 erfolgten, müssen mit einem Kältemittel befüllt werden, dessen Global Warming Potenzial (GWP) unter 150 liegt. Die Automobilindustrie hat sich hierzu auf das neue Kältemittel R-1234yf geeinigt, jedoch ist dieses Kältemittel derzeit kaum lieferbar. Deshalb füllt beispielsweise Daimler in die neue Mer-cedes-Benz B-Klasse noch das bisherige Kältemittel R-134a ein. Ende April hat die EU-Kommission diese Vorgehensweise quasi legalisiert, indem sie erklärte, diesbezüglichen Beschwerden bis zum Jahresende nicht nachgehen zu wollen. Das be- sagt ein Schreiben des Generaldirektorats Unternehmen und Industrie, unterzeichnet von Philippe Jean, Vorsitzender des Fachausschusses „Technical Committee on Motor Vehicles“ (TCMV). Gleichzeitig wird betont, dass diese Ausnahmegenehmigung nur bis zum Ende dieser Lieferschwierigkeiten gilt, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2012. Begründet wird diese Maßnahme mit den komplizierten Genehmigungsprozessen der von den Unternehmen Honeywell und Dupont in Kooperation neu errichteten R-1234yf-Produktionsstätte in China (vgl. asp 3/ 2012, Seiten 40 und 41). Mangels Kapazität eines zweiten Produktionsstandorts in Japan könne die weltweite Nachfrage nicht bedient werden. Zu den kritisierten Eigenschaften und womöglich resultierenden Gefahren des neuen Kältemittels enthält das Schreiben des Generaldirektorats der EU-Kommission keinerlei Hinweise.
Wichtig: Kältemittelanalyse
Seitdem bekannt wurde, dass sich die Automobilindustrie auf R-1234yf geeinigt hat und dieses Kältemittel dem bisherigen R-134a relativ ähnlich ist, schreibt asp von der Notwendigkeit der Kältemittelanalyse. Wird durch ein Fahrzeug mit ungeprüftem Inhalt des Kältemittelkreislaufs das Kli-maanlagen-Servicegerät kontaminiert, ist Abhilfe, sprich: Entfernung und Entsorgung, teuer. Doch der GAU ist vermeidbar. Wie wichtig Aufmerksamkeit und ggf. Kältemittelanalyse sind, zeigen die Ant-worten von Daimler, Kia und Mazda.
„Die neue B-Klasse ist das erste Fahrzeug von Mercedes-Benz, das eine Typ-zulassung mit R-1234yf erhalten hat. Alle neuen Fahrzeugmodelle, die nach der Mercedes-Benz B-Klasse in den Markt eingeführt werden, sind bzw. werden ebenfalls entsprechend zertifiziert. Alle diese Modelle werden allerdings zunächst mit dem bisherigen Kältemittel befüllt, bis das neue Kältemittel in ausreichender Menge bei den Lieferanten verfügbar ist und eine durchgängige Befüllung sichergestellt werden kann“, lautet die Antwort von Daimler. Branchengerüchte besagen, der neue SL sei zunächst mit R-1234yf befüllt und später – vor Auslieferung an Kunden – auf R-134a umgerüstet worden, was das Foto eines SL 63 AMG, aufgenommen während der Leipziger Messe AMI 2012, belegt, denn der Aufkleber trägt das Kürzel R-1234yf (vgl. Bild auf Seite 11 unten).
Auch japanische Marken betroffen
Kia teilt zur neuen Baureihe Cee’d Folgen-des mit: „Die Erstproduktion bis ca. Mai wurde mit dem neuen Kältemittel ausgeliefert. Aufgrund der Nichtverfügbarkeit wird zur Zeit der Cee’d mit dem alten Kältemittel gefertigt. Welches Kältemittel verwendet wurde, ist an der Markierung beim Einfüllstutzen zu erkennen.“
Die Aussage von Mazda zum CX-5 lautet ganz ähnlich: „Mazda ist wie andere Hersteller auch von den Lieferengpässen bei R-1234yf betroffen. Daher wird ab Juni-Produktion der Mazda CX-5 zunächst wieder (im Rahmen einer erteilten Aus-nahmegenehmigung) mit R-134a befüllt.“
Zunächst schienen, wohl wegen der dortigen R-1234yf-Produktionsstätte und den bereits mit diesem Kältemittel befüll-ten Fahrzeugen von Subaru und Toyota, die japanischen Hersteller nicht betroffen. Die Antwort von Mazda belegt nun das Gegenteil, und Honda liefert hierzu noch die Steigerungsform: „Auch wenn wir bei den Fragen 1 und 2 (nach neuen Baureihen mit R-1234yf und der Inanspruchnahme der Quasi-Ausnahmegenehmigung; Anm. d. Red.) bereits negative Antworten gegeben haben, plädieren wir für eine Verlängerung (der Quasi-Ausnahmegenehmigung; Anm. d. Red.). Dies können auch die Kollegen (anderer Marken; Anm. d. Red.) für weitere Entwicklungsphasen nutzen, so wie wir auch.“ Man darf gespannt sein, wie sich die Situation am 1. Januar 2013 darstellen wird.
Peter Diehl
Aktuelle und künftige Fahrzeugbaureihen mit Kältemittel R-1234yf
Marken
Baureihen
Erscheinungstermine
Inanspruchnahme Quasi-Ausnahmegenehmigung
passende Kälteöle (für R-1234yf, zum Teil markenspezifische Bezeichnungen der Automobilhersteller und -importeure)
keine Angabe
nicht vor Ende 2012
nein
keine Angabe
Transit Connect
voraussichtlich Mitte 2013
-
FD46 (PAG, für Visteon-Kompressoren),
ND-12 (PAG, für Denso-Kompressoren)
Transit M1
keine Angabe
ja
Kia
Cee‘d
1. Juni 2012
ja
PAG 46, Viskosität 55 mm2/s bei 40 °C/10 mm2/s bei 100 °C
GS 250, GS 450h
16. Juni 2012
nein
Dens-Oil 11 (für Hybrid-Fahrzeuge),
Dens-Oil 12 (für konventionelle Fahrzeuge)
Mazda
CX-5
April 2012
ja
abweichende Spezifikation
6
Ende 2012
nein
Mercedes-Benz
B-Klasse
November 2011
ja
PAG, Viskosität 43 mm2/s
alle folgenden Modelle
2012
ja
„Global Small“
Dezember 2012
nein
keine Angabe
Subaru
XV
Februar 2012
nein
VC 200 XF
BRZ
Ende 2012
nein
Impreza
Frühjahr 2013
-
Forester
Frühjahr 2013
-
Toyota
Prius+
16. Juni 2012
nein
Dens-Oil 11 (für Hybrid-Fahrzeuge),
Dens-Oil 12 (für konventionelle Fahrzeuge)
GT86
15. September 2012
nein
XC90
2014
-
keine Angabe
keine Angabe
keine Angabe
keine Angabe
PAG
- Ausgabe 6/2012 Seite 10 (648.5 KB, PDF)