Hochschule Esslingen, Studienschwerpunkt FASE
Wer an der Fakultät Fahrzeugtechnik der Hochschule Esslingen den Studienschwerpunkt Fahrzeugtechnik-Service (FASE) belegt, kommt im neu errichteten FASE-Labor der Servicepraxis recht nahe. Ein erster Einblick.
Eine Werkstatt, von deren Boden man essen könnte, nennt man Labor“, so die Meinung von Klaus Tappeser. Der Ministerialdirektor im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg war einer der Gastredner zur offiziellen Eröffnung des neuen FASE-Labors der Hochschule Esslingen am 19. Januar 2011. Seine Anspielung be- zog sich auf die für Werkstatträume un- gewöhnlich hellen Böden der Pkw- und Nfz-Halle. Zur baulichen Gestaltung der neuen Räume später mehr. Das Kürzel FASE steht für den Studienschwerpunkt Fahrzeugtechnik-Service, den es in Ess-lingen seit 1997 gibt. Die Fakultät Fahrzeugtechnik bietet Studieninteressierten die Auswahl zwischen den vier Schwerpunkten Antrieb, Fahrwerk- und Regel-systeme, Karosserie und eben Service.
Gestern noch in der Werkstatt ...
Die Absolventen des Studienschwerpunkts FASE verlassen die Hochschule Esslingen als „Bachelor of Engineering“ (B.Eng, vor-mals Dipl.-Ing. (FH)) oder ergänzen ihre Ausbildung mit einem Studiengang zum „Master of Engineering“ (M.Eng, vormals Dipl.-Ing.). Gemäß einem Beschluss der Kultusministerkonferenz der Länder vom März 2009 (Stralsunder Beschluss) steht auch Werkstattprofis mit Meisterbrief ein solches Studium offen (vgl. Infokasten „Mit dem Meister zum Master“, Seite 56).
Wissen über servicegerechte Konstruktion, über Betrieb und Instandhaltung sowie über Kundenorientierung und Ser-vice am so genannten Point of Sale – zu diesem Zweck entstand an der Hochschule Esslingen das FASE-Labor. Laborleiter Prof. Peter Schmid, vormals Abteilungsleiter bei Daimler und Smart sowie Werkleiter in der Türkei, daneben seit 1998 Hochschullehrer in Esslingen und heute Pressesprecher der Fakultät Fahrzeugtechnik, formuliert es mit diesen Worten: „Mit der Einrichtung dieses Servicecenters bau-en wir die Brücke zwischen Wissenschaft, Industrie und Servicebetrieben noch wei-ter aus. Wir werden hier ein Institut gründen, um Weiterbildungsmöglichkeiten auch für externe Servicemitarbeiter an- zubieten. Vor allem aber werden unsere Studierenden immer auf dem aktuellsten Stand der Technik im Bereich Service sein. Unsere Studierenden sind damit auch in den Forschungsthemen und den zukünftigen Innovationsfeldern der Servicetechnologie ausgezeichnet vorbereitet.“
Neben dem praktischen Lehrangebot für FASE-Studenten will man in diesem Labor auch das „Center of Automotive Service Technology“ (CAST) einrichten. „Hier können in Zukunft Forschungsprojekte und Industrieaufträge abgewickelt werden. Auch die Simulation von Werkstattprozessen und Diagnose sowie die Prüfung von Servicetechniken am Fahrzeug, beispielsweise neue Antriebe wie Elektromotor, können hier ausgeführt und dargestellt werden“, so die Hochschule Esslingen in einer Pressemitteilung.
Je eine Pkw- und Nfz-Halle
Der in der Esslinger Mühlstraße 5 zwi-schen zwei bestehenden Gebäuden der Hochschule errichtete Neubau des FASE-Labors umfasst je eine Halle für Pkw und Nfz, ein Büro für Laboringenieure und einen Seminarraum. „Die Laboringenieure haben von ihren Büroarbeitsplätzen, ein-gerichtet auf einem eingeschossigen Lagerraum, gute Ausblicke in beide Hallen. Eingehängt in den Luftraum der Pkw-Halle, ermöglicht der Seminarraum Theorie und Praxis eng zu verbinden“, erklärt eine Broschüre das FASE-Labor. Konkret: Der Neubau der Nfz-Halle wurde als ein-geschossiger Hallenbau mit einer Höhe von ca. sechs Metern zwischen den vor-handenen Außenwänden der bestehenden Hochschulgebäude „Bau 3“ und „Bau 6“ errichtet. Eine Raumhöhe von letztlich acht Metern ermöglicht eine Dachkonstruktion mit großem Oberlicht. Für die Verbindung der Nfz- mit der Pkw-Halle wurde eine bestehende Toröffnung im Gebäude „Bau 3“ verbreitert (vgl. Bauplan rechts). Finanziert wurde der Laborneubau mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg (600.000 Euro) sowie mit Eigenmitteln und Sponsorgeldern (400.000 Euro, vgl. Infokaten „Was stammt woher“ auf Seite 55). Das mit steigender Tendenz er- folgende und leider nötige Sammeln von Sponsorgeldern wird neudeutsch auch als „Public-Private-Partnership“ bezeichnet.
Werkstattplanung: Daimler AG
Die Projektdaten des Laborneubaus lauten:
Planungszeitraum: Juli 2007 bis No- vember 2009
Bauzeitraum: November 2009 bis No- vember 2010
Nutzfläche: 370 Quadratmeter
umbauter Raum: 2.470 Kubikmeter
Bauherr: Land Baden-Württemberg
Projektleitung: Vermögen und Bau Ba- den-Württemberg, Amt Ludwigsburg
Planung und Bauleitung: Architekten Kopper und Schenkel, Esslingen
Werkstattplanung: Daimler AG
Der Nachbau eines nahezu vollständigen Werkstattbetriebs dürfte in der deutschen Hochschullandschaft einmalig sein, was dem Ruf der Esslinger Ausbildung nicht schaden wird. Zitat aus einer Selbsteinschätzung im Internet (www.hs-esslingen.de): „Der internationale Wettbewerb in der Automobilindustrie erfordert hohe technische Standards und konsequente Kundenorientierung in Entwicklung, Ver-trieb und Aftersales. Ingenieure sind somit immer häufiger an Schnittstellen zwischen Technik und Wirtschaft sowie in kunden- und vertriebsnahen Bereichen zu finden: als Serviceingenieure bei Automobilherstellern, bei Zulieferunternehmen und als Führungskräfte in den Servicebetrieben. Der Studienschwerpunkt Fahrzeugtechnik-Service (FASE) wird von namhaften Unternehmen gesponsert, die Dozenten kommen direkt aus der Praxis.“
Gesamtdeutsche Auferstehung
Inzwischen steht man an der Hochschule Esslingen mit dem Studienschwerpunkt Service nicht mehr allein. Auch an der Westsächsischen Hochschule Zwickau und an der Ostfalia-Hochschule, am Standort Wolfsburg, bildet man Serviceingenieure aus. Absolventen der Ingenieurschule für Verkehrswesen Dresden, Fakultät Kraftfahrzeugtechnik, werden sich ebenfalls an diesen (alleinigen) Studienschwerpunkt erinnern. Wenige Jahre nach der wendebedingten Abwicklung der Einrichtung folgte die gesamtdeutsche Auferstehung des Themas Service. Peter Diehl
Werkstattausrüstung
Was stammt woher?
Finanzmittel von Land und Hochschule sind nicht unerschöpflich. Deshalb sprangen branchenbekannte Unternehmen ein, um das FASE-Labor mit Werkstattausrüstung und somit mit Leben zu füllen. Die Sponsoren und ihre Leistungen:
Bosch: Reifenmontiermaschine, Radwuchtmaschine, Diagnosegerät
Celette: Richtbank (Leihgabe)
Daimler: Pkw-Karosserie, Kleinteile
Hermann: Hebebühne (rabattiert)
Leitenberger: diverse Prüfgeräte
MAHA: Radgreifer-Hebebühnen, AU-Gerät, Scheinwerfereinstellgerät (Leihgaben)
Star Corporation: Fahrwerkmesssystem, diverse Werkzeuge
Trost Auto Technik (vormals KSM): Bremsenprüfstand
Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte
Mit dem Meister zum Master
Sebastian Weingärtner ist 19-jährig bereits stolzer Träger eines Uni-Titels. Neben dem jugendlichen Alter gibt es eine weitere Besonderheit: Zum Zeitpunkt seines Informatik-Abschlusses hatte er noch kein Abitur. Der Bad Kissinger profitierte von einer Sondergenehmigung: Im Rahmen des Frühstudium-Projekts können sehr gute Schüler erste Seminare besuchen und Scheine erwerben. Der erfolgreiche Abschluss innerhalb der knapp bemessenen Zeit ist eigentlich nicht vorgesehen – wie der aktuelle Fall zeigt, aber auch nicht ausgeschlossen. Neben besonders begabten Schülern steht es seit einiger Zeit auch beruflich Qualifizierten frei, ohne Abizeugnis zu studieren. Seit dem so genannten Stralsunder Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) vom März 2009 stehen die Hochschul-Pforten auch für Absolventen beruflicher Aufstiegsfortbildungen (Meister, Techniker, Fachwirte und Inhaber gleich gestellter Abschlüsse) offen. Die akademische Gesetzgebung ist aber Ländersache. Also sind seitdem die zuständigen Landesministerien in der Pflicht, um die Zugangsregelungen zu ändern. Vielerorts ist das bereits geschehen: Die fachgebundene Zugangsberechtigung haben die Inhaber eines Meisterbriefes oder einer vergleichbaren Aufstiegsfortbildung mittlerweile in allen Bundesländern inne. Lediglich bei der allgemeinen Zugangsberechtigung müssen einige Länder noch nachlegen. So wird z. B. im Land Berlin noch ein Sachzusammenhang zum angestrebten Studiengang erwartet. Eine Pressesprecherin der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung antwortete auf Anfrage: „Zur Zeit haben nicht nur Meister, sondern auch staatlich geprüfte Techniker und Betriebswirte sowie diejenigen, die eine Berufsausbildung sowie eine mindestens vierjährige Berufstätigkeit nachweisen können, die fachgebundene Hochschulreife. Der KMK-Beschluss vom 6. März 2009 soll auch in Berlin umgesetzt werden.“ Eine entsprechende Gesetzesänderung sei vorbereitet und soll in Kürze vom Senat von Berlin in das Abgeordnetenhaus eingebracht werden. Andere Bundesländer haben die Hochschulgesetzgebung bereits überarbeitet. Der Ball liegt also bei den Unis, denn die haben auch ein Wörtchen mitzureden. Studierwillige Meister sowie berufserfahrene Gesellen sollten sich also immer rechtzeitig vor Studienbeginn an der Hochschule der Wahl erkundigen, ob die eigene Qualifikation tatsächlich für das gewünschte Studium ausreicht. Vielerorts baut man zudem auf verpflichtende Beratungsgespräche. So soll sichergestellt werden, dass keiner der Interessierten mit falschen Erwartungen startet. Den großen Ansturm muss allerdings niemand erwarten: Zwar verbessert die Neuregelung zumindest theoretisch die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Laufbahn, doch in der Praxis nehmen wenige Fachkräfte diese Möglichkeit wahr. In Hamburg haben 2009 insgesamt rund 270 Personen mit Hilfe ihrer beruflich erworbenen Zugangsberechtigung ein Studium begonnen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die OECD-Studie „Bildung auf einen Blick 2010“: Weniger als ein Prozent der beruflich Qualifizierten ohne Abitur nehmen ein Studium an einer deutschen Universität auf, meldete die Organisation. Bei Fachhochschulen liegt die Quote mit 1,8 Prozent nur geringfügig höher. Ein Grund sind sicher die hohen Anforderungen im Fach Mathematik für ingenieurwissenschaftliche Fächer. Das schreckt viele Fachkräfte ab. Aus diesem Grund bieten Handwerkskammern und Hochschulen Vorbereitungskurse an. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) macht jedoch auch die Hochschulen verantwortlich: Neben dem formalen Zugang müssten die Rahmenbedingungen geändert werden. So sollten Meister die Möglichkeit haben, sich beruflich erworbene Kompetenzen anrechnen zu lassen. Zudem fehle es an berufsbegleitenden Studienangeboten und abgestimmten Finanzierungsquellen. Martin Schachtner