Serie „Marken-Service”, Teil 5: Ford
Ford Deutschland blickt auf eine fast neunzigjährige Unternehmensgeschichte zurück. Das Unternehmen setzt bei der Unterstützung der 1.860 Partnerbetriebe aktuell auf umfangreiches Servicemarketing.
Im April 1926 fuhr in den Ford-Produktionshallen am Berliner Westhafen ein legendäres T-Modell vom Band. Mit der ersten in Deutschland gefertigten Tin Lizzie („Blechliesel“) startete hierzulande die Unternehmensgeschichte der Amerikaner. Rund fünf Jahre später zog der Automobilhersteller von Spree und Havel an den Rhein. Im Mai 1931 verließ ein erstes A-Modell die Kölner Werkshallen. Mit Produktion und Verkauf in Deutschland starteten auch die Kundendienstaktivitäten von Ford: „Die Serviceorganisation ist seit damals ein integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie“, erklärte Reinhard Zillessen, der bis vor Kurzem Servicedirektor der Ford-Werke GmbH war.
Seit 1962 sind die deutsche und die europäische Service-Organisation sowie das europäische Teilevertriebszentrum in Köln-Merkenich ansässig. Die Fläche für den Ersatzteilvertrieb umfasst 175.000 Quadratmeter. Köln ist seit 1998 auch Sitz der Ford-Europazentrale. Der europäische Markt ist in drei Teile aufgeteilt. Schwerpunkte der Marktbearbeitung bilden Deutschland, England und 51 weitere Märkte, die unter den dritten Bereich Europa zusammengefasst die übrigen Staaten von Albanien bis Usbekistan betreffen.
Modernes Servicemarketing
Das deutsche Ford-Servicenetz umfasst insgesamt 1.860 unabhängige Partnerbetriebe. Davon sind 512 Handelspartner mit 259 Filialen. Darüber hinaus gibt es 1.089 reine Service-Standorte. Handels- und Servicepartner zusammengenommen beschäftigten im Jahr 2012 alleine im Servicebereich mehr als 12.000 Mitarbeiter. Eine wichtige Gemeinsamkeit ist die zentrale Service-Philosophie: „Modernes Servicemarketing beginnt mit dem Fahrzeugverkauf. Wichtig ist die frühzeitige Bindung einerseits an die Marke und andererseits an die Werkstatt“, erläuterte Zillessen, der seit Juli das Marketing bei Ford leitet. Der Fahrzeughersteller habe schließlich den großen Vorteil des Erstkontakts mit dem Kunden. Damit daraus eine möglichst langfristige und ertragreiche Beziehung wird, unterstützt die Zentrale Partner mit einem breiten Maßnahmenkatalog zur Kundenbindung.
Im Blickpunkt stehen dabei insbesondere auch die Segmente 2 und 3. Große Bedeutung im Rahmen des Erstkontakts kommt der Ford-Flatrate zu. Diese führte Reinhard Zillessen übrigens im Jahr 2007 in seiner Funktion als Vertriebsdirektor für den deutschen Markt selbst ein. Als Servicedirektor ernten er, sein Team sowie die Partner sozusagen die Früchte – diesen positiven Eindruck vermitteln zumindest die von Ford publizierten Zahlen zur Nachfrage: Der Anteil der Ford Flatrate am Privatkundengeschäft belief sich im Jahr der Einführung auf knapp über 30 Prozent. Danach stieg die Nachfrage sprunghaft an (2009 lag der Wert bei über 60 Prozent, 2008 und 2010 bei fast 70 Prozent). Inzwischen hat sich der Anteil auf 55 Prozent eingependelt. Die Zahlen sind laut Ford in Prozent von berechtigten Ford-Neuwagenkäufern zu sehen und im Fachbuch „Aftersales in der Automobilwirtschaft“ (Verlag Springer Automotive Media/ 2. Auflage 2012) nachzulesen.
Das Erfolgsrezept: Die Vorteile seien für beide Seiten offensichtlich. Endkunden profitierten für mindestens vier Jahre von Fahrzeuggarantie, Abdeckung der Inspektionskosten und Mobilitätsgarantie. Zudem ist der Werterhalt der Fahrzeuge durch die lückenlose Wartung in der Serviceorganisation gewährleistet. Als Partnernutzen gibt der Hersteller u.a. loyalere und zufriedenere Kunden an, die Chance auf regelmäßige Zusatzgeschäfte sowie eine bessere Werkstattauslastung.
Boden gutmachen
Die Ford-Markenwerkstätten erreichen im Segment 1 einen Marktanteil von rund 85 Prozent. Im Segment 2 ist das Verhältnis nur mehr ausgeglichen, schreibt Reinhard Zillessen im Fachbuch „Aftersales in der Automobilwirtschaft“. Im Segment 3 dominieren die freien Werkstätten: Nur 20 Prozent fahren auf den Hof eines Ford-Betriebs. Um vermehrt Besitzer älterer Fahrzeuge anzusprechen und ins eigene Servicenetz zu locken, wurden weitere Instrumente entwickelt: „Ford REACT“ umfasst beispielsweise eine Marktanalyse und soll Wachstumspotenziale aufzeigen. Darüber hinaus initiierten die Kölner vor einem Jahr die „lebenslange Mobilitätsgarantie“. In Kooperation mit dem ADAC stellt die „Ford Assistance Mobilitätsgarantie“ sicher – so hieß es bei der Einführung–, dass Ford-Fahrer im Falle einer Panne europaweit zum nächsten Ford-Partner abgeschleppt werden. Diese Mobilitätsgarantie wird gewährt, sobald das Ford-Fahrzeug zur Inspektion zu einem Ford-Partner gebracht wird – unabhängig vom Fahrzeugalter, hieß es.
Seit April gibt es einen konzertierten Vorstoß in Richtung Gewerbekunden: In Kooperation mit der Ford Händler Dienstleistungsgesellschaft mbH (FHD) und der Firma Control€xpert entwickelte das Unternehmen die kostenlose Abrechnungsplattform „PostMaster“ für Servicepartner. Damit können autorisierte Betriebe den Angaben zufolge Kostenvoranschläge, Reparaturanfragen, Wartungsaufträge oder Rechnungen für Flottenkunden validieren und versenden.
Netz-Qualifizierung
Wer einer Erhöhung der Kundenzufriedenheit das Wort redet, der zielt neben der Verbesserung der Produktqualität auf die fortwährende Qualifizierung des Partnernetzes ab. „Es gibt bei uns einen sehr großen Katalog an technischen und nicht-technischen Trainingsprogrammen. Auf der technischen Seite bieten wir pro Jahr 900 Seminare mit fast 10.000 Teilnehmern an“, so Zillessen. Das Programm sieht Präsenz-Seminare in den Ford-Fortbildungszentren, Vor-Ort-Schulungen beim Partner und E-Learning-Programme zur Weiterbildung vor dem betrieblichen PC vor. Immer wichtiger werde zudem die Ausbildung im Bereich Serviceberatung. „Für unsere Serviceberater gibt es ein spezielles Trainingssystem, das 22 Ausbildungstage zum ‚Geprüften Automobil-Serviceberater‘ (GASB) umfasst.“
Im Hinblick auf die komplexe Fahrzeugtechnologie und immer anspruchsvollere Kunden kommt den Serviceberatern eine Sonderrolle zu. Die Voraussetzung dafür erfüllt nicht jeder Kfz-Mechatroniker, Servicetechniker oder sogar Meister. Die Anforderungen kommen einer Quadratur des Kreises gleich: Gute Serviceberater müssen, um einen hohen Umsatz zu garantieren, ein Verständnis für die Technik haben und gleichzeitig mit den Kunden umgehen können. In Seminaren erfahren die Teilnehmer Methoden der Gesprächsführung. Auf diese Weise sollen sie ergründen, was der Kunde möchte. Dieses Wissen muss im ausgewogenen Verhältnis in die Kundenberatung einfließen. Das Feedback von Seiten der Partner sei größtenteils positiv, so Zillessen: „Die Teilnehmer kommen trainiert zurück und generieren mehr Zusatzgeschäfte für den Betrieb.“ Und das Ganze auf elegantere Weise: Endkunden würden schließlich nicht überredet, sondern bekämen Möglichkeiten aufgezeigt, inwiefern sich Sicherheit und Fahrkomfort sowie Lebensdauer ihres Fahrzeugs verbessern lassen.
230 Logistikpartner
Serviceberater, die etwas von ihrer Arbeit verstehen, sorgen für eine hohe Werkstattauslastung. Eine Steigerung der Arbeitsaufträge führt zu einem enormen Logistikaufwand in der Serviceorganisation. Ford-Partnern wird die branchenübliche tägliche Belieferung mit Kfz-Ersatzteilen garantiert. Neuteile und Komponenten der so genannten zweiten Teile-Schiene „Motorcraft“ schickt Ford nach einem zweistufigen System auf den Weg: Die erste Stufe ist das zentrale Teile-Vertriebszentrum am Unternehmenssitz. Von dort wird die Teileversorgung an die Ford-Ersatzteilhändler organisiert. Diese 230 Handelspartner fungieren als autorisierte Ford-Ersatzteilhändler (AFEH) und beliefern die übrigen Partnerbetriebe.
Neuland Hochvolttechnik
Seit Kurzem ist der Ford Focus Electric in Deutschland bestellbar. Die neue Technologie erfordert intensive Vorbereitung und Training, wie Reinhard Zillessen eine künftige Herausforderung für die Ford-Serviceorganisation beschrieb. Die Durchführung des geplanten Drei-Phasentrainings verantwortet er nicht selbst: Mit der Stabübergabe am 1. Juli kümmert sich sein Nachfolger Axel Wilke als Servicedirektor um die Weiterbildung im Servicenetz. Das Programm ist aufgeteilt in ein E-Learning-Modul zur Vorbereitung, ein zweitägiges Präsenztraining sowie nachfolgende Produktschulungen. Zum Start verlangt die Service-Organisation noch nicht, dass jeder Betrieb mindestens zwei geschulte Fachkräfte hat – schließlich dürfte es sich beim 39.990 Euro teuren Ford-Stromer um keinen Verkaufsschlager handeln. Mittelfristig müssen die Partner jedoch schon mehrere Spezialisten vor Ort haben.
Martin Schachtner
Zu den Personen
Jahrgang 1961
BWL-Studium in Köln und an der Penn State
Seit 1989 bei der Ford-Werke GmbH
Seitdem bekleidete er zahlreiche Führungspositionen in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Service – sowohl in der deutschen als auch der europäischen Ford Organisation.
Von 2010 bis 30. Juni 2013 Direktor der deutschen Ford Service Organisation
Seit 1. Juli Marketingdirektor von Ford in Deutschland
Jahrgang 1961
BWL-Studium in Köln
Seit 1981 für Ford tätig
Zwischen 1998 bis 2007 verantwortete er das Marketing der deutschen und der europäischen Ford Service Organisation. 2007 wechselte er für drei Jahre auf die Position des Marketingdirektors der Ford-Werke GmbH. Zuletzt hatte Wilke als Direktor Vehicle Personalization die Verantwortung für die Individualisierung und Veredelung aller europäischen Ford Modelle.
Seit 1. Juli Servicedirektor von Ford in Deutschland
Bisherige Teile der Serie
Teil 1: PSA in asp 12/2012, ab Seite 10
Teil 2: Saab in asp 04/2013, ab Seite 10
Teil 3: Daihatsu in asp 04/2013, ab Seite 10
Teil 4: Toyota/Lexus in asp 06/2013, ab Seite 12
- Ausgabe 7/2013 Seite 10 (7.8 MB, PDF)