Unternehmensführung
Wer glaubt, dass Banken bei langjährigen Geschäftsverbindungen ausschließlich auf die Zahlen ihrer Kreditkunden schauen, könnte böse überrascht werden. Nicht nur Defizite in der Bilanz, auch Defizite in der Unternehmensführung könnten die Kreditwürdigkeit beeinträchtigen. Wie, zeigt unser Praxisfall.
Gustav B. führt als Alleininhaber seinen Mittelbetrieb mit rund dreißig Mitarbeitern wenig kooperativ. Das gibt er selbst unumwunden zu. Unternehmerische Entscheidungen trifft er grundsätzlich selbst, so dass sein Delegationsverhalten dementsprechend nicht sehr ausgeprägt ist. Eine Hierarchie gibt es im Betrieb ebenso wenig wie etwa ein betriebliches Vorschlagswesen. Mehr oder weniger regelmäßigen Kontakt hält B. nur zu seinem Steuerberater und zu seiner Hausbank, die bereits seinem Vater vor allem mit Betriebsmittelkrediten zur Verfügung stand. Diese Hausbank ist es nun, die sich, vertreten durch einen offenbar äußerst aktiven Kundenberater, mit der Kostensituation des Betriebs von B. auseinandersetzt.
Beratungsschwerpunkt Factoring
Das geschieht allerdings nicht ganz uneigennützig. Zum Hintergrund: B. nimmt seit Jahren seinen Überziehungskredit auf dem Geschäftskonto von immerhin 80.000 Euro in Anspruch. Dies hat zwar seinen Preis, derzeit zahlt Unternehmer B. neun Prozent Zinsen pro Jahr, führte aber bei ihm selten zu Irritationen, da die Bank für diesen Kredit keine zusätzlichen Sicherheiten verlangt. Diese Bereitstellung ohne Sicherheiten ist jetzt aber offensichtlich der Grund für das gestiegene Interesse des Kreditinstitutes am Unternehmen. Der Bankmitarbeiter versucht in diesem Zusammenhang seit einigen Wochen, B. von den Vorteilen eines Verkaufs seiner Kundenforderungen an einen professionellen Factor zu überzeugen. Die ursprüngliche Zurückhaltung von B. („Das war während der vergangenen dreißig Jahre bei uns nicht nötig, warum also jetzt?“) hat er mittlerweile aufgegeben, da er nun einsieht, dass er sich preiswertere Liquidität mit Hilfe des Factors besorgen kann, als dies mit seinem Überziehungskredit möglich ist.
Bankseitig hätte dieser Strategiewechsel den Vorteil, dass der Kredit nahezu vollständig bis auf einen „Bodensatz“ von 10.000 Euro gestrichen werden könnte. Die verbleibenden Betriebsmittelkredite wären nach wie vor problemlos möglich, da sie durch Grundschulden und eine selbstschuldnerische Bürgschaft von B. abgesichert sind. Grundsätzlich ist die Entscheidung also gefallen. Es liegt nun an B., durch einen sorgfältigen Vergleich verschiedener Angebote von Factoringunternehmen eine für ihn angemessene konkrete Entscheidung herbeizuführen.
Wenig plausible Kostenstruktur
Als „Nebenprodukt“ der Factoringberatung hat sich der Bankmitarbeiter auch die Kostenstruktur des Betriebs näher angesehen. Dabei ist ihm vor allem aufgefallen, dass sowohl die Versicherungsprämien als auch die Kosten des Steuerberaters von B. weit über dem liegen, was für Betriebe dieser Größenordnung als üblich bezeichnet werden kann. Alles in allem zahlt B. im Jahr rund 60.000(!) Euro an verschiedene Versicherer und an seinen Steuerberater. Vor allem dessen Honorar erscheint mit etwa 45.000 Euro sehr hoch und ist auch nicht damit zu erklären, dass es die gesamte Gehaltsbuchhaltung mit einschließt. Besondere Zusatzarbeiten sind im untersuchten Zeitraum jedenfalls nicht geleistet worden. Für die Versicherungsprämien gilt im Grunde das Gleiche: Es handelt sich um die bei Mittelbetrieben üblichen Sachversicherungen von der Geschäftsversicherung bis zur ebenfalls obligatorischen Betriebshaftpflichtversicherung, so dass der überdurchschnittlich hohe Prämienaufwand kaum erklärbar ist. Interessant ist in diesem Zusammenhang aber, dass B. bei der ebenfalls durch seine Hausbank durchgeführten Kostenanalyse der Mitarbeitergehälter eher unterdurchschnittlich abschneidet. Im Gespräch mit dem Bankmitarbeiter räumt er auch ein, dass er „bei den Gehältern immer besonders auf die Kostenentwicklung geachtet hat“.
Defizite als Führungskraft
Immerhin ist B. selbstkritisch genug zu akzeptieren, dass er seinen eher einseitigen Blickwinkel viel eher hätte erweitern müssen. Ihm ist mittlerweile auch klar, dass er vor allem auf Grund dieses wenig motivierenden Führungsstils von seinen Mitarbeitern vor allem im Rechnungswesen kaum erwarten konnte, dass diese ihm konstruktive Vorschläge zur Verringerung der erwähnten überdimensionierten Kosten unterbreiten. Denn selbstverständlich haben die dort tätigen Mitarbeiter einen genauen Überblick über die jeweiligen Kostenstellen.
Das Ergebnis dieser „Betriebsberatung“ seiner Hausbank ist für B. daher nicht nur erfreulich. In einem ausführlichen Bericht gibt ihm das Kreditinstitut „Handlungsempfehlungen“, die bei neutraler Betrachtung eher an „Handlungsanweisungen“ grenzen, die B. „möglichst kurzfristig umsetzen sollte“.
Dazu gehören neben dem Einsatz des Factoring vor allem ein funktionierendes Controllingsystem und damit eine Verbesserung der bisherigen Nutzung der Datenverarbeitungsprogramme. Darüber hinaus empfiehlt die Bank die „schnellstmögliche Umsetzung eines Konzepts zum betrieblichen Vorschlagswesen“ und eine verbesserte Kostenkontrolle, die als wichtiger Teil des zu installierenden Controlling-systems ebenfalls Priorität besitzt. Der Bankmitarbeiter lässt abschließend außerdem keinen Zweifel daran, dass erst die Umsetzung dieser Maßnahmen dazu beitragen kann, die Kreditbeurteilung von B. zu stabilisieren.
Auch von diesem Zusammenhang seiner unternehmerischen Fähigkeiten mit der allgemeinen Kreditwürdigkeit war ihm bisher nicht allzu viel bekannt. Michael Vetter
▶ Kostenstruktur: Die Beratung zum Factoring förderte hohe Kosten in anderen Bereichen zutage
Wichtig bei Bankbeurteilungen:
Führungsqualität
Basel III steht bekanntlich bevor. Unternehmer und Betriebsverantwortliche sollten die damit verbundenen Anforderungen an die zusätzliche Eigenkapitalbildung der Bankinstitute nicht unterschätzen. Kreditvergaben zu akzeptablen Konditionen dürften daher keineswegs mehr so selbstverständlich sein wie vielleicht noch in Zeiten von Basel II, wenn Unternehmer ihre „Hausaufgaben“ nicht erledigen. Dazu gehört eben nicht mehr nur die Fortentwicklung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens, sondern auch die Umsetzung wichtiger Fähigkeiten des Unternehmers selbst, seinen Betrieb kooperativ und professionell zu führen. Beide Kriterien, Wirtschaftlichkeit und Unternehmensführung, diktieren nämlich das individuelle Rating und damit letztlich die Kreditvergabepolitik der jeweiligen Hausbank.
▶ Handlungsempfehlungen: Hausbank gibt dem Inhaber des Beispielbetriebs konkrete Ratschläge
▶ Kreditbeurteilung: Das Finanzinstitut verknüpft Kreditwürdigkeit mit der Umsetzung von „Empfehlungen“
- Ausgabe 2/2012 Seite 54 (205.5 KB, PDF)