Magnetische Stromkabel? So etwas hatte Klaus Kreß noch nie gesehen. Wie auch? Als promovierter Ingenieur weiß er, dass Kupfer, aus dem der Draht in Stromkabeln gemacht ist, nun einmal kein magnetisches Metall ist. Deswegen bekam der Leiter der Zertifizierungsstelle beim Verband der Elektrotechnik (VDE) mächtig große Augen, als ihm ein solches Kabel in die Finger kam. Aber die Gesetze der Physik mussten nicht neu geschrieben werden. Eine Analyse ergab: Das Kabel war aus Eisen. "Kunstvoll angestrichen und isoliert", erinnert sich Kreß. Eine billige Fälschung. Und dazu eine ziemlich gefährliche. "Denn Eisen hat einen viel höheren Durchgangswiderstand", erklärt der VDE-Mann. Es ist zwar dramatisch günstiger als Kupfer, aber wenn Strom fließt, entwickelt sich deutlich mehr Hitze und das Kabel kann Feuer fangen. Ein Hersteller von Heizkörpern hatte die Leitungen eigentlich in seine Geräte einbauen wollen. "Der hat sich gewundert, warum die Kabel wärmer wurden als seine Heizungen", erzählt Kreß. Auch in der Industrie wird gefälscht, kopiert und billige Qualität mit unechten Prüfsiegeln beklebt. Aber anders als bei einer falschen Jeans kann so eine Fälschung schnell lebensgefährlich werden - bei Stromkabeln genau wie bei nachgebauten Autobremsklötzen. Dazu kommt der volkswirtschaftliche Schaden, den Plagiate anrichten: Auf insgesamt bis zu 500 Milliarden Euro pro Jahr schätzt ihn die Industrie. Entsprechend ernst ist ihr der Kampf gegen die Fälscher. Prüfstellen wie der TÜV Süd oder die VDE-Zertifizierer stellen die Urheber gefälschter Prüfsiegel im Internet an den Pranger (s. Infobox unten unter "Mehr im Netz"). "Das ist unsere schärfste Waffe", sagt Kreß. Auf einer schwarzen Liste führen sie die Lizenzfälschungen der vergangenen fünf Jahre auf. Die Resonanz aus der Industrie ist gut. Manchmal komme schon am Tag nach der Veröffentlichung die Rückmeldung von Weiterverarbeitern, die beinahe bei einem überführten Fälscher bestellt hätten.
Produktpiraterie: Internet-Pranger zeigt Schwarze Schafe

Produktpiraten fälschen nicht nur Uhren, sondern auch Prüfsiegel, Bauteile, ganze Maschinen. Teil der Abwehrstrategie sind Internet-Pranger. Der TÜV Süd führt eine solche öffentliche Schwarze Liste.