Neue Richtlinien für die Anlage von Landstraßen
Künftig sollen für die Gestaltung von Landstraßen in Deutschland neue Richtlinien mit vier verschiedenen Entwurfsklassen und Unterschieden bei Fahrspurenzahl, Straßenverknüpfung und erlaubter Nutzung gelten. Eine Einführung in das Thema.
Seit etwa 1999/2000 wird an neuen Regelwerken für die Gestaltung von Straßen in Deutschland gearbeitet, welche die bisherigen Richtlinien für die Anlage von Straßen (RAS) ablösen sollen. Eine wesentliche Änderung dieses Regelwerks betrifft die Auftrennung nach den Straßenarten Autobahn, Landstraße und Stadtstraße mit jeweils eigenen Richtlinien. Die ersten der neuen Richtlinien, die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt), traten bereits 2006 in Kraft. Ihnen folgten zwei Jahre später die Richtlinien für die Anlage von Autobahnen (RAA). Somit stehen noch die Richtlinien für die Anlage von Landstraßen (RAL) aus. Erstmals einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert wurden die Richtlinien von Prof. Dr.-Ing. Christian Lippold, Inhaber des Lehrstuhls für Gestaltung von Straßenverkehrsanlagen an der TU Dresden, am 15. April 2013 während der 2. Bayerischen Verkehrssicherheitskonferenz im Audi-Forum Ingolstadt. Die TU Dresden mit Prof. Dr.-Ing. Christian Lippold wirkte bei der Erarbeitung der neuen Richtlinien federführend. Internet: www.strassenentwurf.tu-dresden.de.
Eine treibende Kraft hinter der Neuformulierung der drei genannten Richtlinien ist die Europäische Union, die die Zahl der Verkehrsunfälle mit Getöteten signifikant reduzieren will. Das Thema Verkehrssicherheit hat in den Richtlinien somit eine große Bedeutung. Es geht darum, die Geschwindigkeit zu senken, das Überholen zu sichern, Konflikte in Knotenpunkten zu verringern und schwächere Verkehrsteilnehmer zu schützen, was mit wenigen, einheitlichen, für die Nutzer erkennbaren, eindeutig voneinander unterscheidbaren und somit das Fahr-verhalten beeinflussenden Straßentypen gelingen soll. Ergebnis dieser Bemühungen sind vier Entwurfsklassen für Landstraßenkategorien (EKL). Prof. Dr.-Ing. Christian Lippold: „Die Entwurfsklassen sollen sowohl die Einheitlichkeit von Straßen einer Kategorie fördern als auch Straßen unterschiedlicher Kategorien deutlich unterscheidbar machen. Hierdurch soll eine der Kategorie angemes-sene Fahrweise unterstützt werden. Für Landstraßen einer Entwurfsklasse sollen alle wesentlichen die Geschwindigkeit beeinflussenden Entwurfs- und Betriebsmerkmale einheitlich aufeinander abgestimmt werden. Dazu dient auch die unterschiedliche Ausbildung der für den Kraftfahrer kontinuierlich erkennbaren Längsmarkierung der Fahrbahn und der Fahrstreifen. Außerdem wird über die Entwurfsklasse das Überholprinzip auf Landstraßen neu geregelt. Ziel dabei ist es, das Überholen unter stärkerer Nutzung von zusätzlichen Überholfahrstreifen zu ermöglichen und auf die Nutzung des Gegenverkehrsfahrstreifens weitgehend zu verzichten.“ Die vier Landstraßen-Entwurfsklassen (EKL) lauten:
EKL 1: Fernstraße (Kategorie LS I)
EKL 2: Überregionalstraße (LS II)
EKL 3: Regionalstraße (LS III)
EKL 4: Nahbereichsstraße (LS IV)
Im Detail: Landstraßen der Entwurfsklasse 1 sind als Fernstraßen dreispurig ausgebaut und besitzen wechselseitig eine Überholspur, wobei der Streckenanteil mit sicherer Überholmöglichkeit für jede Richtung rund 40 Prozent beträgt. Knotenpunkte (Kreuzungen, Einmündungen etc.) sind planfrei, das heißt auf unterschiedlichen Niveaus befindlich. Landwirtschaftlicher und nicht motorisierter Verkehr (Fahrradfahrer etc.) bleibt von EKL-1-Straßen ausgeschlossen.
Die Entwurfsklasse 2 beschreibt zweispurige Landstraßen mit abschnittsweise wechselseitiger Überholspur (möglichst für jede Fahrtrichtung auf mindestens 20 Prozent der Strecke). Für diese Überre-gionalstraßen werden so genannte teil-plangleiche Knotenpunkte (ähnlich Autobahnauffahrten) oder plangleiche Einmündungen favorisiert, jeweils mit Ampelanlagen. Die Alternative lautet plangleiche Kreuzungen, ebenfalls mit Ampelanlagen. Nicht motorisierter Verkehr ist generell, landwirtschaftlicher Verkehr möglichst ausgeschlossen.
Bei Landstraßen der Entwurfsklasse 3 – Regionalstraßen – handelt es sich um zweispurige Straßen, die nur bei so genanntem Überholdruck, zum Beispiel an Steigungen, mit Überholspuren versehen sind. Kreuzungen/Einmündungen sind planfrei, evtl. mit Ampelanlagen versehen, oder als Kreisverkehr ausgeführt.
Landstraßen der Entwurfsklasse 4 sind einspurige Nahbereichsstraßen, die mit Leitlinien gekennzeichnete und bei Gegenverkehr befahrbare Randzonen besitzen. Plangleiche Kreuzungen/Einmündungen ohne Ampelanlagen sollen hier genügen. Jeweils nach der Entwurfs-klasse, kommen beim Straßenbau unterschiedliche Querschnitte, so genannte Regelquerschnitte, zur Anwendung:
RQ 15,5 bei EKL 1
RQ 11,5+ bei EKL 2
RQ 11 bei EKL 3
RQ 9 bei EKL 4
Auf die Frage von asp, ob bei der Entwicklung der vier Entwurfsklassen auch Überlegungen zu Bauzeit- und Kostenentwicklungen angestellt wurden, antwortete Prof. Dr.-Ing. Christian Lippold: „Es gibt eine Prüfung auf Wirtschaftlichkeit. Die baulichen Mehrkosten sind gerechtfertigt, weil sicherere Straßen entstehen und Unfallkosten eingespart werden.“ Das Einführungskolloquium der RAL 2012 genannten neuen Richtlinien für die Anlage von Landstraßen ist für den 18. Juni 2013 in Köln geplant.
Peter Diehl
Hochschule Ingolstadt
Ab September wird es an der Hochschule Ingolstand einen neuen Lehrstuhl geben. Er trägt die Bezeichnung Fahrzeugsicherheit und Signalverarbeitung, ist an der Fakultät Elektrotechnik und Informatik angesiedelt und wird für den Zeitraum bis 2018 von Audi finanziert. Die Stiftungsprofessur ergänzt das Forschungs- und Testzentrum CARISSMA (Center of Automotive Research on Integrated Safety Systems and Mea-surement Area) der Hochschule. Audi-Entwicklungsvorstand Wolfgang Dürheimer: „Aus der Grundlagenforschung für Fahrzeugsicherheit und Signalverarbeitung erwarten wir uns Impulse für den Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Indus- trie sowie ein maßgeschneidertes Lehrangebot für den Ingenieurnachwuchs.“