Moderne Pkw werden zunehmend mit unterschiedlichen Sensoren für Fahrerassistenzsysteme (FAS) ausgestattet. So sind zum Beispiel an Stoßfängern, die im Zuge einer Reparatur lackiert werden müssen, häufig Ultraschall- und Radarsensoren verbaut. Nachträglich aufgebrachte Beschichtungen im "Sichtfeld" dieser Sensoren und eine fehlerhafte Montage können die Funktion von Assistenzsystemen jedoch negativ beeinflussen. Damit ein Fahrzeug auch nach einer Reparatur wie vom Hersteller vorgesehen funktioniert, sind daher einige Aspekte zu beachten.
Immer mehr Fahrerassistenzsysteme
Bereits heute ist gemäß DAT-Report rund jeder sechste Pkw mit einem radarbasierten FAS ausgestattet; etwa 75 Prozent verfügen über Einparkhilfen mit Ultraschallsensoren. Durch verbesserte und neu entwickelte Funktionen, gesetzliche Initiativen sowie Tests zur Verbraucherinformation (z.B. Euro NCAP) wird die Ausstattungsrate mit Fahrerassistenzsystemen künftig weiter steigen. Viele der hierzu benötigten Sensoren werden im unmittelbaren Anstoßbereich verbaut, zum Beispiel an Stoßfängern. Das Kraftfahrzeugtechnische Institut (KTI) beschäftigt sich daher im Rahmen des Projektes "FairRepair II" mit den Auswirkungen von Unfallreparaturen auf moderne Sensortechnik. Ziel ist die Erhaltung der FAS-Funktionen über die gesamte Nutzungsdauer eines Fahrzeuges. So wurde in aufwendigen Versuchen der Einfluss nachträglicher Beschichtungen (Nachlackierungen, Folierung und Kunststoffinstandsetzung) untersucht. Hierbei zeigte sich, dass nicht fachgerechte Reparaturen die Funktion von Fahrerassistenzsystemen tatsächlich beeinträchtigen können. So reduzierte sich teilweise die maximale Detektionsreichweite. In einigen Fällen wurden Objekte zunächst detektiert, dann aber wieder "aus den Augen verloren". Zudem wurden Scheinhindernisse erkannt, die real nicht vorhanden waren. Diese Ergebnisse zeigen, wie wichtig der fachgerechte Umgang mit moderner Sensortechnik ist. Zunehmende Bedeutung bekommt dieser Aspekt in Zukunft durch weiter steigende Anforderungen an die Sensortechnik bei sicherheitsrelevanten FAS-Funktionen und der bevorstehenden Einführung automatisierter Fahrfunktionen ab Level 3. Da der Fahrer automatisierte Fahrfunktionen nicht mehr dauerhaft überwachen muss, ändern sich dann auch haftungsrechtliche Aspekte - beispielsweise, wenn das Fahrzeug selbstständig und eigenverantwortlich lenkt und/oder beschleunigt beziehungsweise bremst.
Neben unzulässigen Beschichtungen im Bereich von FAS-Sensoren können - insbesondere bei Sensoren mit hoher Reichweite - weitere Fehler die Funktion von Fahrerassistenzsystemen negativ beeinflussen. Der Grund: Radarsensoren, Kameras zur Scheinwerfersteuerung und Laserscanner können Objekte bis zu einer Entfernung von mehreren hundert Metern detektieren. Bei diesen hohen Reichweiten können schon kleine Abweichungen in der Sensorausrichtung zum Beispiel durch Aus- und Einbau eine fehlerhafte Umfelderkennung zur Folge haben. Je nach FAS-Funktion sind deshalb die Genauigkeitsanforderungen unterschiedlich.
Sensible Sensortechnik
Mit Blick auf Reparaturen sind die eingesetzten Sensoren zudem empfindlich gegen eine Vielzahl verschiedener Einflüsse. Wird beispielsweise ein Ultraschallsensor im eingebauten Zustand nachlackiert oder verspannt montiert, kann der Membrantopf nicht frei schwingen und das Senden und der Empfang der Schallwellen ist unter Umständen gestört. Wird ein Bauteil mit Ultraschallsensoren lackiert, müssen deshalb die Sensoren zuvor ausgebaut werden und die Öffnung für den Sensor muss ausreichend groß sein. Bei neuen Stoßfängern ohne werkseitige Öffnungen wird dies sichergestellt, indem das Loch erst nach dem Lackieren mit einem Spezialwerkzeug eingebracht wird. Die Halterung selbst muss so positioniert sein, dass der Sensor spannungsfrei sitzt.
Komplexer sind mögliche Störungen der Radarsensoren: Die elektromagnetischen Wellen dieser Sensoren können durch Brechung, Streuung, Reflexion und Absorption beeinflusst werden. Erschwerend kommt hinzu, dass Radarsensoren oftmals von außen nicht sichtbar hinter Stoßfängern und Abdeckungen verbaut sind, sodass fahrzeugindividuelle Kenntnisse zum Verbau von Sensoren notwendig sind. Nach der Instandsetzung ist zudem in vielen Fällen eine Kalibrierung beziehungsweise Justierung der Systeme erforderlich, um ihre fehlerfreie Funktion zu gewährleisten.
Herstellervorgaben sind zu beachten
Da sich zum Beispiel die FAS-Funktionen von Hersteller zu Hersteller - und zum Teil auch modellspezifisch - unterscheiden können, sind auch die Reparaturvorgaben der Fahrzeughersteller teilweise sehr verschieden. Zudem können sich sowohl die Fahrzeuge als auch die Reparaturvorgaben im Laufe der Zeit ändern. Daraus ergibt sich, dass stets die fahrzeugindividuellen und tagesaktuellen Reparaturvorgaben des Herstellers befolgt werden sollten.
Die von den Herstellern vorgegebenen Reparaturmethoden ergeben sich hierbei aus einer Vielzahl technischer Aspekte. Neben unterschiedlichen Funktionen eines FAS kann die jeweilige Elektronikarchitektur ebenso Auswirkungen auf die Reparaturmethode haben wie das verbaute Sensormodell. Beispielsweise können sich Radarsensoren hinsichtlich Einbauspezifikationen und der Fähigkeit zur "Selbstjustage" unterscheiden. Neben diesen technischen Rahmenbedingungen bestimmen auch markenindividuelle Standards die Reparaturmethode. So geben Reparaturleitfäden vor, ob und wenn ja wie und mit welchen Materialien zum Beispiel Stoßfänger repariert und lackiert werden dürfen. Häufig ist darin auch vorgegeben, in welcher Dicke beziehungsweise mit wie vielen Schichten Sensoren oder ihre Abdeckungen überlackiert werden dürfen.
Fazit
Auch bei leichten Unfallschäden können Sensoren von Fahrerassistenzsystemen betroffen sein. Es sind daher stets (auch vor kleineren Reparaturen, zum Beispiel Smart-Repair) die aktuellen und fahrzeugindividuellen Herstellervorgaben einzusehen. Bei Nichtbefolgung der Vorgaben besteht ansonsten die Gefahr, dass die Funktion von Fahrerassistenzsystemen negativ verändert wird. Mit fortschreitender Technik werden davon auch zunehmend rechtliche Aspekte berührt.
Kurzfassung
Das Kraftfahrzeugtechnische Institut beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Unfallreparaturen auf moderne Sensortechnik. Nicht fachgerechte Arbeiten können Funktion von Fahrerassistenzsystemen beeinträchtigen.
Wissen über das Lackieren von SensorenDas Kraftfahrzeugtechnische Institut (KTI) klärt gemeinsam mit Branchenverbänden bei vielen Veranstaltungen zu dem Thema auf. Der Wissensstand und auch die Kompetenz sind in vielen Betrieben, insbesondere wenn sie einem etablierten Werkstattnetzsystem angehören, bereits sehr hoch. Für kleine Betriebe mit wenigen Mitarbeitern sei die Umsetzung neuer Erfordernisse hinsichtlich Ausstattung, Informationsbeschaffung und Weiterbildung der Mitarbeiter aber mit hohen Anstrengungen verbunden, betont Helge Kiebach, Leiter der Schaden- und Reparaturforschung beim KTI. Diese Betriebe strebten daher häufig Kooperationen mit umliegenden Autohäusern für die Sensorkalibrierung an.Was sind die häufigsten Fehler?Nicht in allen Fällen ist bekannt, ob durch eine Tätigkeit am Fahrzeug zum Beispiel von außen nicht sichtbare Sensoren betroffen sind. Insbesondere bei Fahrzeugen mit sicherheitsrelevanten Fahrerassistenzsystemen muss deshalb zunächst die fahrzeugindividuelle Ausstattung festgestellt werden. In den meisten Fällen ist dies durch eine FIN-Abfrage möglich, ggf. ergänzt durch eine zusätzliche Überprüfung der Ausstattungsmerkmale anhand der aktuellen Herstellerdokumentationen. Dieser erste elementare Schritt ermöglicht einen Überblick, welche Fahrerassistenzsysteme mit welchen Sensoren an welcher Stelle verbaut sind und ob spezielle Vorgaben der Hersteller berücksichtigt werden müssen.Eine weitere Fehlerquelle betrifft die Umsetzung der Herstellervorgaben. Hier sei laut KTI zu beobachten, dass teilweise nicht alle erforderlichen Arbeitsschritte durchgeführt werden bzw. von den Vorgaben abgewichen wird.Welche Sensoren hat das KTI getestet?In der aktuellen Versuchsreihe hat das KTI von außen nicht sichtbare Radarsensoren von Spurwechselassistenten untersucht. Bereits in der Vergangenheit wurden außerdem die Einflüsse von Reparaturen auf Ultraschallsensoren und Kameras untersucht. Diese Untersuchungen werden auch künftig weitergeführt.Wird zu häufig gleich ausgetauscht statt repariert?Auch wenn Sensoren an beschädigten Bauteilen verbaut sind, bedeutet dies nicht grundsätzlich, dass das tragende Bauteil, zum Beispiel ein Stoßfänger, ersetzt werden muss. Sofern die fahrzeugindividuellen Reparaturvorgaben es zulassen, sollten Bauteile häufiger instandgesetzt bzw. nachlackiert werden, rät Helge Kiebach.
Der Autor
Dipl.-Ing. (FH) Helge Kiebach ist Leiter der Schaden- und Reparaturforschung beim Kraftfahrzeugtechnischen Institut in Lohfelde.
- Ausgabe 02/2020 S.20 (215.2 KB, PDF)