Fahrzeugfälschungen
Eine der zahlreichen Oldtimerzeitschriften mit Endverbraucher-Ausrichtung berichtete über Fahrzeugfälschungen und schor darin entsprechende Maßnahmen weitgehend über einen Kamm. Sind alle Fahrzeugumbauten mit diesem Begriff korrekt belegt? Was ist noch rechtlich einwandfrei, was nicht mehr?
Ein biederer NSU Prinz wird zum TT umgebaut. Ist das wirklich zu beanstanden? Schließlich wurden solche Umbauten bereits vorgenommen, als diese Fahrzeuge noch keine Oldtimer waren. Was ist mit einem BMW 328, des-sen Rohrrahmen von einem 319 stammt, was mit einem Standard-Porsche 911, der als RS aufersteht? Beleuchtet werden soll die Fälschungsproblematik aus unterschiedlichen Blickwinkeln: nach Zulassungsrecht, Kaufrecht, Strafrecht und dem häufig übersehenen Markenrecht.
Zum Zulassungsrecht. Neben dem neu gefassten StVZO-Paragrafen 23 und der Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV) hat das Bundesverkehrsministerium den Katalog überarbeiten lassen, in welchem die Kriterien für die Einstufung als Oldtimer gemäß FZV-Paragraf 2, Nr. 22, dargestellt sind. Dort heißt es wörtlich: „Die Hauptbaugruppen müssen angelehnt an den damaligen Originalzustand oder zeitgenössisch ersetzt sein.“ Was unter „zeitgenössisch ersetzt“ zu verstehen ist, wird konkretisiert: „Änderungen, die nachweislich innerhalb der ersten zehn Jahre nach Erstzulassung oder ggf. Herstelldatum erfolgt sind oder hätten erfolgen können, […] sind zulässig.“ Somit ist klargestellt, dass zulassungsrechtlich alle Änderungen, die innerhalb der ersten zehn Jahre des Fahrzeuglebens (rechtlich korrekt) hätten vorgenommen werden können, auch dann dem Oldtimerstatus nicht abträglich sind, wenn sie erst in jüngster Zeit tatsächlich vorgenommen wurden. Überschritten wird die Grenze dort, wo die Baureihe verlassen wird.
Wie sind diese Beispiele zu beurteilen? Ein nach damaligen Maßstäben (innerhalb zehn Jahren nach Erstzulassung) rechtlich einwandfreier, sach- und fachgerechter Umbau zum NSU TT schadet der Oldtimer-Einstufung nicht, schließlich ist der TT die gleiche Baureihe wie der Familien-Prinz. Auch der Porsche 911 bleibt als RS die gleiche Baureihe. Wird aber ein ganz anderes Fahrzeug gebaut, zum Beispiel ein BMW 328 auf dem Rahmen eines 319, sind die Grenzen dessen überschritten, was zulassungsrechtlich einwandfrei wäre. Zwar haben beide Typen einen Rohrrahmen, gleichwohl sind es unterschiedliche Baureihen, insbesondere erkennbar anhand der Fahrgestellnummern. Auch sind die Rahmen von BMW 319 und 328 nicht identisch. Der Aufbau eines BMW 328 auf dem Rahmen eines 319 geht also über die zulassungsrechtlichen Möglichkeiten hinaus.
Wird ein Fahrzeug nach altem Vorbild neu geschaffen, also noch nicht mal auf einen alten Rahmen zurückgegriffen, sind die Grenzen des Zulassungsrechts erst recht überschritten. So soll es drei Unternehmen geben, die Rahmen für den Mercedes-Benz 300 SL (W 198) produzieren. Diese Rahmen sind vom Hersteller nicht freigegeben, weshalb es sich zulassungsrechtlich um Neufahrzeuge handelt, die aber, sofern nicht moderne Technik verbaut wurde, nicht den heutigen Vorschriften entsprechen. Diese Fahrzeuge sind also nicht zulassungsfähig, weder mit noch ohne H-Kennzeichen.
Der Verkäufer schuldet Originalität
Zum Kaufrecht. Zwar hat das Oberlandesgericht Koblenz ausgeführt, eine Originalität des Fahrzeugs sei nur dann geschuldet, wenn dies ausdrücklich vereinbart sei. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs darf der Käufer bei Veräußerung eines Fahrzeugs mit Begutachtung nach StVZO-Paragraf 23 (H-Kennzeichen vergeben) aber nicht nur ein Gutachten erwarten, sondern ein Fahrzeug, das tatsächlich den Anforderungen an das H-Kennzeichen gerecht wird. Dass ein Fahrzeug bei seiner Veräußerung bereits das H-Kennzeichen trägt, ist ein häufig anzutreffender Fall. Nach diesem Urteil werden auf breiter Front die zulassungsrechtlichen Kriterien in das Kaufrecht importiert. Der Verkäufer schuldet also Originalität, wenn ein Fahrzeug mit Oldtimerabnahme veräußert wird. Außerdem darf der Verkäufer den Käufer nicht sehenden Auges in eine Falle tappen lassen. Dann, wenn man den Charakter des Fahrzeugs als Umbau kennt, vielleicht sogar den Umbau selbst vorgenommen hat, muss man über den Umbaucharakter aufklären, anderenfalls hätte man einen für die Kaufentscheidung wichtigen Aspekt arglistig verschwiegen.
Unsere Beispielfälle: Sofern man den zum NSU TT umgebauten Prinz oder den zum RS umgebauten Standard-911 nicht als Original veräußert, sondern über den Umbaucharakter aufklärt, bleibt man rechtlich einwandfrei. „NSU Prinz, umgebaut zum TT“, ist eine passende Formulierung, welche den nachträglichen Umbau darstellt. Beim BMW 328 gestaltet es sich problematisch: Wird das Fahrzeug mit einem H-Kennzeichen veräußert, liegt ein Mangel vor, da das Fahrzeug mit dem Rahmen des 319 den Anforderungen an das H-Kennzeichen nicht gerecht wird. Auch ohne H-Kennzeichen bleibt es problematisch, wenn der Verkäufer den Umbau kennt. Er muss über den Umbau aufklären. Fazit: Wird mit offenen Karten gespielt, entstehen kaufrechtlich keine Probleme.
Zur strafrechtlichen Relevanz. Legt man keine Grundehrlichkeit an den Tag und täuscht den Käufer über die Originalität, unternimmt vielleicht sogar Maßnahmen, um den Umbaucharakter zu verschleiern, indem man beispielsweise die Fahrgestellnummer manipuliert, stehen mehrere Straftatbestände zur Diskussion, die realisiert sein könnten. Insbesondere Betrug in Form des so genannten Eingehungsbetrugs; auch Urkundenfälschung kommt durch Veränderung der Fahrgestellnummer und der Fahrzeugdokumentation in Betracht. Beim BMW 319 wird zumeist der Umbau zum 328 kaschiert, indem eine mit „8“ beginnende Fahrgestellnummer eingeschlagen wird. Das stellt den Straftatbestand der Fälschung technischer Aufzeichnungen dar. Die Veräußerung eines solchen Fahrzeugs – bei entsprechender Kenntnis des Verkäufers – ist nichts anderes als Betrug nach dem Strafgesetzbuch-Paragrafen 263. Gleiches gilt, wenn bei einem standardmäßigen Porsche 911 die Fahrgestellnummer verändert wurde, um zu kaschieren, dass das Fahrzeug zum RS umgebaut wurde.
Markenrechtliche Problematik
Zum Markenrecht. Bislang weitgehend unbeachtet blieb die Tatsache, dass Umbauten von Fahrzeugen auch markenrechtliche Probleme aufwerfen – ein Aspekt, der keinesfalls unterschätzt werden darf. Ein Produkt, welches unter einer bestimmten Marke in den Verkehr gebracht wurde, darf nicht mehr unter dieser Marke angeboten werden, wenn das Produkt erheblich verändert wurde, besagen Paragraf 24 Absatz II Markengesetz und Artikel 13 Absatz II Gemeinschaftsmarkenverordnung. Dies gilt im geschäftlichen Verkehr, also dann, wenn ein Händler das Produkt anbietet oder das Fahrzeug auf einer Messe oder Internetseite zum Verkauf oder zur Eigendarstellung präsentiert wird. Fahrzeug-umbauten, beispielsweise vom Coupé zum Cabriolet, sind allemal erhebliche Veränderungen, und zwar auch dann, wenn es von der betreffenden Baureihe tatsächlich Cabriolets gab. Wird also beispielsweise ein Ferrari Coupé in ein Convertible (englische Bezeichnung für Cabriolet) verwandelt, darf dieses Fahrzeug im geschäftlichen Verkehr nicht mehr unter der Markenverwendung Ferrari angeboten werden. Ein Händler, der ein solches Fahrzeug als Ferrari anbietet, verletzt die Marke Ferrari, was teuer werden kann, denn Ferrari mahnt derartige Vorfälle tatsächlich ab. Das Gleiche gilt auch, wenn ein solches Fahrzeug nur auf einem Messestand präsentiert oder zur Vermietung angeboten wird. Derartige Fahrzeuge sind – sofern sie von Händlern angeboten werden – also als so genannte sonstige Fahrzeuge anzubieten, was die Präsentation in Fahrzeugbörsen schwierig erscheinen lässt. Bei einer Präsentation auf einem Messestand eines Händlers (und auf Bildern) ist peinlich genau darauf zu achten, dass alle Markenembleme und -schriftzüge abgedeckt werden.
Beim ehrlichen Umgang mit der Materie besteht also keine Veranlassung, all diejenigen in die Schmuddelecke zu stellen, die Fahrzeuge umbauen. Bei entsprechender Aufklärung bestehen rechtlich verlässlich gangbare Wege.
Beantwortet wurde die Frage der Zulässigkeit von Fahrzeugumbauten bisher allein von der juristischen Seite. Ob derartige Umbauten auch politisch opportun sind, ist ein ganz anderer Punkt.
H-Kennzeichen gerät unter Druck
Betrachtet man die heute genutzten Oldtimer, kann man zum Eindruck gelangen, weite Teile der Bevölkerung seien in der Vergangenheit mehrheitlich mit kleinen zweisitzigen Sportwagen unterwegs gewesen. Ein Eindruck, der ganz sicher unzutreffend ist. Vor dem Hintergrund der Geschichtsverfälschung kann sich der Autor einen Appell nicht verkneifen: Belasst Eure Fahrzeuge so, wie sie waren oder noch sind! Gerade damalige Brot-und-Butter-Autos sind aus dem heutigen Straßenbild so gut wie verschwunden, weshalb gerade diese Fahrzeuge einen besonderen Charme ausstrahlen. Außerdem laufen wir alle Gefahr, dass das H-Kennzeichen unter Druck gerät. Dessen Ziel ist schließlich die Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturguts. Hierzu zählen nicht Phantasieprodukte, die es vielleicht gegeben haben könnte, tatsächlich aber, zumindest in heutiger Verbreitung, nie gab. Nebenbei: Die angesagte Zurückhaltung bei Veränderungen wirkt sich zudem mit Sicherheit positiv auf den Wert des betreffenden Fahrzeugs aus.
Götz Knoop
Dokumentationsservice
Von Classic Icons kommt das Angebot eines digitalen Dokumentationsservices für Old- und Youngtimer. Aus Zulassungsbescheinigung, Kauf- und Werkstattrechnungen, Belegen, Gutachten etc. erstellt das Unternehmen ein digitales Profil des jeweiligen Fahrzeugs. „Unsere Kunden erhalten dann die oft wertvollen Originaldokumente in einem sauber gegliederten Ordner zurück“, erklärt eine Mitteilung. Aus dieser geht zudem hervor, dass beim Carpass Classic genannten Service auch Profis eine Rolle spielen. O-Ton: „Besitzer, die Carpass Classic nutzen, sind zur kontinuierlichen Pflege ihrer Akte auf die Zusammenarbeit mit einem Partnerbetrieb angewiesen. Eine Partnerschaft mit Carpass Classic bietet Werkstätten und Gutachtern neue Umsatzchancen, indem neue Kundenkreise erschlossen und langfristige Kundenbeziehungen gesichert werden.“ Unterstützend bei der Entwicklung des Dokumentationsservices wirkten, so die Aussage von Classic Icons, der Automobilclub von Deutschland (AvD) und das Softwarehaus Werbas.
Classic Icons GmbH & Co. KG
www.carpassclassic.com
- Ausgabe 6/2014 Seite 78 (4.7 MB, PDF)