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Chery-Pläne: Europa im Visier

16.01.2024 06:00 Uhr | Lesezeit: 2 min
© Foto: Chery

Bislang war Chery für viele unter dem Radar. Doch die Chinesen sind schon jetzt Export-Meister und kommen nun auch nach Europa. Dabei zielen sie nicht auf die elektrische Elite, sondern wollen bürgerlichen Marken mit konventionellen Autos das Leben schwermachen.

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Der erste Moment hat etwas Gespenstisches. Denn wer die so genannte Mega-Fabrik des chinesischen Autoherstellers Chery am Stammsitz in Wuhu betritt, sieht nach dem Pförtner kaum mehr eine Menschenseele. Draußen sucht man vergebens nach Parkplätzen fürs Personal und die in China üblichen Wohnhäuser für riesige Belegschaften und drinnen sieht man nur einsame Flure, über die alle Viertelstunde mal ein einzelner Mitarbeiter huscht. Und das das liegt bei weitem nicht daran, dass hier nichts zu tun wäre. Schließlich läuft hier jede Minute ein neues Auto vom Band und die Jahreskapazität beziffert Chery mit bei 300.000 montierten und noch einmal 200.000 für andere Werke vorbereiteten Autos.

98 Prozent der Arbeit von Roboter und Maschinen

Das liegt an der nahezu konkurrenzlos hohen Automatisierungsquote: "98 Prozent aller Arbeiten werden hier von Robotern und Maschinen erledigt", sagt Zhang Guibing während automatische Flurförderfahrzeuge wie von Geisterhand gesteuert autonom durch die Gänge surren und so den Materialfluss zu den Montageroboten sicherstellen.

Zhang Guibing ist Chef von Chery International und will dafür sorgen, dass die 662 Roboter und die gerade mal 2.000 vor allem in der Endmontage und in der Qualitätssicherung eingesetzten Mitarbeiter bald noch mehr zu tun haben. Denn um die kontinuierlich zweistelligen Wachstumsraten bei Chery zu halten, drängt das Unternehmen jetzt auch nach Europa und will mit gleich drei Marken und mittelfristig fast einem Dutzend Modellen in der alten Welt durchstarten.

Die Flotte dafür unterscheidet sich grundlegend von der vieler anderer Neueinsteiger aus China. Denn anders als etwa BYD, Ora oder XPeng lässt sich Chery nicht von der elektrischen Euphorie mitreißen, sondern hält dem Verbrenner die Treue: Die Zukunft mag dem Elektromotor gehören, räumt Strategiechef Zhu Shaodong ein. Doch hat diese Zukunft noch nicht überall begonnen und weil viele nicht erst morgen mobil sein wollen, sondern auch heute fahren möchten, hält er dem Verbrenner die Treue; "Die ersten Autos für Europa werden ganz normale Benziner sein", sagt Zhu, "selbst wenn denen schnell auch Plug-in-Hybride und reine E-Modelle folgen."



Der Weg ins Ausland ist für die Chinesen dabei nichts Neues. Das 1997 in Wuhan, fünf Fahrstunden nordwestlich von Shanghai gegründete Unternehmen hat bereits 2001 sein erstes Auto nach Syrien exportiert, ist mittlerweile in 80 Ländern vor allem in Asien, Südamerika, Afrika und Arabien präsent und schafft mehr Autos außer Landes als jeder andere Hersteller in China: Im ersten Halbjahr 2023 lag die Exportquote zum ersten Mal bei mehr als 50 Prozent. Bei einem Volumen von 1,2 Millionen Fahrzeugen im letzten und prognostizierten 2,0 Millionen in diesem Jahr kommt da einiges zusammen.

Europa im Visier: Erster gesättigter Markt

Gingen die bislang allerdings fast ausschließlich in Schwellenländer, nehmen sie nun mit Europa den ersten voll entwickelten, gesättigten Markt in Angriff, müssen sich etablierten Wettbewerbern stellen und ihr Heil in der Verdrängung suchen. "Da fühlen wir uns wie Grundschüler und fangen wieder bei null an", gibt sich Zhang Guibing bescheiden. Lernen wollen sie dabei vor allem von den Asiaten und setzen sich ambitionierte Ziele: "Die Japaner haben 20 Jahre gebraucht, die Koreaner zehn, wir wollen schneller sein und bald das Verkaufsniveau von Hyundai und Kia erreichen", gibt sein Strategiechef Zhu als Zielvorgabe aus. Und anders als Nio & Co. wollen sie nicht das System auf den Kopf stellen, sondern sich an die gängigen Regeln halten, sagt Zhu. Das gilt vor allem für den Vertrieb. Website statt Showroom? Flatrate statt Kaufpreis? Solche Experimente sollen andre machen: "Wir setzen auf ein klassisches Händlernetz und das Knowhow der lokalen Partner."

Omoda 5
© Foto: Chery

Im und um ihre Megafabrik am Stammsitz haben die Chinesen alles vereint, was es zum Automobilbau braucht: Es gibt nicht nur Press- und Stanzwerke, Montage und Lackierung, sondern auch Motoren und Getriebe werden hier auf dem Gelände gebaut. Und nur einen Steinwurf weiter ist das Gros der Entwicklung angesiedelt und eines der größten Testcenter im ganzen asiatischen Raum: Klar, Klimakammern und EMV-Prüfstände gibt es überall und Schüttelböcke für die Marterungen der NVH-Absicherung (Noise, Vibration, Harshness) auch. Doch keiner hat so eine geschäftige Crashhalle wie wir, sagt Hausherr Wuhai Zhong über das im Jahr 2010 eröffnete Sicherheitscenter. Allein hier arbeiten 1.000 Ingenieure, die auf der 260 Meter langen Crashbahn mit den strahlenförmigen Kollisionspfaden pro Jahr 300 bis 400 Autos gegen die Wand oder gegeneinander fahren. Die unzähligen Schlittenversuche mit Komponenten nicht mitgerechnet. Auch hier in der Halle spiegelt sich der globale Anspruch der Chinese wider, und zwar nicht nur, weil die Fahnen aller Länder von der Decke hängen: "Wir können hier jeden Crashtest fahren, der irgendwo in der Welt verlangt wird", sagt Wuhai stolz.

Zwar baut Chery in China gerade eine Mega-Fabrik nach der andren und hat vor wenigen Wochen in Quingdao bereits die nächste eröffnet – natürlich direkt am Hafen, was für den Exportmeister natürlich besonders geschickt ist. Doch heißt das nicht, dass sich Chery nicht auch in Ausland umschauen würde. Zehn Montagewerke haben sie deshalb schon in Afrika, Asien und Südamerika und in Europa sind sie auch längst auf der Suche, sagt Außenminister Zhang: "Denn wenn wir es ernst meinen mit dem europäischen Engagement und unsere Wachstumspläne aufgehen, dann sollte es an Kapazitäten nicht scheitern."

 

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