Komplettanbieter WOW
Als die Würth-Tochter WOW vor einem Jahr als Komplettanbieter in den Vertrieb von Werkstattausrüstung einstieg, war das eine Überraschung. asp sprach mit WOW-Geschäftsführer Mario Weiß über das neue Geschäftsfeld.
Seit einem Jahr ist WOW im Bereich Werkstattausrüstung tätig. Wie ist Ihr Resümee nach diesen ersten zwölf Monaten?
Mario Weiß: Grundsätzlich positiv. Wir haben als Gesamtunternehmen schon sehr davon profitiert, dass das ganze Geschäft in der Würth-Organisation wieder stärker im Fokus steht. Das gibt uns natürlich die Chance, dass der Markt im positiven Sinne viel mehr in der Breite mit WOW konfrontiert wird. Vorher hatten wir mit Diagnose und AU ein sehr großes, aber spezielles Geschäftsfeld. Das haben wir auch weiter konzentriert betrieben und haben all das, was neu hinzugekommen ist, mit neuen Leuten besetzt. Wir haben eine neue Division bei WOW gegründet. Unter dem Strich ist es positiv gelaufen. Aber betriebsintern mussten viele Prozesse angepasst werden – angefangen von der Logistik. Es ist schon ein Unterschied, ob man ein IQ 100 in einem Koffer logistisch managen muss oder eine mobile Hebebühne mit 2 mal 2 Metern. Das waren Dinge, die wir im Logistikbereich lernen mussten. Das ganze Geschäft rund um die Werkstattausrüstung ist natürlich nicht nur after-, sondern auch sehr pre-salesintensiv. Das umfasst das gesamte Thema Kundenberatung, Angebotserstellung etc. Eventuell hat der Kunde noch mal eine andere Idee und wir erstellen ein zweites Angebot für ihn. Es ist ja nicht so, dass die Kunden sagen: Ich beschäftige mich nun mit Hebebühnen und in zwei Wochen möchte ich eine Hebebühne haben. Der Entscheidungsprozess dauert manchmal Wochen und Monate. Unsere Stärke liegt darin, dass uns der Würth-Verkäufer sehr gut unterstützen kann.
Die Entscheidung kann aber auch sehr schnell fallen, beispielsweise wenn eine Hebebühne ausfällt.
Weiß: Ja, natürlich. Deswegen haben wir ein relativ großes Direktbelieferungslager. Das heißt, dass die wichtigsten Produkte in ausreichender Menge vorhanden sind und wir haben mit unseren Lieferanten auch eine gute Lösung gefunden, dass wir ganz schnelle Lieferungen machen können. Natürlich, wenn jemand sagt, er braucht morgen eine 4-Säulen-Hebebühne, die hat man nicht auf Lager. Da gibt es sechs bis acht Wochen Lieferzeit.
Sie hatten damals mit einem relativ kleinen Sortiment angefangen. Wie hat sich das inzwischen verändert?
Weiß: Wir haben am Anfang gesagt, dass wir uns auf bestimmte Produktbereiche konzentrieren. Das war schwerpunktmäßig die Reifentechnik und Hebetechnik. Und wie wir erwartet und prognostiziert haben, ging das Sortiment natürlich relativ schnell auseinander. Das heißt, die Anfragen der Kunden gingen von der fahrbaren Werkstattreinigungsmaschine bis zur Ölversorgungsanlage unter die komplette Werkstatt und CAD-Planung für Neubauten. Solche Themen kamen dann dazu. Das war natürlich schon eine große Herausforderung das Sortiment und die Lieferantenkontakte entsprechend aufzubauen. So haben wir solche Themen wie Achsvermessung neu aufgenommen. Da hat man am Anfang nicht unbedingt gesagt, das wird ein Kernthema für uns. Aber Achsvermessung ist ein Schwerpunktthema geworden. Und man kommt dann auch an den Punkt, an dem man sagt, es gibt nicht diesen Generalisten im Markt, der wirklich in allen Produktbereichen marktführend in Premiumqualität ist. Das geht vielleicht auch gar nicht. Was wir jetzt versuchen ist, dass wir in bestimmten Bereichen, beispielsweise Unterflurtechnik schauen, dass wir dort Firmen finden, die in diesem Bereich Kernkompetenz haben und für uns produzieren. Das heißt, nach vorne wollen wir eigentlich als Hersteller auftreten. Wobei das noch mit einem Augenzwinkern passiert, weil natürlich jeder weiß, dass wir keine eigene Hebebühne produzieren. Wir versuchen uns derzeit immer stärker in die Produktdefinitionen einzumischen, treten aber für den Kunden – was Haftung, Service, Ansprechpartner betrifft – als Hersteller auf.
Sie kreieren also im Prinzip die Marke WOW als eine Marke für Werkstattausrüstung?
Weiß: Genau. Was natürlich auch eine tolle Aufgabe war, das Gefühl dafür zu bekommen, ob die bestehende Betriebsorganisation sich adaptieren kann auf neue Produktbereiche und bestimmte Sachen funktionieren ganz gut, aber wir haben relativ schnell einen neuen Vertriebszweig aufgebaut. Wir haben uns Spezialisten aus der Branche geholt, die im Werkstattausrüstungsbereich erfahren sind. Wenn man beispielsweise eine Unterflurbühne plant, ist natürlich tiefgehendes Fachwissen unersetzbar. Auch um eine CAD-Planung zu machen. Da haben sich uns Leute angeschlossen, die dort Chancen gesehen haben. Wir sind jetzt, was die Anzahl der Leute angeht, gewachsen.
Sie betreuen jetzt planungsintensive Produktgruppen wie Ölmanagement oder Abgasabsaugung komplett?
Weiß: Ja. Wir haben jetzt auch komplette Projekte abgewickelt. Wir sind bei der Scania-Niederlassung Möglingen betei-ligt. Das war so unser erster größerer Kunde. Aktuell dürfen wir für BMW-Auer am Bodensee ein komplettes Autohaus von der Werkstattseite her umsetzten. Das Projekt läuft auf Hochtouren.
Das Projektgeschäft stand für Sie ursprünglich nicht im Fokus. Hat sich das geändert?
Weiß: Projektgeschäft ist die Königsdisziplin im Bereich Werkstattausrüstung. Und unser Thema war eigentlich, dass wir uns gezielt auf diese Herausforderung vorbereiten wollen. Deshalb haben wir die Mannschaft von vornherein so aufgestellt, dass wir in der Lage sind, das zu tun. Es ist ein Riesenvertrauensvorschuss, wenn man als neues Unternehmen wie WOW an den Markt geht und ein renommiertes Unternehmen wie BMW Auer sagt, ich traue Ihnen zu, diesen Auftrag zu stemmen, das konnten wir nicht erwarten. BMW Auer darf sich aber 100 Prozent sicher sein, dass jeder Einzelne von uns alles dafür tun wird, das Projekt zu einem vollen Erfolg werden zu lassen.
Wo lag denn der Vorteil für den Kunden?
Weiß: Neben dem Kriterium, dass die Betriebswirtschaftliche Basis absolut stimmig sein muss, denke ich, dass die zeitintensive persönliche Beratung der ausschlaggebende Punkt war. Wir haben zusammen auch noch Anpassungen an den Plänen vorgenommen und da hat sich sehr schnell eine Vertrauensbasis gebildet. Und diese Vertrauensbasis sehe ich als Hauptgrund und Ansporn.
Wie ist der Ablauf? Wie kommen Sie an Ihre Kunden? Im C-Teile-Bereich hat die Werkstatt jede Woche Kontakt zu Würth. Im Werkstattausrüstungsbereich ist das nicht der Fall.
Weiß: Das ist genau das Charmante in der Vertriebskooperation mit Würth, dass wir dort mit den in Deutschland über 600 Direktvertriebsverkäufern tagtäglich zehn bis 15 Kunden besuchen und die Frage nach Bedarf stellen können. Und da funktioniert der Würth-Vertrieb wie ein "Hochleistungsinformationsstaubsauger". Wir kriegen in einem Großteil der Fälle mit, wenn eine Investition ansteht. Dann läuft der Prozess so, dass der Würth-Verkäufer eine Bedarfsermittlung aufstellt, um zu schauen, welche Anforderungen vorliegen und in welche Produktbereiche diese hineingehen: Braucht der Kunde etwas im Hebebereich, benötigt er eine Achsvermessungsbühne oder eine Reparaturbühne – einfache Fragen, um das ein wenig einzugrenzen – und eröffnet dann den Kundenfall, gibt das an die WOW weiter und der WOW-Spezialist setzt sich dann mit dem Kunden direkt in Verbindung. Da setzt die Beratungsleistung ein. Und dann wickelt WOW, wenn wir den Auftrag bekommen, entsprechend ab und garantiert auch den gesamten Aftersales.
Wie ist der Service bei WOW organisiert?
Weiß: Wir haben das mit der eigenen Serviceorganisation realisiert. Wir haben bundesweit eine Organisation aufgebaut und massiv in Personal investiert, das in den letzten Jahren konsequent geschult wurde. Wir haben teilweise auch Leute aus der Branche eingestellt, die dort schon jahrelange Erfahrung haben, haben aber auch den Service und den technischen Außendienst, den wir schon hatten, entsprechend trainiert, geschult und mit Zertifikaten versehen. So dass wir das alles mit eigenen Leuten abdecken können. Das ist immer unser Ziel: Es mit eigenen Leuten auszuführen.
Wenn beispielsweise in Hamburg etwas eingerichtet werden soll, haben Sie das regionalisiert oder regeln Sie das nach wie vor zentral von Künzelsau aus?
Wir haben es jetzt regionalisiert. Head-office ist natürlich in Künzelsau. Dort sitzen auch die Produktspezialisten für die einzelnen Produktfelder. Wir haben aber in drei Regionen regionalisiert. Dort sind schlagkräftige Vertriebsmannschaften unterwegs, die jeweils auch eigene Werkstattausrüstungsprofis in dem Team haben und erst, wenn es wirklich um komplette Konzepte und größere Projekte geht, zieht man die Produktspezialisten zu Rate. Aber die Koordination läuft in den Regionen, dort sind wir vor Ort.
Sie hatten vorhin angedeutet, dass Sie den Personalstamm ausgebaut haben?
Weiß: Ja, von 48 Mitarbeitern im vergangenen Jahr auf jetzt 60 Mitarbeiter. Aber die Leute, die dazugekommen sind, sind alle im Bereich Werkstattausrüstung anzusiedeln. Das sind Serviceleute und Werkstattausrüstungsverkäufer.
Welche Rolle spielt denn das besondere Finanzierungsmodell, das WOW im Bereich Werkstattausrüstung anbietet?
Weiß: Das Finanzierungsmodell basiert ja auch auf der Vertriebskooperation zwischen Würth und WOW und ich erzähle sicher nichts Neues, wenn man sich die oft sehr angespannte finanzielle Situation von Werkstätten anschaut. Man sieht, dass es in vielen Fällen knapp ist, aber Investitionen notwendig sind. Mit diesem Finanzierungsmodell versuchen sich Würth und WOW zu positionieren. Nach dem Motto: "Mit Würth in die Zukunft" möchten wir dem Kunden die Möglichkeit bieten, im Bereich Werkstattausrüstung in die Zukunft zu investieren und das mit intelligenten Finanzierungsmöglichkeiten zu kombinieren. Das ist ein Konzept, das wir bereits seit mehreren Jahren betreiben, und das nach wie vor auf großes Kundeninteresse stößt. Realistisch betrachtet sind wir nicht der einzige in der Branche, der das macht. Aber wir sind jemand, der das sehr konsequent und offensiv umgesetzt hat.
Unterscheidet sich der Anteil der Kunden, die das annehmen, zwischen dem Bereich Diagnose und dem Bereich Werkstattausrüstung?
Weiß: Nein, das kann man nicht sagen. Das Bild ist da relativ einheitlich. Es gibt regionale Unterschiede, die man erkennen kann und es gibt auch Unterschiede im Bereich der Branchen. Bei markengebundenen Unternehmen steht immer noch das klassische Ich-kaufe- und Ich-Lease-Modell im Vordergrund. Das hat nicht nur finanzielle Hintergründe. Wir merken, dass viele Kunden sich auf ein solches Thema emotional einlassen müssen. In manchen Köpfen scheint noch das Stichwort "Knebelverträge" zu sein, obwohl unser Modell nichts dergleichen ist. Es ist ein völlig offenes Konzept und der Kunde entscheidet a) ob er das möchte und b) in welcher Form er das umsetzen möchte. Da gibt es keinerlei Verpflichtungen. Es ist nur eine Chance. Da wird sehr offensiv versucht mit dem Kunden gute und partnerschaftliche Lösungenzu finden.
Zum Abschluss noch etwas zu Ihrem eigenen Kernprodukt Diagnose. Was gibt es dort Neues?
Weiß: Die Diagnose und der AU-Bereich stehen nach wie vor im Fokus. Wir halten es momentan strikt getrennt von dem anderen Geschäft. Die Kunst besteht darin, Synergien zu nutzen, aber Verwässerungen zu vermeiden. Das ist nicht ganz einfach. Aber im Zuge der Einführung der Werkstattausrüstung und dieses Vertriebsmodells sind auch Umsatz und Absatzzahlen im Bereich Diagnose wieder massiv angestiegen. Das heißt, früher wurde der Würth-Verkäufer nicht unbedingt der Diagnose zugeordnet. Heute wird von Investitionsgütern im Allgemeinen gesprochen und der Kunde fragt, ob der Würth-Verkäufer ihm auch Diagnosegeräte anbieten kann. Wir gehen heute an dieses Thema ganz anders ran. So dass sich in Deutschland sehr viel Positives bezüglich der Absatzzahlen entwickelt hat. Seit einigen Monaten decken wir auch das Thema LKW-Mehrmarkendiagnose und Trailerdiagnose in erstklassigem Umfang ab - da sehe ich am Markt momentan kaum vergleichbare Alternativprodukte.
Vielen Dank für das Gespräch,
Herr Weiß.
Das Gespräch führte Bernd Reich