Bosch Diagnostics
Rainer Heinzmann hat über Jahre bei Bosch die KTS-Diagnosegeräte mitgeprägt. Kurz vor seinem Ruhestand sprach er mit asp über die Entwicklung der Diagnose und der KTS-Reihe.
Rainer Heinzmann hat bei Bosch seine Lehre als Elektromechaniker gemacht. Im Rahmen dieser umfassenden Ausbildung lernte er eine Vielzahl Bosch-Produkte kennen. Das Spektrum spannte sich vom Drehstromgenerator bis zur Bohrmaschine. Auch mit den ersten elektronischen Benzineinspritzungen vom Typ D-Jetronic, welche Ende der 60er-Jahre auf den Markt kamen, hatte er schon als Lehrling zu tun. Defekte Leiterplatten, für die es extra Prüfgeräte gab, wurden damals noch repariert. Später kam Heinzmann in die Zündungsentwicklung als dort die elektronischen Zündsystemen TSZ-I und TSZ-H entstanden.
Wie sind Sie zur Diagnose gekommen?
Mitte der siebziger Jahre habe ich die Ausbildung zum Techniker gemacht. Anschließend kam ich nach Wernau an die damalige Kundendienstschule. Dort habe ich zwei wesentliche Aufgaben wahr genommen: Einmal Schulungen und Trainings durchzuführen und die Entwicklung eines Kundendienstkonzepts für die elektronische Benzineinspritzung L-Jetronic. Der folgten die LE-Jetronic, LU, für die USA, und dann die Motronic. Ferner habe ich Entwicklungsanregungen und Abläufe geschrieben, die ich später, als ich nach Plochingen kam, bearbeiten durfte. Denn das war der Punkt, ich habe enge Verbindungen nach Plochingen gehabt, und so mitbekommen: Hoppla, hier passiert etwas ganz Neues: Steuergeräte-Diagnose. 1985 kam ich schließlich nach Plochingen mit dem Ziel die Testgeräte für die Prüfung von elektronischen Steuergeräten aus Marketingsicht mit zu entwickeln.
Wie hat die Diagnose begonnen?
Das erste Produkt war der PED 100, das stand für „Programmmodul Eigen Diagnose“. Den PED 100 haben wir in unseren Motortester gesteckt, in den MOT 500, der damals unser Flaggschiff war. Damals war ich zuständig für Hard- und Software, dazu habe die Vorgaben für Prüfprogramme geschrieben. Mein Ziel war es immer, möglichst nah an die Werkstattbedürfnisse zu kommen: Was braucht die Werkstatt, um möglichst schnell den Fehler zu finden und ihn dann auch schnell zu reparieren? Wie muss die Prüftechnik aufgebaut sein? Was muss ich anbieten an Schritten, an Messmöglichkeiten, an Prüfmöglichkeiten, um das Auto schnell wieder flott zu kriegen? Das war der Weg.
Wie hat sich die Diagnose entwickelt?
Das kann man anhand der Schwerpunkte der Fahrzeugentwicklung erklären. Die Ersten waren Gottlieb Daimler und Karl Benz, welche die Funktion entwickelt haben. Der erste Aspekt war die Funktion. Als Berta Benz durch die Gegend fuhr, war sie froh, dass sie heil angekommen ist. Im nächsten Schritt folgte die Zuverlässigkeit. Das war eine Phase, in der das Fahrzeug technisch – durch den zweiten Weltkrieg hindurch – weitgehend konstant blieb. Es gab einen konventionellen Verteiler, eine Zündspule und es gab Zündkerzen. Dazu kamen Wischermotor, Gleichstromgenerator, Anlasser und Scheinwerfer. Mehr elektrik war damals in einem Auto nicht drin. Während der Aufbauphase nach dem Krieg kam das Wirtschaftswunder und damit der nächste Schritt: Leistung wurde zum Impulsgeber für die Automobilindustrie. Da sind dann Systeme geboren wie die mechanische Benzineinspritzung. Der Mercedes-Benz Flügeltürer war und ist das Kultobjekt. Später kam es zur Entwicklung der D-Jetronic, das war Ende der 60erJahren die erste elektronische Benzineinspritzung, die auch auf Leistung ausgelegt war. Bei BMW und Daimler-Benz war die D-Jetronic drin. Auch die Franzosen (Citroën) haben D-Jetronic gefahren. D steht für druckgesteuerte Einspritzung.
Warum gab es danach so viele Systeme?
Das war ein Scheideweg. Da gab es Unternehmen, denen die Elektronik zu suspekt war. Wie Mercedes-Benz, die sind wieder auf mechanische Benzineinspritzungen zurückgegangen. Bosch hatte die K-Jetronic entwickelt. Das war so Anfang der 70er. Der Schritt, der folgte, war ganz einfach: Es kam die Energiekrise. Sinn und Streben der Entwicklung von Systemen gingen in Richtung Verbrauch. Mit K-Jetronic und L-Jetronic gab es die mechanische und die elektronische Benzineinspritzung parallel und die liefen einige Zeit. Die K-Jetronic lief sogar fast in Richtung der 90er, wenn auch mit einer elektronischen Erweiterung um ein Lambda-Steuergerät. Aber Mercedes hat sehr lange an der KE-Jetronic, festgehalten. Und schon bald folgte der nächste Schritt: Umwelt. Dieses Thema wurde sehr stark von den USA getrieben. Das war Mitte der 80er, Jahre, da kam das California Air Resources Board mit der OBD 1. Der folgte die OBD 2 und diese schwappte auch nach Europa über. Ab 2000 hatten wir sie dann hier in Europa. Der nächste Schritt war eine Mischung: Komfort/Sicherheit, wobei Sicherheit ist der größere Treiber gewesen ist. So kamen die ABS-Systeme, ESP, die ganze Vernetzung des Fahrwerks, Lenkung ins Auto. Diese Systems wurde zur Verbesserung der Sicherheit und des Komforts entwickelt. Und heute geht es aktuell wieder um die Themen Verbrauch und Emissionswerte.
Was wurde damals geprüft und womit?
Nach den D-Jetronic Prüfgeräten haben wir für die L-Jetronic einen Prüfadapter entwickelt, mit dessen Hilfe die Peripherie wie auch das Steuergerät aktiv geprüft werden konnte. Der nächste Schritt – Systemvielfalt – war der Universal Prüf-adapter. Über zwei Programmschalter konnte man mit Hilfe von Prüflisten die Systeme prüfen. Der Prüfadapter war über ein Kabel mit dem Fahrzeug verbunden. So konnte damit die Peripherie im Fahrzeug überprüft werden. Und wenn die Peripherie in Ordnung war, dann konnte es nur am Steuergerät liegen. Es gab Kabel, die ein Y-Stück hatten, mit denen man auch aktiv das Steuergerät separat angesteuert hat. Mit der Zeit hatten wir verschiedene fahrzeugspezifische Adapter entwickelt. Y- oder einfaches Kabel, das waren zwei Philosophien. Die Überlegung war immer: Ein Fahrzeug kommt in die Werkstatt und muss repariert werden können. Dazu trennt man Steuergerät und Kabelbaum voneinander, klemmt das Gerät dazwischen oder nur an die Peripherie und prüft nach der Prüfliste.
Das heißt, dass man da im Prinzip ganz systematisch vorgegangen ist?
Es gab eine Prüfreihenfolge, die musste dann der Mechaniker Schritt für Schritt durchfahren. Sogar ein Oszilloskop musste er anklemmen und konnte so das Drehzahlgebersignal prü-fen. Damals hatten wir auch das Gutbild schon in der Prüfliste mit dabei. Hauptsächlich waren es Widerstandsmessungen. Und so haben wir für jedes Kabel eine Prüfliste entwickelt. Die Kabel waren systemspezifisch. Das Gute war, dass die Motronic bei BMW, bei Citröen, bei Alfa oder wo sie überall verbaut war, die gleichen Stecker hatte. Es gab nur manchmal eine verschiedene Pinbelegung. Deshalb hatten diese Kabel vorne immer eine mechanische Codierung gehabt.
Aber im Prinzip wurde da tatsächlich noch die Elektronik getestet?
Ja, das was ich über den Kabelbaum auch erreichen kann. Die Systeme damals im Auto waren meistens nur Zündung, Einspritzung und Getriebesteuerung. ABS kam erst später. Und für ABS, weil es ein Sicherheitssystem war, haben wir ein spezielles Prüfgerät entwickelt, einen ABS-Tester. Und es wurde bei ABS, anders als bei der Motorsteuerung schon viel Prüftechnik ins Fahrzeug gelegt. Das heißt, bei jedem Motorstart lief ein Eigendiagnosezyklus im Steuergerät ab. Und die Eigendiagnose, wie sie am Anfang hieß, war durch ABS schon ein bisschen vorgegeben. Die waren dab die Vorreiter, die eine Prüflogik ins Steuergerät mit eingebaut haben. Die ersten Systeme aber waren die Motorsteuerungen das war eben die ML4.1 (Opel) und die M1.1 bei BMW und Porsche, die ein kleines Stückchen an Speicherkapazität im Steuergerät für diese sogenannte Eigendiagnose zur Verfü-gung gestellt haben. Deshalb hat Bosch sehr früh auf die Steuergeräte-Diag-nose gesetzt.
Wann war das in etwa?
Das war Mitte der 80er Jahre. Das erste, unser KTS 300, ist 1987 auf der IAA vorgestellt worden und 1988 dann in den Markt gegangen. Davor hatten wir schon diesen PED 100 für unsere Motortester und das war vielleicht ein Jahr früher. So 1986/1987 ging das mit der Steuergeräte-Diagnose los.
Wie war denn damals von den Kunden her die Resonanz auf so etwas?
Es war schon ein Gedankensprung bei den Leuten da. Die waren gewohnt etwas zu messen und selbst zu bestimmen, was sie tun. Und jetzt hatten sie da ein Gerät und das sagt ihn, was sie zu tun hatten. Die Berührung mit der Steuergeräte-Diagnose in den freien Werkstätten hat Zeit gebraucht. Und das muss man auch klar so sehen: Die Fahrzeugpalette war einmal klein. Das erste Modul hatte gerade mal drei Fahrzeugmarken: BMW, Opel, Porsche. Heute haben wir knapp 130 Marken drin. Noch gar nicht gesprochen von den Systemen, die dahinter stehen.
Wo liegen die Wurzeln der ESI-Tronic?
Die ESI-Tronic wurde entwickelt für unsere Boschdienste. Das heißt, unsere Boschdienste oder Boschgroßhändler sind groß geworden mit ESI-Tronic, hatten Schulungen, waren fit auf diesem System. Das sind sie heute noch. Später haben wir dieses System auch an freie Werkstätten verkauft. Klar haben wir dafür auch Schulungen angeboten. Aber für die Werkstätten war das eine komplett neue Welt. Der Bedarf der Betriebe nach Informationen hat sich durch diese Vervielfältigung der Systeme ebenfalls vervielfältigt.
Viele Werkstätten haben sich aber erst spät mit der Diagnose befasst?
Viele haben sich in Sachen Steuergerätediagnose eher zurückgehalten: Ein beliebtes Argument war, dass man solche Fahrzeuge sowieso nicht hat. Das hat sich erst als die OBD bei uns in Deutschland kam geändert. Das war für die Werkstätten so der letzte Punkt. Man hat auch gemerkt, dass sich der Absatz von Diagnosegeräten relativ stark entwickelt hat. Für uns war das ein Segen, dass wir mit der ESI-Tronic dem Kunden Prüftechnik und Information aus einer Hand geben konnten. Und ich glaube, das war genau der Punkt, der Schlüssel zum Erfolg.
Wann war das denn?
Das war 1999, als wir das KTS 300 eingestellt haben. Es war seit 1988 im Markt und so lange war es aktuell, so lang musste man, oder konnten die Kunden Fahrzeugsysteme mit diesem Gerät prüfen. Wir hatten da auch schon jede Menge Systeme drin. Das ist auch ein Unterschied: Wenn Sie die alten Prüfgeräte sehen, die waren im Prinzip auf eine bestimmte Technik ausgelegt und das KTS konnte man über einsteckbare Programmmodule immer wieder anpassen, weil die Fahrzeuge, die wir am Schluss drin hatten, an die hatte man zur Einführung noch nicht mal gedacht. Das musste immer flexibel sein. Das war für mich immer das Wichtigste: Wir brauchen ein Gerät, das im Markt nicht nach zwei Jahren schon wieder alt ist, sondern es muss sich ständig auf die neue Technik anpassen können.
Schon damals kam man mit so wenigen Tasten am Diagnosegerät aus?
Auch das ist ein Punkt: Ergonomie. Sie werden bei unseren Geräten nicht viele Tasten sehen. Für die reine Bedienung geht es immer um sechs Tasten. Und das ist aus meiner Sicht wichtig. Der Kunde muss nicht jeden Tag in die Bedienungsanleitung schauen.
Und wann kam das KTS 500 auf den Markt?
Wir hatten dann, Mitte der 90er Jahre, die Überlegung, wie wir den KTS 300 ablösen wollten. Was sollte ein neues Gerät können? Es zeichnete sich die schnelle Vermehrung der Steuergeräte schon damals ab. Es kam auch der Wunsch nach mehr Informationen wie den Fehlersuchanleitungen. Die wollten wir bei einem neuen Gerät mit drauf haben. Und dann mussten bestimmte Routinen eben schneller gehen. Die Anforderung, dass zusätzlich Messtechnik benötigt wurde, musste realisiert werden. Aber das war auch der Punkt, wo uns dann einfach diese Prüftiefe, die wir da beim KTS 300 gesehen haben, nicht mehr ausreichte. Es kam ABS dazu. Und wir mussten das ABS so prüfen, dass die Werkstatt wirklich etwas davon hat. Und da ist es ein Riesenvorteil, dass wir erstens Systementwickler sind. Und es gab viele Dinge, die selbst der OEM nicht realisiert hat, die wir aber in unserer Prüftiefe realisiert haben. Gut und dann sind wir auf dieses Konzept gekommen, das hieß dann KTS 500 und wurde für den freien Markt 1997 eingeführt.
Was war das Besondere?
Es waren zwei oder drei Sachen. Einmal die Einheitlichkeit der Bedienung über alle Fahrzeugmarken hinweg. Das zweite sind die gleichen Wörter oder Wortwahlen, bei uns heißt das Luftmengenmesser oder Luftmassenmesser über alle Fahrzeugmarken hinweg gleich. Bei jedem Fahrzeughersteller heißt der gleiche Luftmengenmesser eben anders. Und das dritte ist: Die Schaltpläne sind alle nach dem gleichen Schema gezeichnet. Ein Mechaniker muss sich nicht in die Philosophie von Hyundai reindenken, wie hat der seinen Schaltplan aufgebaut. Das war ein großer Aufwand. Aber ich komme immer wieder auf den Eingangssatz, den ich so oft sage, zurück. Wir entwickeln aus Kundensicht. Und der erwartet, dass er eine einheitliche Struktur hat. Dass er auch weiß, wie handhabe ich meine Fehlersuchbäume. Oder wie navigiere ich da drin. Das muss immer gleich sein. Und das alles haben wir jetzt gerade mit dem KTS 340 alles wunderbar miteinander vernetzt, Diagnose und Fehlersuche.
Aber Wissen ersetzt auch ein KTS nicht?
Ich habe mich von Anfang an immer stark dafür gemacht: Es hilft nichts, wenn ich so ein tolles Gerät habe. Ich muss auch wissen, was ich da prüfe. Ich muss wissen, wie die Vernetzung im Auto ist. Ich muss wissen, wie das zusammenhängt und überhaupt, wie so ein Auto funktioniert und was es da für Möglichkeiten gibt. Ich kann mit solchen Geräte nur Hilfestellungen geben, dass der Anwender schnell zum Fehler hinkommt. Aber das Wissen oder den Spezialisten brauche ich weiterhin.
Es gibt Fehler, die entziehen sich völlig einer gewissen Logik.
Da muss ich eben wissen, wie die Notlaufsituation ist. Wir bieten System- und Produktschulungen an. Da tun wir relativ viel für den Ausbildungsstand, auch in den Berufsschulen sind wir involviert, damit die jungen Leute auch wirklich ein fundiertes Wissen bekommen. Aber die müssen selber immer wieder weiter lernen.
Wie kann man sich denn die Zukunft der Diagnose vorstellen?
Für unser Geschäft geht es noch einige Jahre, dass man eine gewisse Hardware und eine Software braucht, um Diagnose machen zu können. Ich mache mir da für die nächsten zehn Jahre überhaupt keine Sorgen, dass es hier irgendwie andere Technologien gibt, die etwas ganz anderes bringen oder Diagnose in dieser Form gar nicht mehr erlauben. Wir sind mit dem KTS 340 schon, ich sage mal, sehr früh in die richtige Richtung gegangen. Und so wird Bosch weiterhin in der Lage sein, sehr frühzeitig diese neuen Technologien, weil wir ein Technologiekonzern sind, zu erfassen und auch frühzeitig zu nutzen und sich zu eigen zu machen. Wir legen Wert darauf, dass wir nicht jeden Schnickschnack mitmachen. Klar haben wir mit dem KTS 200 und dem KTS 340 einen Schnitt gemacht, dass es ein neues Look and Feel gibt, aber wenn Sie sich die einzelnen Menüs anschauen, sind diese wieder nach dem bewährten Muster.
Herr Heinzmann, herzlichen Dank für dieses und die vielen spannenden Diagnose-Gespräche in den vergangenen Jahren sowie alles Gute für Ihren Unruhestand!
Das Gespräch
führte Bernd Reich
- Ausgabe 6/2010 Seite 28 (378.5 KB, PDF)