Kommunikation
Was befähigt zu Höchstleistungen? Die Karotte vor der Nase oder die Faust im Nacken? Im Idealfall motivieren sich die Mitarbeiter aufgrund guter Arbeitsbedingungen, gesundem Ehrgeiz und Verbundenheit zum Unternehmen. Doch müssen die Chefs mitunter nachhelfen und Verhalten sowie Leistung ihrer Angestellten in Einzelgesprächen beeinflussen. Das Mitarbeitergespräch sei das zentrale Instrumentarium, um Denken und Handeln zu bewirken, welches zum nachhaltigen Unternehmenserfolg beitrage, steht etwa im Fachbuch „Das Mitarbeitergespräch“ von Oswald Neuberger. Ein Buch über das Sprechen? Kritiker mögen einwenden, dass Kommunizieren viel mit der individuellen Persönlichkeit zu tun hat, durch Erfahrung geformt wird und sich schlecht erlesen lässt. Ja und nein. Es gibt nämlich Spielregeln. Und je nach Gesprächssituation benötigen sogar Profis, die von Natur aus mit emotionaler und sozialer Intelligenz gesegnet sind, Hilfestellung.
Besondere Rahmenbedingungen
Dieser Beitrag legt den Fokus auf Zwiegespräche, die über die alltägliche Kommunikation oder das herkömmliche Jahres- oder Personalentwicklungsgespräch hinausgehen. Es geht um problembehaftete Diskussionen, die eine besondere Vorbereitung und ein gewisses Fingerspitzengefühl erfordern. Und das kann man sehr wohl lernen. Hier sollen stellvertretend drei Extremsituationen dargestellt werden, mit denen Betriebsinhaber konfrontiert werden: Wenn ein Mitarbeiter beispielsweise Anzeichen für das Phänomen der inneren Kündigung an den Tag legt, eine Krankheit simuliert oder gar alkoholkrank ist. In diesen Fällen darf der Chef nicht zögern, er muss sich den Angestellten zur Brust nehmen. Bei Streitgesprächen sollte sich der Vorgesetzte vor dem eigentlichen Gespräch über die Richtung im Klaren sein. Was möchte ich erreichen? Welche Möglichkeiten sind gegeben? Er sollte sich im Vorfeld Argumente zurechtlegen und versuchen, sich die Beweggründe und Perspektiven des Gesprächspartners vor Augen zu führen.
Kommunikationsfehler vermeiden
Der Vorgesetzte muss das Gespräch führen und bestimmte Faktoren beherzigen: Punkt 1: Die persönliche Ebene ist tabu. Eine sachliche Aussprache, egal wie schwer der Diskussionsgegenstand wiegt, kommt ohne Beleidigungen aus. Reagiert der Angesprochene aggressiv, müssen Vorgesetzte sachlich, aber autoritär entgegnen. Zu viel Verständnis wird mitunter als Zeichen von Schwäche gedeutet. Punkt 2: Der Angesprochene soll überzeugt und nicht in Grund und Boden geredet werden. Kommunikationsfähigkeit ist bei jedem unterschiedlich ausgeprägt, häufig sind die Vorgesetzten die gewandteren Redner. Sie müssen darauf achten, dass ein Dialog stattfindet. Der Betroffene soll seine Sicht der Dinge darlegen können. Um Missverständnissen vorzubeugen, sollten Vorgesetzte ihre Kernaussage mehrmals wiederholen, und empfängerorientiert formulieren. Punkt 3: Auch wer nicht kommuniziert, sendet Signale: Grundsätzlich ist es also bei den angesprochenen Problemsituationen die halbe Miete, den Klärungsbedarf zu sehen und zu handeln. Ein Problem aufgrund Konfliktscheu oder überzogenem Harmoniebedürfnis totzu- schweigen, hilft in den seltensten Fällen. Der heruntergespielte Konflikt schwellt unter der Oberfläche weiter, bis ein vernünftiges Gespräch nicht mehr möglich ist. Kennzeichen der inneren Kündigung ist Buchautor Klaus Rischar („Schwierige Mitarbeitergespräche“) zufolge, das sinkende Engagement des Mitarbeiters. Er erledigt seine Arbeit unmotiviert und macht gerade noch so viel, dass es keine negativen Konsequenzen gibt, aber bedeutend weniger, als er tun könnte. Dieses Verhalten ist die Auswirkung massiver Frustrationen. Da disziplinarische Maßnahmen nicht greifen, muss die Lösung im Gespräch gesucht werden. Der Vorgesetzte sollte den Betroffenen zu Gesprächsbeginn fragen, ob er bei sich selbst eine Veränderung der Leistung oder im Umgang mit Kollegen festgestellt hat. Hat er diese auch bemerkt, entfällt die Beweisdiskussion und das Gespräch kann konstruktiv verlaufen. Es gilt die Gründe für die Unzufriedenheit zu eruieren. Der Vorgesetzte sollte den anderen zu offener Kritik einladen, indem er glaubhaft macht, sich für dessen Probleme zu interessieren und darlegt, ihn nicht als Mitarbeiter verlieren zu wollen. Liegt das Problem beispielsweise in der Arbeit, dann sollte der Vorgesetzte versuchen, Verantwortung zu delegieren, um die Eigenmotivation des Mitarbeiters zu erhöhen.
Bei zu hohen Fehlzeiten kann der Verdacht einer simulierten Krankheit naheliegen. In diesem Fall bietet sich als erster Schritt ein Routinegespräch an, in dem sich der Vorgesetzte über den Gesundheitszustand erkundigt und ggf. psychosomatische Ursachen auslotet. Denn eine Überforderung könnte die häufige Fehlzeit erklären. In einem zweiten Schritt verdeutlicht er dem Mitarbeiter die Folgen der Fehlzeiten für Kollegen und Firma. Zum Gesprächsbeginn zählt der Chef die Gründe auf, warum er misstrauisch ist: Etwa, wenn sich das Fehlbleiben an Montagen und Freitagen häuft. Er verweist auf die Möglichkeit einer Pflichtuntersuchung beim Medizinischen Dienst. Die rote Linie in der Gesprächsführung muss sein, dass der Mitarbeiter die Vertrauensbasis zerstört, wenn er das Verhalten nicht ändert. Erhärtet sich der Verdacht, dass der Kollege „blaumacht“ und sich überdies beratungsresistent zeigt, so droht der Chef mit krankheitsbedingter Kündigung.
Gratwanderung
Hat der Mitarbeiter ein Alkoholproblem, leidet seine Arbeitskraft und, weit schlimmer noch, er gefährdet seine Gesundheit sowie die der Kollegen. Spricht der Vorgesetzte ihn darauf an, sollte er darauf achten, seine Sorge um die Gesundheit des Kollegen zu verdeutlichen. Weiter sollte er Verständnis haben und Hilfestellung in Aussicht stellen. Dies gilt natürlich nur, wenn der Mitarbeiter einsichtig ist. Leugnet der Angesprochene seine Alkoholkrankheit, kann der Chef einen Arzt oder Psychologen hinzuziehen. Medizinischer Beistand ist zwar auch beim „geständigen“ Alkoholkranken angebracht, doch sollte hier keine Drohkulisse bemüht werden. Chefs sollten versuchen, dessen Selbstbewusstsein zu stärken: Aufmunterung und Unterstützung durch Lob bei „guter Führung“ und Erinnerung an frühere gute Leistung und gemeinsame Ergebnisse. Dennoch: Klare Worte und konsequentes Auftreten des Vorgesetzten sind unabdingbar, da der Mitarbeiter eine klare Orientierung benötigt, schreibt Rischar. Es ist eine permanente Gratwanderung zwischen zu viel Verständnis und einer zu harten Linie. Das Motto: hart in der Sache, aber weich im Ton. Martin Schachtner
- Ausgabe 11/2009 Seite 58 (226.7 KB, PDF)