Kundengruppen Frauen und Senioren im Service
Der Anteil an Fahrzeughalterinnen wächst stetig an. Und auch die Zahl der Senioren, die mit dem Auto mobil sein möchten, steigt. Bei der Frage, ob man sich in Autohaus- und Servicebetrieben speziell auf diese Zielgruppen einstellen sollte, gehen die Meinungen auseinander.
Laut DAT-Report 2012 waren Anfang 2011 mindestens 36 Prozent aller Fahrzeughalter Frauen; und der Frauenanteil steigt jährlich um rund ein Prozent. Auch die Anzahl der „mobilen Senioren“ nimmt laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) durch die demografische Entwicklung zu. 53 Prozent der Pkw-Halter hatten 2010 bereits ihr 50. Lebensjahr überschritten. Jeder vierte ist älter als 60 Jahre. „Über elf Mio. mobiler Senioren bieten ein enormes Potenzial für den Neuwagenmarkt“, betont das KBA in seiner Halterstatistik vom 15.10.2011.
Doch nicht nur dort spielen Senioren und Frauen als potenzielle Kunden eine zunehmend große Rolle.
Zielgruppen im Visier?
Stellen sich Werkstätten und Servicebetriebe besonders auf diese Zielgruppen ein? Anna Kennerknecht, die gemeinsam mit Simone Palm die Autoviva GmbH in Berlin leitet, betont: „Frau oder Mann, Alter oder Hautfarbe, bei uns wird jeder Kunde individuell behandelt. Denn jeder ist besonders.“ Auch ihr Kollege Roland Malyska, technischer Betriebsleiter und Serviceberater der Automobile Golz GmbH aus Binzen verweist darauf, dass man sich jedem Kunden gleichermaßen intensiv widme. „Wir unterscheiden da nicht.“
Ebenso hat man bei Autohaus Timmer aus Lingen keinen speziellen Service für Frauen oder Senioren, aber Serviceleiter Michael Ostholthoff schließt nicht aus, dass man unbewusst Unterschiede im Umgang mit Frauen bzw. Senioren macht.
So würden Werkstattkundinnen häufiger und genauer nachfragen als männliche Auftraggeber. Doch „das wichtigste, was ein Servicemitarbeiter hat, ist sein Gespür“, weiß Ostholthoff. Hier gilt es, die Bedürfnisse des Kunden, egal ob Mann oder Frau, alt oder jung, schnell zu erkennen und darauf einzugehen. Weil dies Zeit erfordere, habe man deshalb beim Autohaus Timmer für jeden Kunden generell eine halbe Stunde bei der Serviceassistenz eingeplant.
Faible für Frauen?
Doch es gibt auch Servicebetriebe und Werkstätten, die die Zielgruppe Frauen mit gezielten Angeboten aktiv ansprechen. So beispielsweise das Autohaus Kunzmann in Aschaffenburg mit dem regelmäßigen Ladies Day. Jeden Donnerstag werden in allen Filialen der Firma Kunzmann an den Fahrzeugen der Damen kostenfrei Reifen und Bremsen, Motorölstände, Scheibenwischer, Beleuchtung und Flüssigkeitsstände geprüft. „Die Damen, die unser Angebot annehmen, sind begeistert“, erzählt Maximilian Roth, Technischer Betriebsleiter. Er sieht mit den Ladies Days eine Möglichkeit sich gegenüber dem Wettbewerb zu profilieren und die Zielgruppe Frau direkt anzusprechen.
Auch im Autohaus Jürgens in Hagen hat man ein „Faible für Frauen“. Das wird unter anderem daran deutlich, dass die Homepage unter „Über uns“ einen eigenen Button „Frauen bei Jürgens“ bereithält. Das „frauenfreundliche Autohaus“ bietet bereits seit Jahren zahlreiche Kundenveranstaltungen, die speziell auf die Damenwelt ausgerichtet sind, so den alle zwei Jahre stattfindenden Ladies Day, der technische Themen mit Lifestyle kombiniert.
Sensibel für Senioren?
Doch was wünschen sich Senioren von ihren Werkstätten und Servicebetrieben? Otto Buchegger, Betreiber der Internetseite www.seniorenfreundlich.de, betont: „Grundsätzlich erwarten Senioren und Seniorinnen dasselbe wie alle anderen Kunden eines Kfz-Betriebs auch, nämlich dass der Schaden behoben wird, es wenig kostet und auch nach dem Service wieder alles funktioniert. Es schadet aber nicht, wenn sie bei jedem Besuch dieselbe Kontaktperson haben.“ Das Vorhandensein einer Toilette, eine gut lesbare Rechnung, genügend Licht im Zahlungsbereich seien laut Buchegger bereits Selbstverständlichkeiten in den Werkstätten und Servicebetrieben.
Kritisch vermerkt er schwierige An- und Abfahrtsbereiche an viel befahrenen Straßen sowie fehlende öffentliche Verkehrsmittel in Werkstattnähe. An der Lage eines Betriebes lässt sich natürlich nur schwerlich etwas ändern. Aber ein Hol- und Bringservice, wie ihn Jochen Baumann vom gleichnamigen Autohaus in Bad Ditzenbach anbietet, kann hier schon für Abhilfe sorgen. Doch das Autohaus Baumann denkt weiter und plant derzeit seniorenspezifische Angebote. „Wir denken derzeit intensiv darüber nach, unseren älteren Kunden für Wartezeiten im Reparaturfalle einen Gutschein für die nahe gelegene Vinzenz-Therme zu schenken.“ Jochen Baumann sieht darin eine Möglichkeit, die Senioren, die in der Kurgemeinde Bad Ditzenbach Erholung suchen, auf den besonderen Service seines Betriebes aufmerksam zu machen.
Zudem hat Baumann seine Mannschaft auch darauf eingeschworen, sich mit älteren Menschen mehr Zeit zu nehmen. „Nicht selten bereiten sich Senioren per Internet ausgiebig auf den Werkstatttermin vor und möchten auch ausführlich darüber sprechen“, so Baumann. Auch Otto Buchegger weist darauf hin, dass Senioren die Dinge „vielleicht etwas genauer wissen und erklärt bekommen möchten, was und warum etwas gemacht wurde“.
In der unterschiedlichen zeitlichen Taktung sieht auch Dr. Gundolf Meyer-Hentschel, Leiter des gleichnamigen Saarbrücker Instituts, häufig Probleme zwischen Mitarbeitern und Senioren. „Es ist eine grundlegende Erkenntnis aus der Altersforschung, dass man im Alter langsamer wird. Das steht häufig im Gegensatz zum hektischen Arbeitsalltag jüngerer Menschen – und kann so für beide Seiten belastend sein“, so Meyer-Hentschel. Seit 1985 unterstützt das Institut Unternehmen und soziale Dienstleister bei der Anpassung an den demografischen Wandel.
Alter selbst erleben
Damit sich Mitarbeiter in die altersbedingten körperlichen Einschränkungen selbst einfühlen können, hat das Institut den Age Explorer® (www.age-explorer.de) entwickelt. Denn „nichts kann die eigene Erfahrung ersetzen“, erlebt Meyer-Hentschel in Workshops immer wieder. Seit 1995 ist der Alterssimulator im Markt und hat seitdem eine große Akzeptanz erfahren. Nicht nur im Pflegebereich wird der Alterssimulator ständig eingesetzt. Auch in zehn Niederlassungen von Fahrzeugherstellern wurde im Laufe der Jahre bereits mit dem Age Explorer® geschult. Neben den Fahrzeugverkäufern empfiehlt sich auch für Servicemitarbeiter, die im direkten Kontakt zu den Kunden stehen, eine solche Schulung, ist Meyer-Hentschel sicher.
Denn mit dem Alterssimulator können Mitarbeiter am eigenen Leib erfahren, was Senioren eventuell nicht mehr richtig sehen können, wie schwer das Ein- und Aussteigen in ein Fahrzeug eventuell fällt oder wie schwierig es für einen älteren Menschen sein kann, bei einem Werkstattlärmpegel ein Gespräch zu führen. Auch Buchegger sieht Hürden in den altersspezifischen Einschränkungen: „Konversation unter Lärm, wie er in Werkstätten oft vorkommt, ist schwierig für Senioren.“ Also rät er Werkstattbetreibern für das Gespräch mit den älteren Kunden besser einen ruhigen Ort zu wählen oder zumindest „das häufig laufende Radio abzuschalten“.
Natürlich ist jeder Senior ein individueller Kunde, aber dennoch gibt es altersbedingte Einschränkungen, auf die auch Mitarbeiter in der Werkstatt bzw. im Servicebetrieb achten können. Verweigert ein älterer Mensch beispielsweise einen Händedruck, kann das einfach mit altersbedingten Schmerzen in den Gelenken zu tun haben. Auch ein kurzes Zurufen ist im Umgang mit Senioren eher abträglich.
Manchmal sind es Kleinigkeiten, die dem älteren Kunden signalisieren, dass er willkommen ist. Dieses Willkommen könnte man auch per Schild im Eingangsbereich verdeutlichen, hat Meyer-Hentschel bereits ein entsprechendes Zertifikat vor Augen – ähnlich wie es von dem Institut bereits für Tourismusunternehmen, Banken und Pflegeeinrichtungen vergeben wird.
Ob mit oder ohne Schulung. Hier Zeit und Einfühlungsvermögen zu investieren, lohnt sich. Zwar mögen die Gespräche eventuell etwas langwieriger sein. Die Entscheidungen für eine Auftragsvergabe sind es eher nicht. Denn Senioren sind in der Regel loyaler als jüngere Kunden, die gern noch einen Preisvergleich im Internet anstreben.
Werkstätten und Servicebetrieben rät Meyer-Hentschel deshalb auch, sich frühzeitig auf diese Kundengruppe einzustellen. Denn der Anteil der Seniorinnen und Senioren an der Gesamtbevölkerung wächst und die eigene Mobilität steht bei der Generation über 60 besonders hoch im Kurs. Das bevorzugte Transportmittel der Seniorinnen und Senioren ist der eigene Pkw. Denn er bedeutet Freiheit, bestätigt auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in der aktuellen Broschüre zu den „Senioren-Werkstattgesprächen“.
Fazit
Keine Frage, jeder Kunde ist ein Mensch mit individuellen Bedürfnissen, die es zu berücksichtigen gilt. Und trotzdem gibt es nicht zu verleugnende Unterschiede zwischen Männern und Frauen, alten und jungen Menschen. Diese wahrzunehmen und sich auf diese Zielgruppen einzustellen, ist auch für Servicebetriebe eine der Herausforderungen der Zukunft. Claudia Kreller