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Schatzsucher

21.10.2008 12:02 Uhr
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Vorgabezeiten

Geld verdienen wird Werkstattunternehmern heute nicht leicht gemacht. Um so schlimmer, wenn sie für die erbrachte Leistung nicht ihren gerechten Lohn erhalten. Die Interessengemeinschaft Fahrzeugtechnik und Lackierung e.V. macht sich zum Wohl aller Werkstätten auf die Suche nach verschwundenen Vorgabezeiten.

EDV-Systeme sind eine feine Sache. Sie helfen Werkstattunternehmern bei Planung und Organisation, bieten eine nie gekannte Übersichtlichkeit oder ermöglichen es, innerhalb kürzester Zeit einen Unfallschaden zu kalkulieren und eine Rechnung zu generieren. Doch Computer und Software sind nur so gut wie die Menschen, die sie programmieren. Dabei können Fehler passieren, die dann Menschen, die mit den Systemen arbeiten, bares Geld kosten. Solche Fehler aufzuspüren, hat sich die Interessengemeinschaft für Fahrzeugtechnik und Lackierung, kurz IFL e.V., mit Sitz in Bad Vilbel auf die Fahnen geschrieben.

An der Spitze des 2007 gegründeten Vereins stehen mit Friedrich Nagel (1. Vorsitzender), gleichzeitig Präsident des Zentralverbands Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF), und ZDK-Vizepräsident und Bundesinnungsmeister Wilhelm Hülsdonk (2. Vorsitzender) nicht nur zwei verbandspolitische Schwergewichte des Kfz-Gewerbes. Als Kfz-Unternehmer wissen beide genau, wovon sie reden.

Anerkannte Institution

"Das Thema Arbeitswerte und nicht bezahlte Arbeit ist nicht neu. Seit Jahren streiten wir bei Karosserie- und Lackarbeiten beispielsweise mit Versicherern und Gutachtern über das Thema Beilackierung", erzählt Wilhelm Hülsdonk. Diese Arbeit, die für ein optimales Arbeitsergebnis ohne Farbunterschiede unerlässlich ist, bezahlen viele Versicherungen nicht mehr. "Ein guter Lackierer macht das aber dennoch, denn er will dem Kunden ein Auto ohne Farbunterschiede übergeben. Unter dem Strich bedeutet das aber leicht 100 Euro Umsatzeinbuße pro Reparaturauftrag", so Hülsdonk. Doch Beilackierung ist nur einer von vielen strittigen Punkten bei der Kalkulation von Unfallreparaturen. Das Problem dabei: alle namhaften Versicherungen, Gutachter etc. greifen bei ihrer Arbeit auf die Dienste der Schadenskalkulationsprogramme zurück. "Am stärksten im Markt verbreitet sind die Systeme von DAT oder Audatex. Werkstätten, Versicherer, Gutachter, Schadensteuerer, Automobilhersteller – alle nutzen diese Programme. Und weil nicht bezahlt wird, was in diesen Programmen nicht drin ist, konzentriert sich die IFL bei ihrer Arbeit auf diese beiden Systeme", so Wilhelm Hülsdonk.

Die Fehlersuche einer neutralen Institution zu übergeben, an der neben den wichtigsten Verbänden des Kfz-Gewerbes auch Prüforganisationen, Versicherer, Lackindustrie oder freie Sachverständige mitarbeiten, hat die Erfolgsquote deutlich verbessert. "In der Vergangenheit haben Diskussionen um offensichtlich falsche Arbeitszeitvorgaben in den Systemen langwierige Abstimmungen zwischen dem ZDK, dem ZKF, den Softwareanbietern oder auch den Automobilherstellern ausgelöst, die die Grundlage für die Vorgabezeitenkataloge der Softwareanbieter liefern. Seit wir das Thema der von allen anerkannten Institution IFL übertragen haben, gehen Änderungen deutlich schneller vonstatten."

Von der Arbeit der IFL profitieren alle Werkstätten in Deutschland. Denn hat die IFL Fehler in einem Vorgabewert entdeckt, wird der in kurzer Zeit direkt in den Systemen DAT und Audatex korrigiert. "Für die Werkstätten bedeutet jede Korrektur der Vorgabezeiten mehr Geld in der Kasse, was vielen Betrieben auf den ersten Blick gar nicht auffällt", so Hülsdonk.

Bis zu 20 Prozent fehlen

Dabei sind die Korrekturen, die durch die Arbeit der IFL vorgenommen werden, teilweise dramatisch. Die vom IFL an ZKF und ZDK weitergeleiteten technischen Mitteilungen, in denen Mitgliedsbetriebe über Änderungen bei AW-Zeiten informiert werden, entpuppen sich als wahre Schatztruhen. Beispiel Mercedes-Benz: Bei der M-Klasse spürte die IFL für die Erneuerung eines Federbeins an der Vorderachse ein Defizit von 22 AW auf, vorgesehen waren nur 9 statt der benötigten 31 AW; für Aus- und Einbau des Achsschenkels waren noch einmal 4 AW zu wenig angesetzt. "Das macht unter dem Strich 25 AW oder über zwei Stunden Arbeit, die der Werkstatt wegen der fehlerhaften Angaben nicht bezahlt werden", so Hülsdonk.

Solch krasse Abweichungen sind bei den knapp 1.000 Meldungen, die seit Gründung der IFL bearbeitet wurden, keine Seltenheit, wie ein anders Beispiel verdeutlicht. Für den Aus- und Einbau des Dachhimmels mit Glasschiebedach an einem Suzuki Grand Vitara war die in den Kalkulationsprogrammen eingestellte Vorgabezeit viel zu kurz. "Aufgefallen ist das nach mehreren Hagelschadenreparaturen, bei denen die Vorgabezeiten jedesmal deutlich überzogen wurden", erklärt Hülsdonk. In der DAT-Software war die Arbeit mit 7 AW versehen. Tatsächlich benötigt werden aber ganze 40 AW, also fast drei Stunden mehr. "Solch extreme Beispiele sind keine Einzelfälle. Sie zeigen, dass die Fehler bei den Arbeitszeitvorgaben für einen Reparaturbetrieb existenzbedrohende Ausmaße annehmen können", verdeutlicht Hülsdonk. Den Verlust, den Reparaturwerkstätten durch fehlende oder falsch kalkulierte Arbeitswerte bei jedem Auftrag erleiden, pauschal zu beziffern, fällt ihm schwer. Ausgehend vom Gesamtauftrag für eine Unfallreparatur, also von der Anlieferung des Fahrzeugs, der Vorbereitung für Richt- , Karosserieinstandsetzungs- oder Lackierarbeiten bis hin zur finalen Aufbereitung für die Übergabe an den Kunden, sei ein Anteil von bis zu 20 Prozent nicht vergüteter Arbeitszeit aber durchaus denkbar.

In gegenseitigem Einvernehmen

Um strittige AW-Angaben in den Programmen auszuräumen, setzt die IFL auf Kooperation mit Automobilherstellern, Versicherern, Gutachtern und Softwareanbietern. "Ein offenes Wort über offenkundige Fehlangaben führt schneller zum Ergebnis als ein öffentlichkeitswirksam ausgetragener Streit", erklärt Wilhelm Hülsdonk. Zudem hätten alle Beteiligten mittlerweile akzeptiert, dass die IFL nichts fordere, was den Betrieben nicht ohnehin zusteht. "Unser Ziel ist 100 Prozent Lohn für 100 Prozent Leistung, und dem kann sich niemand ernsthaft verschließen wollen." Ist in Ausnahmefällen keine Einigung zu erzielen, dann gibt die IFL auch so genannte REFA-Arbeitsstudien in Auftrag, die dann ermitteln, ob ein vorgegebener Arbeitswert den realen Anforderungen entspricht oder zu knapp kalkuliert wurde. "Das ist allerdings die Ausnahme. In der Regel einigen wir uns einvernehmlich mit Automobilherstellern und Soft-wareanbietern über erforderliche Änderungen", erklärt Hülsdonk.

Änderungen automatisch

Ist eine Einigung erzielt, erfolgt die Änderung in den Softwaresystemen automatisch. Die IFL verschickt zusätzlich regelmäßig über ZDK und ZKF Meldungen zu geänderten Vorgabezeiten an die Kfz-Betriebe. Obwohl die Arbeit der IFL auf ehrenamtlicher Basis läuft, wünscht sich Wilhelm Hülsdonk noch mehr Meldungen aus der Branche über offenkundig falsche Vorgabezeiten. Pro Woche gehen derzeit 10 bis 15 Meldungen von Karosserie- und Lackierbetrieben beim IFL ein. "Wir wünschen uns noch mehr qualifizierte Meldungen, vor allem von Fabrikatsbetrieben, denn die haben bei Fahrzeugen ihrer Marke oft einen höheren Erfahrungsschatz und können besser einschätzen, ob die Zeitvorgabe eines Automobilherstellers zu knapp kalkuliert wurde." Alle eingehenden Meldungen behandelt die IFL anonym. Das Meldeverfahren für Betriebe ist denkbar einfach. Auf der Internetseite der IFL gelangt man direkt zu einem Meldebogen, in den man alle erforderlichen Daten direkt einträgt und den ausgefüllten Bogen dann an die Geschäftsstelle übersendet (siehe Kasten). Werkstätten können Meldungen aber auch über die Innungen, den Landesverband, den ZDK oder den ZKF absetzen. Neben den Korrekturmeldungen verschickt die IFL regelmäßig auch so genannte technische Mitteilungen. "Es kommt auch vor, dass uns Werkstätten Meldungen schi-cken, bei denen beispielsweise die Nichtverwendung von Spezialwerkzeugen Ursache für die als zu knapp bewertete Vorgabezeit ist. Beispiel Opel Agila, bei dem der Kotflügel nur demontiert werden kann, wenn man die Dreiecksscheibe an der A-Säule ausgebaut hat. Einfacher und wesentlich schneller geht es allerdings mit einem von Opel empfohlenen Spezialschlüssel, mit dem man den Kotflügel von innen lösen kann, ohne die Scheibe auszubauen. Weil diesen Hinweis viele Betriebe nicht kannten, haben wir hierzu eine technische Mitteilung gemacht und Audatex und DAT haben in ihren Kalkulationsprogrammen einen Hinweis auf die erforderliche Verwendung des Spezialschlüssels eingefügt", erklärt Hülsdonk. Damit trage die IFL auch zur Qualitätssicherung der Daten in den Kalkulationsprogrammen bei. Zudem arbeitet die IFL auch prophylaktisch, denn die Reparaturleitfäden zum neuen Golf VI hat man in Bad Vilbel schon genauestens geprüft.

Reparaturkosten höher

Dem Einwand, dass Unfallreparaturen durch die Arbeit der IFL für Kunden oder Versicherungen unter dem Strich teurer werden, widerspricht Wilhelm Hülsdonk im Grunde nicht. "Höhere Transparenz stärkt die Gerechtigkeit", sagt er und ergänzt: "Da die IFL mit ihrer Arbeit Änderungen an für die Reparaturkalkulation grundlegenden Systemen bewirkt, sind die Konsequenzen für alle Versicherer gleich. Das Ziel der IFL ist einzig und allein, dass die Kataloge mit den Vorgabezeiten stimmen und für 100 Prozent Leistung auch 100 Prozent Bezahlung für unsere Mitgliedsbetriebe in ZDK und ZKF gewährleistet ist." Frank Schlieben

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