Kurzfassung
Eine vernünftige Liquiditätsplanung ist jetzt das Wichtigste, sagt der Unternehmensberater Michael Zülch. Dazu ist der Blick auf die Kennzahlen empfehlenswert - und das Gespräch mit der Bank und dem Steuerberater.
asp: Mit welchen Fragen kommen die Betriebe derzeit zu Ihnen?
M. Zülch: Anfangs waren es vor allem Fragen zur finanziellen Absicherung und zum Erhalt der Liquidität. Viele Fragen bezogen sich auf die Einführung der Kurzarbeit und auf Anträge für Soforthilfen. Viele Unternehmen waren sich unsicher, ob sie förderwürdig sind und wie man den Antrag ausfüllt. Viele Betriebe sind mittlerweile diese ersten Schritte gegangen. Unser Ratschlag lautet: Ganz egal, ob man aktuell den Bedarf sieht oder nicht - es ist auf jeden Fall wichtig, sich jetzt mit dem Steuerberater und der Bank zusammenzusetzen, um die weitere Perspektive zu besprechen.
asp: Wie ist die Situation in den Betrieben nach Ihren Erfahrungen?
M. Zülch: Viele freie Werkstätten arbeiten nach dem ersten Shut-down und den anfänglichen Unsicherheiten relativ normal weiter - natürlich unter Einhaltung der notwendigen Hygienemaßnahmen. Die Betriebe sind da erfindungsreich, was die Prozesse betrifft, und bieten beispielsweise Hol- und Bringservices für Kundenfahrzeuge an. Im K&L-Bereich haben die Werkstätten weniger gesteuerte Aufträge gesehen, ganz einfach, weil der Verkehr so stark eingeschränkt war. Hier hat die Auslastung merklich gelitten. Schönheitsreparaturen wurden von Privatleuten zunächst verschoben. Im Reifenhandel ist die Reifenwechselsaison verzögert gestartet. Am meisten waren in den letzten Wochen definitiv der Automobilhandel und die angeschlossenen Werkstätten betroffen. Hier wird die Welt auch nach der Krise eine andere sein. Die Pandemie könnte dort wie ein Katalysator für einen Bereinigungsprozess wirken, der ohnehin schon im Gange war.
asp: Welche Überlegungen müssen Betriebe für die Zukunft anstellen?
M. Zülch: Die wichtigste Frage lautet für viele Unternehmen derzeit, wie die Liquidität gesichert werden kann. Aber um das Geschäft langfristig zu sichern, muss man sich die Kunden- und Kostenstruktur ansehen und analysieren, welche Geschäftsfelder künftig tragfähig sind. In einer systematischen Geschäftsfeldanalyse schauen wir darauf, ob die realisierten Margen und der Mix der Dienstleistungen noch stimmen, beispielsweise das Verhältnis von Karosserie zu Mechanik bzw. Lack, oder ob es sinnvoll wäre, den Betrieb umzustrukturieren.
asp: Was schauen Sie sich als Erstes an?
M. Zülch: Für die Statusanalyse benötigen wir Zahlen aus dem Warenwirtschaftssystem, daraus berechnen wir bestimmte Kennzahlen und vergleichen diese mit dem Branchenbenchmark. Daran sehen wir sehr schnell, wo was hängt. Wir nutzen dazu den "Kennzahlenkompass", den wir als Online-Tool vor zwei Jahren zusammen mit Axalta speziell für die K&L-Branche ins Leben gerufen haben. Dieser zeigt anhand von rund 30 Kennzahlen, wo ein Betrieb im Branchenvergleich steht, auch anhand einer Ampelstruktur. Ein ähnliches Instrument entwickeln wir derzeit zusammen mit Continental für die freie Mechanik-Werkstatt.
asp: Was lesen Sie aus den Kennzahlen heraus?
M. Zülch: Wir sehen dann sehr schnell, ob der realisierte Stundenverrechnungssatz noch stimmt oder der Anteil gesteuerter Kunden im Verhältnis zur jeweiligen Ertragslage in Relation steht. Wie effizient sind die produktiven Kräfte in der Werkstatt, wie lange wartet der Betrieb auf sein Geld und wie hoch sind die Außenstände?
Wir entwerfen eine Liquiditäts- und Rentabilitätsplanung, die einem Betrieb im Gespräch mit der Bank helfen kann. Die meisten Banker sind heilfroh, wenn sie diese Informationen bekommen, sinnvoll aufbereitete Daten erleichtern ihre Entscheidung und es hinterlässt einen seriösen und unternehmerisch soliden Eindruck.
asp: Wie geht es in den nächsten Monaten weiter?
M. Zülch: Niemand kann das seriös voraussagen. Man wünscht sich, dass das wieder so wird wie vorher. Ich persönlich glaube aber, dass es so nicht sein wird. Es wird länger dauern, bis alles wieder läuft - frühestens im Sommer und auch nur wenn es keine Rückschläge durch die jetzt beschlossenen Lockerungen gibt.
Wir müssen uns die einzelnen Geschäftsfelder und -prozesse differenziert anschauen und unterscheiden, was ist profitabel und was nicht. Es wird sehr viel wichtiger werden, die einzelnen Profitcenter anzuschauen. Bisher hat es vielleicht in der Summe gepasst - aber künftig geht so eine Subventionierung einzelner Geschäftsfelder nicht mehr auf.
asp: Kommt es zu einer Marktbereinigung?
M. Zülch: Man muss kein Schwarzseher sein, um das zu befürchten. Viele Betriebe, die jetzt schon unter Druck waren, kommen durch die Pandemie schneller in Schieflage. Betriebe, die in den letzten Jahren schon investiert haben, in die Digitalisierung der Prozesse und in Equipment, haben jetzt einen Vorteil. Werkstätten, die diese Erneuerung verschlafen haben, werden das jetzt nur schwer stemmen.
asp: Hinsichtlich Beratung gibt es aktuell gute Nachrichten vom BAFA.
M. Zülch: Ja genau. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat seine Förderungen für Unternehmensberatung angepasst. Bis zu einem Beratungswert von 4.000 Euro können KMU und Freiberufler eine Förderung für 2020 beantragen, und zwar ohne Eigenanteil. Den Antrag findet man auf der Seite der BAFA, aber wir übernehmen hier auch gerne die Beantragung in Zusammenarbeit mit den Betrieben. In einem Merkblatt informiert die Behörde außerdem über die jüngsten Änderungen am Förderprogramm und gibt Hilfe beim Ausfüllen des Antrags. Die BAFA als Bewilligungsbehörde wickelt die Bezahlung direkt mit den zertifizierten und gelisteten Beratungsunternehmen ab. Die antragsberechtigten Unternehmen werden daher von einer Vorfinanzierung der Beratungskosten entlastet. Die Beratung muss sich dabei auf die durch die Corona-Krise hervorgerufenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten beziehen.
Das Interview führte Dietmar Winkler .
- Ausgabe 06/2020 S.16 (292.7 KB, PDF)