Interview mit Hans Eisner
Hans Eisner steht als CEO an der Spitze der Group Auto Union International (GAUI), einer der größten international tätigen Teilehandelskooperationen im freien Markt. Der Verbund aus 22 Einzelorganisationen ist aktuell in 30 Ländern aktiv und repräsentiert einen Jahresumsatz von rund 4,5 Mrd. Euro.
All Business is local, besagt eine Standardphrase der Betriebswirtschaft. Weil betriebswirtschaftliche Entwicklungen, allen voran die Internationalisierung, auch vor dem freien Teilemarkt nicht haltgemacht haben, haben sich in den letzten 20 Jahren im freien Teilemarkt internationale Verbünde gegründet, die global organisiert sind, aber lokal handeln. Zu diesen gehört auch die Group Auto Union International (GAUI), derzeit noch mit Sitz im südfranzösischen Biarritz. Hans Eisner, bis Ende 2007 Geschäftsführer einer deutschen Teilehandelskooperation, hat zum 1. Januar 2008 die Geschäftsführung der internationalen Kooperation GAUI übernommen. Warum die Internationalisierung auch für den freien Teilehandel notwendig ist, welche Strategien die GAUI verfolgt und wie Werkstätten und Teilehandel in Deutschland durch die internationale Organisation profitieren, hat uns der GAUI-Geschäftsführer im Gespräch erklärt.
Herr Eisner, die GAUI repräsentiert einen Jahresumsatz von rund 4,5 Mrd. Euro. Trotzdem ist das Unternehmen in der Öffentlichkeit kaum bekannt. Warum?
Das ist durchaus gewollt. Es macht für die GAUI wenig Sinn, eigene Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Wir richten uns nicht an Endverbraucher, sondern wir sehen unsere Rolle als Vermittler oder Netzwerkbilder zwischen Industrie, Handel und Werkstätten.
Können Sie kurz die Geschichte der GAUI und ihre Hauptaufgaben skizzieren?
Die GAUI hat ihren Ursprung in Frankreich und wurde 1990 von Gérard Leduc gegründet. Gründungsmitglieder der Kooperation waren Frankreich, Spanien und Deutschland. Sie ging aus einer französischen Organisation hervor und war zunächst eine europäische Interessenvertretung ohne Kapitalausstattung und eigene Organisation. 2005 wurde die GAUI in eine französische AG mit zunächst 13 Gesellschaftern umgewandelt. Alle Gesellschafter sind entsprechend ihrer Anteile auch Aktionäre an dieser AG. Ganz wichtig ist, die Aktionärsposition ist nicht statisch, sondern sie verändert sich.
Wie funktioniert das?
Die Aktienanteile verändern sich in dem Maße, in dem sich die Einkaufsvolumina der einzelnen Aktionäre, also der Landesorganisationen wie die neue Group Auto Union Deutschland, bei den Lieferanten verändern, die bei der GAUI eine Referenzierung haben. Wir erreichen über diesen Weg eine größere Bereitschaft der Aktionäre, ihre Einkaufsvolumina auch auf die referenzierten Lieferantenpartner zu konzentrieren, also eine höhere Loyalität gegenüber den gelisteten Lieferanten. Die Anpassung der Aktionärsanteile erfolgt alle zwei Jahre auf Basis der in den beiden Vorjahren erzielten Umsätze.
Wer gibt strategisch die Richtung vor?
Im Prinzip der Geschäftsführer zusammen mit dem Board of Directors. Das besteht aus sieben Personen, wird von der Gesellschafterversammlung für drei Jahre gewählt und unterstützt den CEO, also seit Januar 2008 mich, bei der Weiterentwicklung der GAUI. Neue Strategien und Projekte stimmen wir dabei vor allem mit den 22 GAU-Landesorganisationen ab. Da die im Board of Directors vertretenen Länder Frankreich, Italien, Spanien, Türkei und Deutschland nahezu 50 Prozent des Gesamtumsatzes der GAUI repräsentieren, hat deren Wort in der gesamten Gruppe Gewicht, was die Abstimmung erleichtert.
Sie sagen, die Rolle der GAUI ist die eines Vermittlers zwischen Industrie, Handel und Werkstatt. Wie muss man sich das konkret vorstellen?
Unsere Arbeit konzentriert sich einerseits auf die Ebene des Teilehandels und andererseits auf die Ebene der Teilereparatur, und das jeweils für Pkw und Lkw. Im Pkw-Bereich arbeiten wir mit der Handelsgruppe und dem Werkstattsystem unter dem Titel Eurogarage, wobei es hier landesspezifische Ausprägungen gibt. Im Lkw-Bereich haben wir die Handelsgruppe G-Truck und die dazugehörigen Werkstätten heißen Top Truck.
Die Werkstattsysteme spielen demnach eine wichtige Rolle im gesamten System?
Ja, unbedingt. Die GAUI ist keine Einkaufskooperation. Wir haben Einkauf plus Marketing. Die Werkstattkonzepte sind das tragende Element dabei, um einerseits den Gesellschaftern zu helfen, sich in ihren Märkten vernünftig zu etablierten. Zum anderen ist es natürlich auch reizvoll für die Lieferanten, mit unserer Organisation zusammenzuarbeiten, denn wir bringen sie direkt an die Werkstattkunden.
Wie weit reicht die Marktausdehnung?
In Europa haben wir aktuell noch weiße Flecken in Skandinavien und dem Baltikum. Ansonsten bleibt in Zentraleuropa nur noch die Schweiz und Luxemburg. In allen anderen Ländern ist die GAUI heute schon präsent. Seit 2008 haben wir zudem eine erfolgreiche Organisation in Brasilien, die sehr aktiv ist und schnell wächst. Seit 1. Januar 2009 gibt es eine neue GAU Rumänien, mit insgesamt drei Gesellschaftern. Die GAU Adria mit den Ländern Kroatien, Slowenien, Bosnien, Serbien, Montenegro, Mazedonien und Albanien wurde zum 1. Juli gegründet. Und die jüngste GAU-Organisation ist im Juli 2009 in Deutschland entstanden. Gesellschafter hier sind die Coparts Autoteile GmbH, die bislang auch schon GAUI-Gesellschafter war, und die Select AG, die 50 Prozent der GAUI-Anteile der Coparts übernommen hat. Insgesamt kommen wir so auf 22 GAU-Organisationen, die in 30 nationalen Märkten aktiv sind, mit einem Netz von knapp 900 Teilehändlern und rund 3.800 Werkstätten für Pkw und 250 im Nkw-Bereich.
Erwirbt Ihr Unternehmern zur Besetzung weißer Flecken auch bestehende Händler?
Nein, die GAUI beteiligt sich nicht an Handelshäusern. Wir sind nicht die Inhaber oder Teilhaber an Handelsunternehmen, sondern diese sind über die nationalen GAU-Unternehmen unsere Gesellschafter. Wir arbeiten für sie. Und die Leistung, die wir für die Gesellschafter erbringen, wird über klar strukturierte und transparente Gebühren mit monatlichen Zahlungen der Gesellschafter abgegolten.
Welchen Ihrer Landesorganisationen trauen Sie in den nächsten Jahren die stärksten Wachstumsraten zu, was den Pkw-Aftermarket anbetrifft?
Ich denke, starkes Potenzial haben unverändert die osteuropäischen Märkte Russland und die Ukraine, wenn sich die wirtschaftliche Lage wieder festigt, aber auch die Türkei. Zudem sehe ich trotz der jetzt schon beachtlichen Umsätze von über 500 Mio. Euro pro Jahr in Brasilien noch viel Potenzial. In Deutschland, Frankreich oder Italien, den etablierten Märkten, müssen wir alles daran setzen, das erreichte hohe Niveau auch künftig zu halten.
Wie ist die Konkurrenzsituation bei Ihren 22 Organisationen im Pkw-Aftermarket? Gibt es überall eine vergleichbare Dominanz der Automobilhersteller wie in Deutschland?
In vielen Ländern ist der Anteil des freien Markts weitaus höher als in Deutschland. Das sieht man sehr deutlich in den südlichen Ländern. Aber auch in den östlichen Ländern ist zu beobachten, dass die Anteile im freien Markt wesentlich höher sind als im OES-Geschäft. Ich gehe davon aus, dass in bestimmten Märkten, dazu gehört auch Deutschland, das Geschäft mit preiswerteren Leistungen im Ersatzteil- und Reparaturbereich eher zunehmen wird. Das ist eine Entwicklung, die gegen eine fortdauernde Dominanz des OES-Geschäfts spricht. Aber sie ergibt sich zwangsläufig aus den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Zurück zu Ihren Aufgaben: Was tut die GAUI für Ihre Gesellschafter und Partner?
Wir sind natürlich weltweit mit unseren Partnern auf wichtigen Messen vertreten. Ganz wichtig ist der Erfahrungsaustausch innerhalb der Organisation. Wir veranstalten alle zwei Jahre einen GAUI-Kongress und im Wechsel ein Supplier-Meeting. Dort werden nur Fachgespräche zwischen der Industrie und den Händlern geführt. Dabei treffen die Kunden aus der Industrie innerhalb von zweieinhalb Tagen Teilnehmer jeder nationalen Organisation. Das ist eine sehr effektive Veranstaltung, die von Händlern und Lieferanten der Industrie gleichermaßen geschätzt wird. 2010 findet dieses Treffen in Budapest statt.
Was sind weitere Kernaufgaben?
Zu unseren Kernaufgaben gehört selbstverständlich die Referenzierung der Lieferanten und natürlich das Thema der Konditionen, wobei wir allerdings keine Einkaufspreise für unsere Gesellschafter verhandeln, Preisverhandlungen erfolgen individuell auf Länderebene. Finanzielle Leistungen der Lieferanten schütten wir komplett an unsere Gesellschafter aus.
Darüber hinaus ermitteln wir für unsere Gesellschafter Zukunftstrends im Reparatur- und Teilegeschäft, erstellen Marktstudien, Marketingkonzepte oder eigene Trainingsveranstaltungen. Im Prinzip übernehmen wir umfangreiche Marketingaufgaben für alle GAUI-Mitglieder. Über deren Umsetzung entscheidet allerdings jeder Gesellschafter selbst. Wir können nur beratend eingreifen und sind nie der Entscheider. Wir müssen unsere Gesellschafter immer vom Nutzen der Maßnahmen, die wir erarbeiten und vorschlagen, überzeugen.
Das klingt, als wären 50 Prozent Ihres Jobs Diplomatie?
(lacht) Sagen wir 75, dann passt es. Nein, Spaß beiseite. Wir können keine Entscheidungen für einen Markt treffen, das müssen die Kollegen tun, die auch für die Umsetzung und damit für den Erfolg verantwortlich sind, es bleibt in der Kooperation nur die Überzeugungsarbeit. Wir verstehen uns aber auch als Ratgeber für unsere Gesellschafter und unterstützen sie bei der Umsetzung der Konzepte. Und das funktioniert ohne Zwang deutlich besser und schneller, wenn man überzeugende Konzepte zu bieten hat.
Was muss ein Teilelieferant bieten, damit er als GAUI-Lieferant referenziert wird?
Es geht bei der GAUI zunächst immer nur um Ersatzteile in Originalqualität, darum konzentrieren wir uns ausschließlich auf die ersten Marken. Diese Lieferanten bieten darüberhinaus Dienstleistungen, die unsere Mitglieder dringend benötigen, um im Tagesgeschäft zu bestehen, als da wären technische Daten und Schulungen, Marketingprogramme und die entsprechende Vor-Ort-Unterstützung und vieles mehr.
Das heißt, China ist kein Thema für Sie?
Was den Teilebezug anbetrifft, ganz klar nicht. Wir haben als Ergebnis unserer Strategie relativ wenig referenzierte Lieferanten. Andere Kooperationen sind da wesentlich offener und haben wesentlich mehr Lieferanten gelistet. Aber wie will man da noch glaubhaft vermitteln, dass man als Kooperation für Lieferanten eine Volumenbündelung als Leistung erbringt?
Bei den Werkstattsystemen verfügt die GAUI mit Eurogarage über eine internationale Dachmarke. Wie sehen hier Ihre Wachstumsziele aus?
Eurogarage ist der internationale Name für das Pkw-Konzept, aber er wird in jedem Land individualisiert, wobei die Dachmarke Eurogarage immer sichtbar ist. Bislang existieren unter Eurogarage rund 4.000 Betriebe in zwölf Ländern. Das klingt zunächst viel, aber allein Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland stellen 3.000 Betriebe. Hier liegt also noch ein großes Wachstumspotenzial. Wir starten in diesen Wochen in Russland mit Eurogarage, weitere Länder werden folgen. Unser Hauptanliegen ist es, die Werkstattkonzepte für den Bereich Pkw und Nkw in allen Länderorganisationen einzuführen. Dabei müssen wir intensive Überzeugungsarbeit leisten. Teilweise müssen wir gemeinsam mit den Gesellschaftern auch erst einmal die Strukturen schaffen, denn sie können kein Werkstattsystem etablieren, wenn vor Ort kein Händler präsent ist.
Welchen Einfluss hat die GAUI-Zentrale auf das Werkstattsystem?
Wir liefern für Eurogarage vier zentrale Bausteine: 1. die einheitliche Signalisierung, wir entwickeln die gesamten Gestaltungsvorlagen; 2. die Werkstattsoftware mit technischem Katalog und technischen Daten; 3. Trainings, sowohl für die Technik als auch für den Verkauf, und 4. Marketingaktionen. Wir werden in diesem Jahr erstmals gleichzeitig in verschiedenen nationalen Märkten eine neue Produktidee über die Werkstattnetze einführen. Das haben wir bislang nur auf nationaler Ebene gemacht.
Es gibt in der GAUI keine einheitlichen Qualitätsstandards für die Werkstattpartner?
Nein, solche Standards gibt es in den nationalen Organisationen, in der internationalen macht das wenig Sinn, denn der Werkstattpartner in Griechenland muss anderen Anforderungen gerecht werden können als der in Deutschland. Die Bausteine, die den Landesorganisationen für die Werkstattsysteme zur Verfügung stehen, sind relativ identisch, es ist aber Sache der jeweiligen Länderorganisationen, was sie daraus machen.
Gibt es Pläne für gemeinsame grenzüberschreitende Dienstleistungen, beispielsweise Mobilitätsgarantien?
Solche Konzepte existieren in Ansätzen, beispielsweise bei Versicherungen für Deutschland, Holland und Frankreich. Es ist leider sehr schwer, die Versicherer bei dem Thema mit ins Boot zu bekommen. Die halten sich sehr bedeckt. Unser Bestreben ist, solche Services auf jeden Fall auszubauen. Denn solche Lösungen haben nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene Sinn.
Wo sehen Sie noch Ansätze für solch übergreifende Projekte?
Mein persönlicher Favorit ist ein gemeinsamer Teilekatalog der GAUI. Jede Landesorganisation kreiert heute ihr eigenes System, mit entsprechendem Aufwand und Kosten. Zumindest in den zentraleuropäischen Ländern werden die Fuhrparks immer ähnlicher, die spezifischen Daten der wichtigsten Märkte sind vorhanden. Darum hat es aus meiner Sicht wenig Sinn, dass jeder auf Dauer seinen landesspezifischen Katalog produziert. Zumal man länderspezifische Besonderheiten bei Online-Systemen leicht integrieren kann. Es geht dabei aber nicht nur um die reinen Katalogdaten, sondern auch um technische Informationen, also Reparaturdaten, Wartungsinformationen und dergleichen. Durch eine gemeinsame Lösung ließe sich nicht nur viel Geld sparen. Die Synergien im Bereich der Werkstatt-Software helfen allen GAUI-Gesellschaftern und Kunden und wären ein zusätzlicher Wettbewerbs- und Kostenvorteil.
Herr Eisner, vielen Dank für das Gespräch.
Frank Schlieben