Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 2. März 2010 darüber entschieden, ob für ein als "Unikat" anzusehendes Fahrzeug nach einem Unfall ein über den Wiederbeschaffungswert hinaus gehender Schadensbetrag abgerechnet werden kann (Az. VI ZR 144/09). Im Streitfall ging es um einen 1966 erstmals zugelassenen Wartburg 353 mit Rahmen und Ausstattung eines 353 W.
Der Unfallverursacher wollte Schadensersatz nur in Höhe des Wiederbeschaffungswerts von 1.250 Euro leisten. Der Wartburg-Besitzer hingegen verlangte 2.950 Euro, da ein vergleichbares Fahrzeug mit Oldtimer-Zulassung auf dem Gebrauchtwagenmarkt nicht zu erwerben sei. Er müsse daher einen Wartburg 353 kaufen und diesen mit Originalteilen in einen Wartburg 353 W umbauen. Mit der Argumentation konnte er in erster Instanz das Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal überzeugen, nicht aber in der Berufung das Landgericht Chemnitz.
Auch die Richter des sechsten Zivilsenats des BGH ließen den Kläger abblitzen und bestätigten das Urteil des Landgerichts. Unabhängig davon, ob eine Wiederherstellung der beschädigten Sache möglich sei oder nicht, sei der Schadensersatzanspruch auf die Höhe des Wiederbeschaffungswerts beschränkt, so die Begründung. Diesen Wert habe das Landgericht ohne Rechtsfehler auf 1.250 Euro geschätzt. Die Summe sei der vom Kläger selbst vorgelegten Wertermittlung entnommen. Dort hatte er eingeräumt, Fahrzeuge vom Typ Wartburg 353 W seien am Markt ohne weiteres zu diesem Preis erhältlich.
"Auf den Wert des Materials und der Arbeitsleistung für die vom Kläger in Eigenarbeit vorgenommene Umrüstung seines Fahrzeugs kann nicht abgestellt werden. Auch soweit die Revision darauf hinweist, dass dem Kläger bei einer Ersatzbeschaffung die Vorteile einer Oldtimerzulassung verloren gehen könnten, kann sie keinen Erfolg haben", heißt es wörtlich in der Urteilsbegründung.
Experte: Keine oldtimerrechtliche Entscheidung
Trotz dieses Hinweises auf den Oldtimer-Markt darf die BGH-Entscheidung laut Verkehrsrechts-Fachanwalt Dr. Götz Knoop, Vizepräsident des Bundesverbands für Clubs klassischer Fahrzeuge (DEUVET), nicht primär als oldtimerrechtliche Entscheidung gewertet werden, sondern als Einzelfallentscheidung, die zu einem Unikat ergangen ist. Knoop zufolge lässt sich aus der Urteilsbegründung keine Stellungnahme zu der Frage entnehmen, ob bei Oldtimern das so genannte Integritätsinteresse über die allgemein gültige 130-Prozent-Grenze geht, ob also bei einem Oldtimer-Unfall Reparaturkosten auch dann abgerechnet werden können, wenn diese Grenze überschritten wird und ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt.
"Ein rechtlicher Anknüpfungspunkt dazu ist durchaus vorhanden. Schließlich hat der Staat Fahrzeuge mit H-Kennzeichen bereits als automobiles Kulturgut akzeptiert und somit als erhaltenswert anerkannt. Ein Argument, das in der Entscheidung des BGH nicht angesprochen wurde." Sofern die Konstellation des wirtschaftlichen Totalschadens beim Oldtimer relevant werde, sollte man Argumente ins Feld führen, die der BGH in seiner Entscheidung nicht angesprochen hat, empfiehlt Knoop. Als Beispiel nennt er die Anerkennung des jeweiligen Fahrzeugs als automobiles Kulturgut, wozu dem Gericht dann natürlich auch das entsprechende Gutachten vorzulegen ist. "Zudem sollten dem Gericht Informationen zu den Besonderheiten des jeweiligen Fahrzeugs präsentiert werden, wie etwa die noch verfügbaren Fahrzeuge und deren Anzahl", rät der Jurist abschließend. (ng)