Caroobi möchte den administrativen Aufwand von Kfz-Betrieben reduzieren und dafür bei Kundenakquise, Verwaltung und Teilelieferung unterstützen. Damit geht das Berliner Start-up über die Vermittlung hinaus und übernimmt de facto Kunden sowie Teilemarge - ein wesentlicher Unterschied zu Online-Vermittlern wie Fairgarage, Werkstars oder Autobutler. Was für Kritiker nur ein weiterer Akteur auf dem umkämpften Werkstattmarkt ist, stellt laut Caroobi intelligente Werkstattwahl im 21. Jahrhundert dar. Als Werkzeuge nutzen die Gründer und Geschäftsführer Mark Michl und Nico Weiler die Möglichkeiten der Digitalisierung, Big Data-Tools sowie schlaue Algorithmen. In Kombination mit dem fachlichen Know-how der Werkstattpartner möchten die Berliner damit Reparaturen zu Festpreisen anbieten und verkaufen. Ein zusätzlicher Hol- und Bringdienst befindet sich im Aufbau, was zwar kostspielig werden dürfte, aber den direkten Kontakt zwischen Kunde und Autohaus weiter untergräbt. Verträge werden ohnehin ausschließlich zwischen Fahrzeughalter und Caroobi geschlossen. Die Werkstatt ist Auftragnehmer von Caroobi, daher dürften auch keine Vermittlungsprovisionen fällig werden.
Wie kam es zu diesem neuartigen Geschäftsmodell? "Wir sind extrem analytisch an das Thema herangegangen, wir wollten gründen. Wir haben uns in der Folge zahlreiche Märkte angesehen und fanden den Automotive Aftermarket insofern sehr spannend, weil der sich größtenteils offline abspielt und durch schlechte Kundenerfahrungen kennzeichnet ist", erklärte Mark Michl die Branchenwahl. Im zweiten Schritt testeten die beiden Gründer Ansätze, um den Markt digital zu beackern.
Ineffizienter Markt
Dabei betrachteten sie sowohl Kundenerwartungen und -verhalten sowie die Vorgehensweise und Strategie von Werkstätten bei der Kundenansprache. Zudem analysierten sie unter anderem die Rollen der Distributoren und Teilehersteller. Dieser Lernprozess dauerte viele Monate. "Dabei fiel erstens die Komplexität des Aftermarktes, aber auch die Vielzahl an Ineffizienzen auf", so Nico Weiler. Die Aufgabenstellung der Gründer und ihres mittlerweile 70-köpfigen Teams: Services strukturieren und Prozesse beschleunigen bzw. verbessern. Schließlich ruft ein intransparenter, unzugänglicher Markt Misstrauen hervor. "Wir konnten uns leicht in den ahnungslosen Autobesitzer reinversetzen", so deutete Mark Michl das eigene fehlende Branchen-Know-how in einen vorteilhaften, nicht betriebsblinden Blick von außen um. Mittlerweile kenne man die Branche jedoch sehr gut, man habe sich viel Wissen angeeignet, betonten die Gründer.
Mit Hilfe von 30 Kfz-Spezialisten bei Caroobi könne das Unternehmen 80 Prozent aller Schadenfälle ferndiagnostizieren, hieß es.
Reparatur zum Festpreis
Caroobis dynamische Pricing-Datenbank mit Millionen Datenpunkten sei imstande, fast jede Reparatur live zu analysieren, zeigte man sich beim Kapitalgeber Cherry Ventures vom eigenen Investment überzeugt. Bei der Ermittlung von Festpreisen bzw. der Ferndiagnose nutze man viele Ansätze. Laut Nico Weiler lag diesen Angaben in einem ersten Schritt ein datengewichteter Entscheidungsbaum zugrunde. "Die Datenrecherche hat sich mittlerweile ein gutes Stück weiterentwickelt. Aktuell testen wir auch neuere Methoden." Die genaue Vorgehensweise möchten die Gründer nicht nach außen tragen. Die übliche Nutzung technischer Daten und Arbeitswerte von professionellen Dienstleistern als Kalkulationsgrundlage spart man sich offenbar beim Berliner Start-up.
Kurzfassung
Caroobi nennt sich "digitale Werkstatt" und möchte sich - gestärkt durch viel Wagniskapital - zwischen Werkstätten und Autohaltern positionieren. Die Kfz-Betriebe ködert das Start-up mit Werkstattauslastung und Arbeitserleichterung, die Endkunden als "Prozessbegleiter".
Die Idee
Caroobi kooperiert deutschlandweit mit 400 Partnerwerkstätten, deren Qualität regelmäßig geprüft wird. Autobesitzer erhalten telefonische Beratung durch einen der 30 Kfz-Spezialisten von Caroobi. Danach verspricht das Start-up ein bindendes Festpreisangebot. Preisverhandlung und Terminbuchung bis hin zum Bringservice regeln die Berliner. Der Ansprechpartner begleitet Kunden, heißt es. Die kundenzentrierte Perspektive und in Aussicht gestellte Unterstützung durch einen "unabhängigen" Experten dürfte Endkunden gefallen.
- Ausgabe 10/2017 Seite 54 (228.6 KB, PDF)