Leserbrief zum Thema Kurzbewertungen
Noch immer gibt teilweise mangelnde Qualität von Kurzbewertungen Anlass zu Kritik an dieser Gutachtenart. Hierzu erreichte die asp-Redaktion ein Leserbrief von Sebastian Schaeffer, Mitarbeiter des Youngtimerspezialisten Sportwagen Teiber (www.sportwagen-teiber.de) in Anzing bei München.
Das wäre mal wieder etwas für die asp Klassik gewesen: Der Eigentümer eines Porsche 911 Carrera 4, Baureihe 964, wollte sein Fahrzeug veräußern und rückte mit umfangreichem Material zur Fahrzeugbewertung bei uns an. Unter anderem mit der Kurzbewertung eines Münchener Gutachters, die die Erkenntnisse einer früheren Bewertung auflistet (ein instandgesetztes Seitenteil, diverse Nachlackierungen etc.), andere wichtige Punkte aber nicht enthält – vor allem den eindeutigen Hinweis, dass es sich um ein Unfallfahrzeug handelt. Abschließend bescheinigt die Kurzbewertung dem Porsche 964 die Zustandsnote 1- und einen Wiederbeschaffungswert von 67.000 Euro. Hier nun die realen, von uns festgestellten Eckdaten:
angenommene Fahrleistung 66.000 km (Annahme, weil Ruf-Armaturen nachgerüstet wurden und das Serviceheft weder original noch vollständig geführt ist)
Anzahl der Vorbesitzer nicht nachvollziehbar (der erste deutsche Fahrzeugbrief und der nachfolgende italienische Brief sind verschwunden, der aktuelle zweite deutsche Brief listet drei Besitzer auf)
Motorleistungssteigerung und zahl-reiche Umbauten, u. a. 19-Zoll-Räder, für deren Aufnahme die Radkästen umgearbeitet wurden
Letztlich geht es also um einen ungefähren Marktwert, der eher bei der Hälfte des in der Kurzbewertung festgestellten Wiederbeschaffungswerts liegt.
Mein Fazit: Es wird höchste Zeit, sich ernsthafte Gedanken über die Abschaffung von Kurzbewertungen zu machen und einheitliche Standards für Vollgutachten zu fixieren. Zudem sollte die Zahl derer, die Gutachten für Klassiker erstellen dürfen, zugunsten der Qualität stark reduziert werden. Sebastian Schaeffer
Kurzbewertungen
Mangelnde Qualität von „Kurzbewertungen zur Versicherungseinstufung“, so die vollständige Bezeichnung, war zu Jahresbeginn 2011 Anlass für den Bundesverband für Clubs klassischer Fahrzeuge (DEUVET, www.deuvet.de), den Arbeitskreis Oldtimer-Gutachten einzurichten. Der Arbeitskreis bestand aus Vertretern von Versicherungen, Gutachterorganisationen, Oldtimerclubs und Händlern. Während zweier Tagungen wurde deutlich, dass Kurzbewertungen „Bauchschmerzen auf allen Seiten“ der be- teiligten Kreise verursachen, wie es einer der damaligen Teilnehmer formulierte. Der Arbeitskreis erarbeitete die folgenden Empfehlungen, erstmals veröffentlicht in asp Klassik 2/2011, auf Seite 12:
die Art des Gutachtens sollte dem Fahrzeugwert angepasst sein (keine Kurzbewertung für hochpreisige Klassiker)
in einer Kurzbewertung sollte vermerkt sein, was untersucht wurde und was nicht, was den Missbrauch als Verkaufsgutachten verhindert
einer Kurzbewertung sollte zu entnehmen sein, für welche Bewertungsbestandteile der Gutachter haftend eintritt und für welche nicht (Fachbegriff: „Grad der Verbindlichkeit“)
nicht fehlen sollten die Nennung des Auftraggebers der Kurzbewertung und eine Aussage zum Zweck der Bewertungserstellung
Gutachter sollten ihre Auftraggeber auf die Risiken von Kurzbewertungen und die Möglichkeit der Aktualisierung von Vollgutachten hinweisen
Zudem wurde von einigen Teilnehmern des Arbeitskreises gefordert, die Begriffe Kurzbewertung und Kurzgutachten künftig nicht mehr zu verwenden. Eine mögliche Alternative lautet Marktwertanalyse.
pd