Fast ist es wie beim Verkauf physisch existenter Räder: Kunde sieht, wählt aus und zahlt die Rechnung. Statt echter Räder sieht der Kunde deren Abbild auf einem Tablet-PC, welches der Verkaufsberater mit an das betreffende Fahrzeug nehmen kann, alle relevanten Funktionen eingeschlossen. Warum nicht schon andere auf diese Idee kamen, ist unklar. Den ersten Prototypen des Tab 1 sahen Besucher der Messe Reifen 2014 in Essen. Während der letzten Auto Zum in Salzburg zeigte die Saitow AG (vormals Tyre24 GmbH) die Serienversion. Seither ist das Beratungs-Tool verfügbar. Zielgruppe sind Autohäuser, Werkstätten und spezialisierte Reifenhändler. Michael Saitow, Vorstand der Saitow AG, erklärt seine Idee so: "Wir sind dabei, On- und Offline miteinander zu verschmelzen. Beratung, Preisvergleich, bis hin zum tatsächlichen Abschluss, führt künftig unwiderruflich über beide Kanäle. Diese Entwicklung macht auch vor dem Reifenhandel nicht halt. Egal ob klassischer Teilehändler, Vertragswerkstätte oder stationärer Reifenhandel, vor dem Hintergrund des steigenden Online-Absatzkanals muss sich bei der stationären Reifenvermarktung komplett etwas ändern. Um Kunden zu binden und neue zu gewinnen, reicht es nicht mehr aus, nur gute Preise zu haben. Die Kunden erwarten heutzutage einen perfekten Service und eine professionelle und individuelle Beratung. Der Reifen- oder Felgenkauf muss zu einem Erlebnis werden. Die Vision hinter dem Tab 1 ist eine konsequente Ausrichtung und Zuwendung zum Kunden - also weg vom grauen Bildschirm, hin zum Kunden und an das Fahrzeug." Kurzum: Kunden sollen wieder zum Handel gebracht werden, indem der Handel auf die Kunden zugeht.
Benutzerfreundliche Software
Der Tablet-PC mit handlicher 10,1-Zoll-Bilddiagonale, Auflösung 1.280 x 800 Pixel und "gestochen scharfen Bildern" (O-Ton) stammt vom Hersteller Archos und wurde speziell für den Auftraggeber Saitow AG eingerichtet. Wozu auch gehört, dass nur dessen Software genutzt werden kann. Und diese selbst entwickelte Software hat es in sich. Die Zielgruppe erhält den Tab 1 vollständig vorkonfiguriert. Heißt: Passwort eingeben, ggf. ein Logo hinterlegen - fertig. Fünf verschiedene, Endkunden-bezogene Kalkulationsstufen bieten stets den Wechsel in den Beratungsmodus, also Ausblenden der Einkaufspreise. Mögliche Vorselektionen von Rädern und Reifen beziehen sich auf Lieferzeitpunkt und Preisbereiche. Geht es um Räder, lässt sich der Konfigurator auf das Kundenfahrzeug einstellen, was Außenfarbe des Fahrzeugs, Zollgröße und Einpresstiefe der Räder einschließt. Das Fahrzeugbild ist drehbar und lässt sich mit den Fingern verschieben.
Der Tab 1 greift auf den Warenbestand der Handelsplattform Tyre24 zurück, die ihren Namen ungeachtet der Namensänderung ihres Betreibers beibehalten hat. Für jedes dieser Produkte ist in der Software des Tablet-PC eine eigene Detailseite hinterlegt, die im Fall von Reifen beispielsweise Profilbilder, Labeldaten und Testergebnisse beinhaltet.
Integriertes Payment-System
Ist beim Kunden die Kaufentscheidung gefallen, sorgt das integrierte, so genannte Payment-System für die Bezahlung, selbstverständlich verschlüsselt. Verschlüsselt ist übrigens die gesamte Datenübertragung zum Tablet-PC.
Der Vertrieb des Tab 1 erfolgt über den Außendienst der Saitow AG (das Unternehmen im Internet: http://saitow.ag). Lieferbar sind derzeit zwei Pakete, das Starter- und das Business-Paket für monatlich 25 bzw. 29 Euro Miete. Laufzeit in beiden Fällen: zwei Jahre. Bei allen Paketen inklusive sind die Grundsatzdienstleistungen wie Updateservice und kostenlose Hotline. Beim Business-Paket kommen Möglichkeiten und Dienstleistungen wie Darstellung eigener Bestände, Integration diverser Payment-Anbieter, Anbindung aller Warenwirtschaftssysteme und Inbetriebnahme des Tab 1 vor Ort durch den Saitow-Außendienst hinzu. Möglich sind hier auch individuelle, auf die Bedürfnisse von Autohaus oder Werkstatt zugeschnittene Lösungen.
Künftige Weiterentwicklungen
Was für Räder und Reifen möglich ist, das ist auch für andere Produkte, zum Beispiel Verschleißteile, machbar, zumal das Angebot von Tyre24 erst kürzlich um Verschleißteile erweitert wurde. Hier ist also künftig noch einiges zu erwarten. Auch soll der Tab 1 "künftig komplett in die Dialogannahme der Autohäuser integriert werden" (O-Ton Saitow AG).
Kurzinterview
Fünf Fragen an ...Marcel Schmidt, Kfz-Technikermeister und Serviceberater des Mercedes-Benz-Autohauses Torpedo Garage in Mannheim
Wie haben Sie Kunden zuvor beraten und bedient? Was genau ist mit dem Tab 1 nun besser?Als Serviceberater hat man ein Gehör für Kundenwünsche, zum Beispiel Räder. Bisher waren Serviceannahme - und Teileverkauf getrennt, weshalb wir"auf Zuruf" arbeiteten. Das heißt, entweder habe ich den Kollegen im Lager angerufen, um mal schnell Auskunft zu erhalten, wobei es häufig nicht bei einem Telefonat blieb. Oder ich habe den Kollegen am Nachbarschreibtisch gefragt. Aus heutiger Sicht war beides nicht wirklich professionell. Das hat sich nun geändert; mit dem Tablet-PC brauche ich das Lager nur noch zum Zubuchen der eingetroffenen Räder auf den Auftrag.Wie viel Kunden haben Sie bereits auf diese Art bedient?Gezählt habe ich sie nicht, gefühlt waren es 20 bis 30 Kunden.Wie haben diese Kunden reagiert?Manche schauten zunächst skeptisch, vermutlich weil sie das nicht kannten. Als Resonanz kam jedoch nur Positives.Waren manche Kunden vielleicht auch deshalb zunächst skeptisch, weil sie von einem Markenbetrieb mit Stern nur Räder mit Stern erwarteten? Stattdessen bekamen sie Angebote auch aus dem freien Markt.Jein. Diesbezüglich sind wir bereits seit Längerem flexibel und bieten unseren Kunden einen Plan B, der, wenn möglich, auch aus instandgesetzten Komponenten - Stichwort Steuergeräte - oder aus Gebrauchtteilen bestehen kann. Natürlich versuchen wir, soweit es machbar ist, Originalteile zu verkaufen. Doch an erster Stelle steht für uns die Kundenzufriedenheit, und dazu gehört auch preisliche Zufriedenheit. Mittlerweile sind viele Kunden sehr preissensibel.Diese Aussage hört man nicht von jedem Markenbetrieb.Anders wird Autoservice künftig nicht mehr funktionieren.
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Bewusstseinserweiterung
"Unterstützende Augmented-Reality-Funktionen ermöglichen es der Servicewerkstatt, die Diagnose und Reparatur schneller, effizienter und verlässlicher durchzuführen", argumentiert man in der Aftermarket-Organisation von Continental und bietet auch markengebundenen Werkstätten eine Diagnosesoftware mit entsprechender Funktionalität an. Die Sofware ist modular aufgebaut und besitzt einen selbst lernenden Algorithmus, der Fahrzeugdaten mit Symptomen, Diagnose-, Erfahrungs-, Umgebungs- und Umweltdaten verknüpft. "Dadurch lässt sich die individuell wahrscheinlichste Fehlerursache ermitteln", so Continental. Der Arbeitsplan, den die Software nach dem Auslesen der Diagnosedaten erstellt, bietet sowohl Kundschaft als auch Werkstatt eine zu ca. 95 Prozent genaue Prognose des zeitlichen Reparaturaufwands.Continental Aftermarket GmbH www.vdo.com