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Traditionspflege

19.03.2010 12:02 Uhr

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Umbau Serviceannahme

Der Umbau eines bestehenden Gebäudes erfordert von Bauherren und Bauplaner gleichermaßen Kompromissbereitschaft, Leidensfähigkeit und Mut zum Risiko. Wer den mitbringt, kann ein altes Gebäude in ein echtes Schmuckstück verwandeln: Ein gelungenes Beispiel einer Umbaumaßnahme ist der VW-Betrieb Weingärtner in Waakirchen in Oberbayern.

Eigentlich wollten wir nur einen dritten Schreibtisch für einen zusätzlichen Serviceberater anschaffen. Doch damit fing alles an“, erzählt Martin Weingärtner und lacht. Denn der dritte Schreibtisch stellte ihn und seine Frau Andrea vor einige Probleme. „Egal wo wir ihn hinstellen wollten, irgendwo fehlte immer ein Platz und so reifte allmählich die Idee, um den Schreibtisch herum auch das komplette Gebäude zu verändern“, erzählt Andrea Weingärtner. Den Ausschlag dafür gab auch die Tatsache, dass der alte Betrieb zwar durchaus funktional, aber eben auch nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit war. „In der Werkstatt haben wir immer kontinuierlich investiert, dass die Büroräume den Charme der späten 70er Jahre versprühten und eine grundlegende Modernisierung nichts schaden könnte, ist uns eigentlich erst aufgefallen, als wir das Schreibtisch-Thema lösen wollten“, erzählt Martin Weingärtner, der das Unternehmen bereits in dritter Generation führt.

Bauernstube musste weichen

Doch so richtig traute er sich zunächst nicht, tiefgreifend Hand an den traditionsreichen Familienbetrieb zu legen. „Mein Großvater hat in den 1930er Jahren angefangen, hier Fahrräder zu reparieren. Mein Vater und meine Mutter haben das Geschäft dann fortgeführt und ausgebaut. In diesem Jahr feiern wir 50-jähriges Bestehen als Autohaus und Werkstatt.“ Die Bedenken von Martin Weingärtner sind nachvollziehbar, wenn man sich den Betrieb im Detail anschaut. Egal, ob man VW-Fan ist oder nicht, wer nach Waakirchen kommt, sollte sich das ungewöhnliche Betriebsensemble der Familie Weingärtner unbedingt selbst anschauen.

Denn nicht nur das Service- und Werkstattgebäude ist nach dem Umbau sehenswert, auch die Neuwagenausstellung, die sich in einem benachbarten Gebäude im Stil eines oberbayerischen Wohnhauses anschließt, gehört sicher zu den ungewöhnlichsten Fahrzeugverkaufsräumen der Republik. Getoppt wird das noch von der zum Betrieb gehörenden Lackiererei, die sich hauf der gegenüberliegenden Straßenseite in einem Gebäude befindet, in dem über viele Jahre eine Molkerei untergebracht war. Statt Lackiererei prangt denn auch der Schriftzug Molkerei über der Zufahrt und von außen erinnert nichts an einen Lackierbetrieb.

„Wir sind mit der Region und den Leuten fest verhaftet, und die mögen unseren Stil. Darum war es schon ein Wagnis, den alten Servicebetrieb derart gravierend zu modernisieren“, so Martin Weingärtner. Der eigene Stil der Weingärtners hat sich bis nach Wolfsburg herumgesprochen, ganz besonders die legendäre Bauernstube, die es im Betrieb vor der Renovierung noch gab. „Das war ein zentraler Raum, in dem Verträge geschlossen wurden, Mitarbeitergespräche abliefen, Kunden zum Plausch kamen, eben alle wichtigen Kontakte liefen hier ab.“ Dieses traditionelle Kommunikationszentrum zu beseitigen, brachte Martin Weingärtner anfangs kaum übers Herz. Darum wurde anfänglich immer um die gute Stube herumgeplant, aber immer fehlte ein Büro für den Chef. Seine Mutter, die Seniorchefin, war es schließlich, die dem Junior dazu riet die Bauernstube der Modernisierung zu opfern. „Das passt nicht mehr in die Zeit, hat sie gesagt.“ Auf Kommunikationsmöglichkeiten müssen Kunden im Autohaus Weingärtner nach dem Umbau allerdings nicht verzichten. Die neu gestaltete Kundenwartezone strahlt eine helle und freundliche Atmosphäre aus. Große Glasfronten sorgen für viel Licht und verstärken den durch die offene Anordnung der Funktionsbereiche geschaffenen Eindruck von Transparenz. Dominiert wird der Raum vom großen Informationsschalter, an dem sich die Mitarbeiterinnen sofort um die Belange der Kunden kümmern. Chef Martin Weingärtner sitzt in einem dahinter angeordneten Büro, das durch eine durchgehende Glasfront abgetrennt ist.

190 Quadratmeter Raumgewinn

„Es war mir wichtig, die Kunden jederzeit sehen zu können und auch für die Kunden sichtbar zu sein. Denn viele möchten den direkten Kontakt zum Chef; da kann man sich nicht hinter Beton abschotten“, so Martin Weingärtner. Sein alter Arbeitsplatz war aufgrund der Enge im Betrieb etwas versteckt und lag im heutigen Zugang zur Direktannahme. „Durch den Umbau haben wir rund 110 Quadratmeter Fläche im Erdgeschoss plus ca. 80m2 im Obergeschoss hinzugewonnen“, erzählt Weingärtner. Die hat man vor allem durch eine Erweiterung und die um rund 5,50 Meter nach vorne gezogene Gebäudefront gewinnen können. Kleiner Nachteil, die aufgrund der zahlreichen Neu- und Gebrauchtfahrzeuge, Werkstattersatzwagen und Kundenfahrzeuge angespannte Parksituation auf dem Hof hat sich durch den Anbau nicht gerade entspannt. „Es war eine kleine Herausforderung den Behörden den geforderten Parkplatznachweis zu erbringen“, gibt Markus Rickerl, Geschäftsführer von Schneider Planungsbüro zu. Der Umbau in Waakirchen ist bereits das zweite Bauprojekt, das er mit und für die Familie Weingärtner erfolgreich umgesetzt hat. „Die Zusammenarbeit mit den Behörden hat insgesamt sehr gut geklappt, und Herr Rickerl hat uns nicht nur hier stark unterstützt“, lobt Andrea Weingärtner den Planer.

Seine, auch mentale, Unterstützung war vor allem gefordert, als es der alten Bausubstanz an den Kragen ging. Den ersten, aber wesentlichen Schritt dazu erledigte mit großer Begeisterung das 32 Mitarbeiter starke Team vom Autohaus Weingärtner an einem einzigen Samstag. „Wir haben das Gebäude komplett entkernt. Da das Haus über die Jahrzehnte mehrfach umgebaut wurde, kamen erst bei den Entkernungsarbeiten unterschiedliche Materialmixe zum Vorschein“, erzählt Markus Rickerl.

Täglich neue Überraschungen

Angefangen von Beton unterschiedlicher Güte und Festigkeit, maroden Holzbalken bis hin zu Stroh als Dämmmaterial in der Holzbalkendecke war alles geboten. „Und fast täglich haben wir neue Überraschungen erlebt“, erinnert sich Andrea Weingärtner. Feuchtigkeit, wo sie nicht hingehörte, in Folge dessen Schimmel, bröckelnde Fundamente oder eine Holzbalkendecke, die nach der Entkernung einzustürzen drohte und abgefangen werden musste, um ihre Stabilität während des Umbaus zu gewährleisten. Dazu der „normale Wahnsinn“, ein altes Gemäuer mit neuen Ver- und Entsorgungs-leitungen, Strom, Tele-kommunikation etc. auf Vordermann zu bringen.

Was die Nerven der Weingärtners bisweilen strapazierte, war für Markus Rickerl und sein Team fast schon Tagesgeschäft.“ „Natürlich stellt ein solcher Umbau auch für die Bauleute eine andere Herausforderung dar als ein Neubau auf der grünen Wiese. Aber es sind Projekte wie diese, die Spaß machen, weil die Rahmenbedingungen relativ eng gesteckt sind und man schon sehr kreative Lösung finden muss, wenn man etwas Besonderes schaffen will“, erklärt Rickerl. Bei Weingärtners ist das gelungen. „Die Kunden sind alle voll des Lobes und fühlen sich richtig wohl“, freut sich Andrea Weingärtner. Dazu trägt auch die Inneneinrichtung mit viel Holz und warmen Farben bei. Bei den Möbeln hat man sich eng an die CI-Vorgaben aus Wolfsburg gehalten und das aktuelle hochwertige Möbelkonzept des Herstellers umgesetzt. „Nicht ganz billig“, wie Martin Weingärtner zugibt, „aber bei den Kunden kommt es sehr gut an.“

Überhaupt hat der „dritte Schreibtisch“ die üblichen finanziellen Dimensionen für Büromöbel deutlich gesprengt. „Ingesamt haben wir inklusive Hofgestaltung 330.000 Euro investiert“, erzählt Martin Weingärtner. Doch dafür sind nicht nur alle Büromöbel neu, man hat einen Zugewinn von über 190 Quadratmetern Fläche mit dem Umbau erreicht. Im Obergeschoss sind dadurch neue Büroräume für die Buchhaltung und ein Schulungsraum entstanden. Im Erdgeschoss wurde die düstere Reifeneinlagerungskammer in einen repräsentativen Besprechungsraum verwandelt. Und profitiert haben auch die Mitarbeiter, denn für jeden Arbeitsplatz brachte der Umbau einen deutlichen Zugewinn an Platz und Licht.

Realisiert wurde das gesamte Bauprojekt in nur vier Monaten. Bei laufendem Betrieb, wie Martin und Andrea Weingärtner betonen. „Die Werkstatt blieb von den Umbaumaßnahmen unberührt und wir haben mit den Service-Beratern und den Damen im Büro für fünf Monate unser Lager in der Fahrzeugausstellungshalle aufgeschlagen. Das Provisorium hat den Kunden so gut gefallen, dass unsere Kundenzufriedenheitswerte laut Volkswagen in der Umbauzeit sogar noch weiter gestiegen sind, was völlig untypisch ist“, erzählt Martin Weingärtner.

Erfolgreich mit „neuem Schreibtisch“

Jetzt sind er und seine Frau froh, mit vollem Elan im umgebauten Servicebetrieb arbeiten zu können. Und das sehr erfolgreich, denn sowohl im Service- und Teilegeschäft als auch bei den Fahrzeugver-käufen konnte die Fa. Weingärtner ihr Ergebnis 2009 gegenüber dem Vorjahr steigern.

Und auch das Jahr 2010 läuft bislang sehr vielversprechend an. „Selbst im Gebrauchtwagengeschäft konnten wir gegen den Trend weiter wachsen“, sagt Martin Weingärtner. „Kein Wunder“, ergänzt seine Frau und lacht, „wer so schöne Schreibtische hat.“

Frank Schlieben

Bauprojekt

Kenndaten

Adresse: Autohaus Weingärtner, VW-Händler und Servicepartner, Audi und Skoda-Servicepartner, Tölzer Str. 15, Waakirchen, www.ihnen-zur-Freude.de

Baumaßnahme: Umbau und Modernisierung

Bauzeit: Juli bis Oktober 2009

Baupartner: Schneider Planungsbüro GmbH, Plinganserstr. 15, 81369 MünchenTel. 0 89/ 54 82 15 10 info@schneider-planungsbuero.de

Erweiterung EG: 108 Quadratmeter

Umbau EG: 250 Quadratmeter

Umbau OG: 102 Quadratmeter

Investitionssumme: 330.000 Euro (inkl. Inneneinrichtung und Hofgestaltung)

Mitarbeiter: 32 (davon 4 Azubis)

Anzahl der Arbeitsplätze: Mechanische Werkstatt: 8Karosserie: 2Lackierarbeitsplätze: 4

Werkstattdurchgänge: ca. 23/Tag

Servicespektrum: alle Arbeiten und Services inkl. Unfallreparatur und Lackierung

NW* pro Jahr: 550

GW* pro Jahr: 650

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