Ausbildung/Serie Teil 4
Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ – die Einstellung, die hinter diesem altbekannten Spruch steckt, findet Martin Rumpff, Geschäftsführer der Kfz-Innung Hamburg, nicht mehr aktuell. „Die Zeiten, in denen Lehrlinge durch formal-hierarchisches Auftreten quasi in Schach gehalten wurden, sind schon lange vorbei.“ Heute werde man von jungen Leuten nicht allein deshalb akzeptiert, weil man der Chef sei, sondern aufgrund seiner fachlichen und persönlichen Autorität. „Und die kann nicht eingefordert werden, sondern die muss dem Werkstattinhaber oder dem Ausbildungsmeister von den jungen Leuten entgegengebracht werden“, betont Rumpff. Dies gelingt durch das Fachwissen, aber auch durch das eigene Verhalten. Launische, unberechenbare, inkonsequente oder unfaire Chefs taugen nun mal ganz und gar nicht als Vorbild und prägen das Klima und den Umgangston im gesamten Unternehmen negativ. Es zählt zu den Aufgaben des Werkstattinhabers oder -meisters, dem Azubi klipp und klar zu vermitteln, was von ihm erwartet wird und was ganz und gar nicht geht. Punkte mit hohem Klärungsbedarf sind meist die äußere Erscheinung, das Verhalten gegenüber Kunden und Kollegen, Pünktlichkeit sowie natürlich auch die Art und Weise, wie die Aufgaben erledigt werden. Die Hintergründe für die innerbetrieblichen Spielregeln sollten in aller Ruhe erklärt sowie möglichst sachlich begründet werden – und natürlich für das gesamte Team gelten. „Ein Azubi ist schließlich kein Mitarbeiter zweiter Klasse“, bringt es Rumpff auf den Punkt. Selbst dass der Azubi abends die Halle fege und den Müll wegbringe, könne begründet werden. Diese unbeliebten Aufgaben könnte zwar genauso gut ein Geselle erledigen – aber der kann auch Fahrzeuge reparieren und Kunden beraten. Und das sei für die Werkstatt eben noch wichtiger.
Klare Regeln kommunizieren
„Die zentrale Voraussetzung für einen guten Ausbildungsverlauf ist natürlich, dass die jungen Leute sorgfältig ausgewählt wurden“, sagt Rumpff. Und auch in den ersten Tagen der Ausbildung werden wichtige Weichen gestellt (siehe Tipp-Kasten). „Außerdem dürfen Verstöße gegen die Regeln oder unengagiertes Verhalten nicht toleriert werden.“ Diesen Grundsatz betont auch Dorthe Hoffmann, Trainerin und Business Coach aus Hannover, die für die TÜV NORD Akademie das Seminar „Auszubildende führen und motivieren“ (siehe Seminar-Tipp) leitet: „Verhält sich ein Azubi nicht angemessen, sollte der Werkstattinhaber dies möglichst schnell direkt und ehrlich ansprechen.“ In ihrem TÜV-Seminar vermittelt Hoffman das Handwerkszeug zur Ausbildung junger Menschen, das bei der Ausbildereignungsprüfung oder den Meisterkursen nicht auf dem Lehrplan steht, wirbt aber auch um Verständnis für die jungen Leute. „Der Sprung vom Schonraum Schule in den Berufsalltag ist schließlich gewaltig.“ Die Azubis ernst zu nehmen, sie zu respektieren und sich auch menschlich für sie zu interessieren, zählt für die Personalexpertin zu den wichtigsten Motivatoren – auch wenn sich manche Azubis ganz besonders cool geben. „Die Jugendlichen werden heute zur Selbständigkeit erzogen und lernen, Dinge in Frage zu stellen. Und das tun sie auch während der Ausbildung.“ Ausbilder sind daher stärker gefordert, zu erklären und zu begründen. Das dauert natürlich länger als ein kurz geblaffter Befehl. Als Lohn der Mühe winkt dann aber in den allermeisten Fällen ein Azubi, der mitdenkt und nicht nur stur Anweisungen ausführt. Gerade aus diesem Grund, so betont auch Dorthe Hoffmann, sei es so wichtig, von Anfang an die Regeln der Zusammenarbeit zu klären und dem Azubi genau zu vermitteln, was von ihm erwartet wird – und auch die Konsequenzen aufzeigen, die Fehlverhalten nach sich zieht.
Die letzte Konsequenz bei gravierenden Fehltritten, wie etwa Diebstahl, Lügen oder Arbeitsverweigerung, kann durchaus darin bestehen, dem Azubi auch nach Ablauf der Probezeit zu kündigen. In diesem Fall sollten die Versäumnisse sowie die bisher eingeleiteten Maßnahmen zur Behebung der Konflikte allerdings genau protokolliert und dokumentiert werden. Sollte der Azubi von sich aus die Ausbildung beenden wollen, empfiehlt Personalexpertin Hoffmann, in einem Gespräch die Hintergründe dieser Entscheidung herauszufinden. „Sind die Gründe plausibel, sollte man sie respektieren und den Azubi nicht unter Druck setzen, um ihn zu einer Rücknahme der Kündigung zu bewegen.“ Einzige Ausnahme: Will der Azubi lediglich wenige Monate vor Ausbildungsende kündigen, sei es durchaus sinnvoll, an seine Vernunft zu appellieren und ihn zu einem Abschluss der Ausbildung zu ermuntern.
Dies empfiehlt auch Martin Rumpff von der Kfz-Innung Hamburg. „Doch auch wenn die Anfangsbegeisterung nachlässt und erste Konflikte auftauchen, kommt es bei manchem Auszubildenden zu einer kleinen Krise mit spontanen Schnappsideen“, weiß Rumpff aus Erfahrung. Über diese Phase sollte der Werkstattinhaber oder Ausbilder hinweghelfen. „Das funktioniert allerdings nur, wenn man grundsätzlich ein gutes Verhältnis zu seinen Lehrlingen hat und sich für sie interessiert.“ Es lohne sich jedoch, um einen Azubi zu kämpfen, allein schon, weil ja der Betrieb bereits einiges in die Ausbildung investiert habe. Bei gravierenden Problemen rät Martin Rumpff, sich bei den Lehrlingswarten der Innung Hilfe zu holen. Auch bei den Handwerkskammern gibt es Schlichtungsstellen für Lehrlingsstreitigkeiten. Grundsätzlich empfiehlt Rumpff allen Werkstattinhabern, Ärger mit Auszubildenden nicht auszusitzen und zu lange abzuwarten, ob sich nicht doch alles selbst löst, sondern die Themen anzusprechen. Auch für Probleme in der Berufsschule gibt es Lösungen. „Als Betrieb kann man durchaus Nachhilfe für seine Azubis organisieren, eventuell gemeinsam mit den Eltern“, so Rumpff.
Den richtigen Ton treffen
In Hamburg hat die Innung gute Erfahrungen mit abendlicher Lernunterstützung im BBZ für den praktischen und den theoretischen Bereich gemacht. „Außerdem gibt es auch freiwillige Prüfungsvorbereitungskurse, die meist sehr gut ausgebucht sind.“ Bei den wenigen Beschwerden von Auszubildenden, die bei der Innung Hamburg eingehen, geht es in der Regel kaum darum, dass ein Azubi zu wenig lernt, wie Rumpff berichtet. Es überwiegen die Klagen über einen zu lautstarken oder diskriminierenden Umgangston und die geringschätzige oder unzureichende Beantwortung von Fragen der Azubis. Dem liegt meist eine zerstörte Vertrauensbasis zwischen Werkstattinhaber oder Ausbilder und dem Azubi zugrunde. „Manche Werkstattinhaber werden ihrer Vorbildrolle nicht gerecht“, fasst Rumpff zusammen. „Sie kümmern sich zu wenig, sind zu unberechenbar, zu autoritär oder zu locker, was ja auch nicht richtig ist: Denn ein Ausbilder kann nun mal kein Kumpel sein.“ Eva Elisabeth Ernst
Ausbildungsanfänger
Tipps zum Einstieg
Am ersten Arbeitstag werden entscheidende Weichen für den Verlauf der Ausbildung gestellt. Sieben Tipps, damit der Start gelingt:
1. Nehmen Sie sich an diesem Tag genügend Zeit, um Ihren neuen Azubi zu begrüßen und ihm auf einem ersten Rundgang die Räumlichkeiten zu zeigen und die Kollegen vorzustellen.
2. Dabei sollten Sie ihn nicht nur mit dem Werkstattteam bekanntmachen, sondern mit allen Personen des Unternehmens, mit denen er im Laufe seiner Ausbildung in Kontakt kommen wird. In einem kleineren Betrieb sollte er allen Mitarbeitern vorgestellt werden – auch denen im Büro.
3. Erläutern Sie ihm grob sämtliche Abläufe und Zuständigkeiten im Unternehmen, auch wenn sie zunächst nicht den unmittelbaren Aufgabenbereich des Azubis betreffen.
4. Weisen Sie dem Azubi seinen Spind zu und versorgen Sie ihn mit seiner Arbeitskleidung.
5. Erklären Sie ihm sämtliche Regeln der Zusammenarbeit im Unternehmen – von A wie „Arbeitskleidung“ bis Z wie „zusammen Mittagessen“.
6. Vermitteln Sie ihm klar, aber freundlich, welches Verhalten von einem Auszubildenden in Ihrem Unternehmen erwartet wird.
7. Benennen Sie einen Meister oder Gesellen, der als direkter Ansprechpartner für die erste Zeit oder während der gesamten Ausbildung für ihn zuständig ist.
Buchtipp
Für Chefs und Ausbilder
Verlässlichkeit, Transparenz, Kollegialität, soziale Einbindung, kooperatives Problemmanagement, angemessene Know-how-Vermittlung, gezielte Belohnungen – dies sind die „Gelingensfaktoren“ einer integrativen Ausbildungskultur. Sie werden in dem hoch interessanten Buch „Ein erfolgreicher Ausbildungsabschluss ist kein Zufall“ beschrieben, das von Christiani – Technisches Institut für Aus- und Weiterbildung Anfang dieses Jahres herausgegeben wurde. „Etappen, Spannungsfelder und betriebliche Herausforderung bei der Berufsausbildung“, so der Untertitel des Werks, werden branchenübergreifend erklärt, die Erkenntnisse anhand einer Umfrage unter Auszubildenden belegt. Für jeden Werkstattinhaber, der sich umfassende Gedanken über junge Leute und eine gelungene Ausbildung macht, ist das Buch eine aufschlussreiche Lektüre.
Uwe Britten: „Ein erfolgreicher Ausbildungsabschluss ist kein Zufall“, März 2009, Christiani Konstanz, € 17,80, ISBN 978-3-86522-477-4
Seminar-Tipp
Führungshilfe
„Auszubildende führen und motivieren“ – das zweitägige Seminar der TÜV-NORD Akademie vermittelt Kenntnisse und Methoden der modernen Ausbildungspraxis. Auf dem Themenplan stehen unter anderem der Umgang mit Konfliktsituationen, die Förderung von Schlüsselqualifikationen sowie kompetente Gesprächsführung.
17./18.05.2010 in Hannover
30./31.08.2010 in Hamburg
Weitere Informationen: www.
tuevnordakademie.de/seminare
asp-Serie Ausbildung
Das ist erschienen
Folgende Beiträge sind in unserer Serie zur Ausbildung erschienen:
asp 04/2009, S. 38 „Investition in die Zukunft“ – über die passenden Rahmenbedingungen für die Ausbildung
2. asp 05/2009, S. 48; „Schnupperkurs“ – über die Nutzung von Praktika zur Bewerberauswahl
asp 06/2009, S. 51 „Ausbildungs-Platzreife“ – über ein professionelles Bewerberauswahlverfahren
asp 07/2009, S. 47 „Jugendpflege“ – über den richtigen Umgang mit Auszubildenden im Betriebsalltag
Unter www.autoservicepraxis.de/bewerbertest haben wir für Sie außerdem einen Fragenkatalog hinterlegt, mit dem Sie die grundsätzliche Ausbildungseignung von Bewerbern im Vorstellungsgespräch prüfen können.