Betriebsrat, Gewerkschaft, Tarifvertrag: Für viele Inhaber mittelständischer Werkstattbetriebe sind dies Reizwörter, die fast schon allergische Reaktionen hervorrufen. Damit konfrontiert sind allerdings die wenigsten. Zwar gibt es keine konkreten Zahlen, wie viele kleinere Werkstattbetriebe in Deutschland der Tarifbindung unterliegen und damit verpflichtet sind, die in den Tarifverträgen ausgehandelten Regelungen einzuhalten. Stefan Laing, Volljurist und Referent in der Abteilung "Steuern, Recht, Tarife" des ZDK, berichtet jedoch, dass davon unmittelbar eher die größeren Kfz-Betriebe betroffen sind, die kleineren sich aber daran orientieren. "Eine Tarifbindung entsteht grundsätzlich erst dann, wenn der Arbeitgeber Mitglied einer Arbeitgebervereinigung und zugleich der Mitarbeiter Mitglied einer tarifabschließenden Gewerkschaft ist", erklärt Laing. Im Kfz-Gewerbe hatten bis vor einigen Jahren die Innungen oder die Landesinnungsverbände die so genannte Tarifhoheit, also das Recht, mit den entsprechenden Landes- oder regionalen Gremien der IG Metall Tarife auszuhandeln. "Die meisten Landesverbände haben ihre Tarifhoheit jedoch mittlerweile an so genannte Tarifgemeinschaften abgegeben", so der ZDK-Experte. Denn viele Unternehmer wollten Mitglied der Innung bleiben - aber ohne die Tarifbindung.
Dennoch sind Werkstattinhaber, die kein Mitglied in einem Arbeitgeberverband sind, in Sachen Tarifvertrag nicht komplett auf der sicheren Seite: Einerseits enthalten viele Arbeitsverträge eine so genannte Bezugnahmeklausel, mit der die jeweils gültigen aktuellen Tarifverträge für anwendbar erklärt werden. Andererseits kann es passieren, dass der Betriebsrat eines Unternehmens die Einführung eines Haustarifvertrags fordert und dieser Forderung vielleicht sogar durch einen Streik Nachdruck verleiht. In der Praxis ist das Risiko, dass dieses Szenario eintritt, jedoch insbesondere für kleinere Werkstattbetriebe äußerst gering. "Mitarbeiter in mittelständischen Kfz-Werkstätten haben nämlich kaum das Bedürfnis, durch einen Betriebsrat vertreten zu werden, weil sie ja täglich direkt mit dem Chef reden können", sagt Martin Seydell, Leiter Berufsbildung und Betriebswirtschaft des Kfz-Verbands Schleswig-Holstein.
Mit oder ohne Betriebsrat
Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Arbeitsbedingungen stimmen und der Werkstattinhaber seine Mitarbeiter, ihre Leistungen und Bedürfnisse tatsächlich wahrnimmt und Zeit in Mitarbeitergespräche investiert. Schließlich motivieren vor allem Unzufriedenheit und Unsicherheit die Belegschaft zur Wahl eines Betriebsrats. Einen Betriebsrat dürfen Werkstattmitarbeiter übrigens auch dann wählen, wenn sie keine Gewerkschaftsmitglieder sind. Voraussetzung dafür ist, dass die Werkstatt mindestens fünf wahlberechtigte Mitarbeiter beschäftigt. Wahlberechtigt sind grundsätzlich alle Arbeitnehmer über 18 Jahre, die unbefristet eingestellt sind - auch Azubis und Teilzeitkräfte.
Martin Seydell kann die Aversion der Werkstattbetriebe gegen starre Vorgaben bei der Gestaltung von Arbeitsbedingungen und Lohngefüge durchaus nachvollziehen. Einen Vorteil will er jedoch nicht unter den Tisch fallen lassen: "Tariflöhne sorgen für gleiche Kalkulationsgrundlagen und verhindern, dass Werkstattinhaber bei ihren Mitarbeitern sparen, um billiger zu sein als ihre Mitbewerber in der Region." Zudem, so Seydell weiter, müssen Werkstattinhaber, die nicht der Tarifbindung unterliegen, mehr Aufwand betreiben, um ihre Arbeitsverträge juristisch wasserdicht zu formulieren.
Genaue Regeln bieten Vorteile
Dass Tarifverträge das deutsche Arbeitsrecht ergänzen und einige wichtige Punkte im Detail festlegen, betont auch Stefan Laing (siehe nebenstehenden Kasten). "Um all das einzelvertraglich auszuhandeln ist durchaus ein gewisser juristischer Sachverstand erforderlich." Allerdings bieten die Kfz-Landesverbände oder Innungen ihren Mitgliedsbetrieben Unterstützung bei der Formulierung von Arbeitsverträgen und stellen mitunter auch Musterverträge zur Verfügung. Die Lohn- und Gehaltsfindung muss der Werkstattinhaber allerdings dennoch
selbst durchführen. "Natürlich widerstrebt es Werkstattinhabern, die Löhne ihrer Mitarbeiter Jahr für Jahr um eine Summe zu erhöhen, die Dritte ausgehandelt haben", räumt Martin Seydell ein. "Andererseits darf es auch nicht passieren, dass in einer Werkstatt nicht der Mitarbeiter eine Lohnerhöhung erhält, der am meisten leistet, sondern der, der am besten verhandelt." (Mehr dazu im nächsten Teil der Serie.) Dass Werkstattmitarbeiter, die nach Tarifvertrag entlohnt werden, grundsätzlich mehr verdienen als ihre Kollegen ohne, kann Stefan Laing übrigens nicht bestätigen: "In manchen strukturschwachen Gegenden Deutschlands mag das vielleicht stimmen. Aber in Regionen, in denen Fachkräftemangel herrscht, ist die Entlohnung der Mitarbeiter oft auch deutlich höher als im Tarifvertrag vorgegeben."
Tarifverträge Besser genau regeln
Auch wenn das deutsche Arbeitsrecht sehr detailliert ist, erlauben manche Vorgaben gewisse Gestaltungsspielräume. Stefan Laing, Volljurist und Referent beim ZDK, nennt elf wichtige Punkte, die tarifvertraglich geregelt sind. Werkstattbetriebe, die nicht der Tarifbindung unterliegen, sollten bei der Gestaltung ihrer Arbeitsverträge darauf achten:- Festlegung der zu erbringenden Arbeitsleistung des Arbeitnehmers (Arbeitsbedingungen)- Untersagung der Aufnahme eines anderweitigen Einkünfteerwerbs im Gewerbezweig des Arbeitgebers- Arbeitszeit (Dauer) sowie die Verteilung der Arbeitszeit innerhalb der Woche; Ausgleich bei Mehrarbeit, ggf. Regelungen zu flexiblen Arbeitszeiten- Verpflichtung zur Leistung von Mehrarbeit sowie Vergütung von Mehrarbeit und Überstunden- Zeitraum und Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit- Vergütung von Arbeitsausfall infolge von Betriebsstörungen (etwa bei Naturkatastrophen, Stromausfall), persönlicher Arbeitsverhinderung, zum Beispiel bei Arztbesuchen, familiären Ereignissen wie Hochzeiten, Todesfälle, Geburten, schwerwiegenden Erkrankungen von Familienmitgliedern.- Vergütung (Höhe) und Auszahlung des Arbeitsentgelts: Muss laut Gesetz bar ausbezahlt werden. Die Überweisung auf das Konto des Arbeitnehmers muss einzelvertraglich geregelt werden.- Urlaub: Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr, Urlaubsentgelt, maximale Urlaubsdauer, Betriebsurlaub- Möglichkeit der ordentlichen Kündigung während der Probezeit- Recht zur außerordentlichen Kündigung bei der Ausübung von Schwarzarbeit durch den Arbeitnehmer- Kündigungsfristen: Beschäftigt der Arbeitgeber nicht mehr als 20 Arbeitnehmer, kann er kürzere gesetzliche Kündigungsfristen vereinbaren. eeeDer Jurist Stefan Laing ist Referent beim ZDK und Spezialist für Arbeitsrecht.
- Ausgabe 05/2015 Seite 36 (392.5 KB, PDF)