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Branche sucht Anschluss

21.11.2019 11:00 Uhr
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Wohl und Wehe der Elektromobilität hängen an der Ladeinfrastruktur. Das gilt auch für die "interne" Infrastruktur in Autohäusern. Denn steigt die Zahl der E-Autos, tauchen immer mehr davon in den Prozessketten der Betriebe auf. Sollen Reparatur- und Vorführwagen an den eigenen Wallboxen also nicht Schlange stehen, gilt es jetzt, den Ausbau der Infrastruktur vor der eigenen Haustür anzugehen. Selbst wer E-Autos für Zukunftsmusik hält, kommt kaum noch um den Bau von Ladesäulen herum. Dafür sorgen alleine schon die Hersteller mit entsprechenden Standards.

Doch wo sollen wie viele Ladepunkte mit welcher Ladeleistung platziert werden? Reicht dafür die Netzinfrastruktur vor Ort aus? Weil diese Fragen nicht ganz trivial sind, nehmen viele Unternehmen externe Hilfe in Anspruch. Die Rosier-Gruppe mit ihren 22 Betrieben etwa hat dazu mit dem Unternehmen The Mobility House zusammengearbeitet und die Lueg-Gruppe an ihren mehr als 30 Standorten mit der RWE-Tochter Innogy. Beide Dienstleister haben als Generalunternehmer von der Planung über die Genehmigung bis hin zu Installation und Wartung alle Prozessschritte gesteuert.

Die Dienstleister erarbeiten beide mit den Verantwortlichen des Autohauses erst ein individuelles Ausbaukonzept. "Es gibt leider keine pauschalen Lösungen", sagt Jovan Ikic, Senior Sales Manager bei The Mobility House. Was zu tun sei, hänge immer von vielen, teilweise einander zuwiderlaufenden Punkten ab. Ausgangspunkt sind daher eine standortbezogene Analyse von OEM-Vorgaben, Netzkapazitäten, Verkaufszahlen und Werkstattdurchläufen sowie eine Hochrechnung zur Entwicklung in den kommenden fünf Jahren. Erst dann lasse sich ableiten, was an Ladeinfrastruktur nötig ist und ob dafür eine Erweiterung des Netzanschlusses erforderlich ist.

Faustregeln für die Infrastruktur

Ein paar Faustregeln gibt es dennoch - etwa zur Frage, wo welche Ladepunkte zu installieren sind. So genügen in der Werkstatt oft eine 11-kW-Wechselstrom (AC)- Wallbox und mobile Ladekoffer, weil dort meist nur zu Testzwecken geladen wird. Vergleichsweise wenig Infrastruktur ist auch im Verkaufsraum nötig, wo hauptsächlich das eigene Verkaufsangebot an Ladelösungen präsentiert und der Ladevorgang vorgeführt wird. Im Außenbereich, wo reparierte Fahrzeuge, Vorführoder Werkstattwagen geladen werden, sind aber bei mittelgroßen Betrieben schon jetzt ohne Weiteres fünf bis zehn AC-Ladepunkte mit 11 bis 22 kW erforderlich. Soll es zudem eine öffentliche Lademöglichkeit für Kunden geben, ist unbedingt eine prominent platzierte und vor allem leistungsstarke DC-Ladesäule nötig (50, besser 150 kW). "Die Ladeinfrastruktur muss in ihrem Umfang so konzipiert sein, dass sie die Prozesse im Autohaus unterstützt und nicht behindern kann", erläutert Lothar Stanka, Vertriebsleiter bei Innogy eMobility Solutions.

Daher sollte die Infrastruktur auch ohne großen Aufwand erweiterbar sein. "Wir raten dringend, eine Hochfahrkurve bei Verkauf und Reparatur einzuplanen", sagt Philipp Birkenstock, Leiter Vertrieb bei Innogy Netzservice. So biete es sich an, die Ladesäulen im Außenbereich so zu platzieren, dass daneben Platz für weitere bleibt. Bei den Grabungsarbeiten können dann Leerrohre für die nächsten Säulen gelegt werden. Weil die Erdarbeiten kostspielig sind, sollte zudem der Weg von den Ladestationen zum Verteilerkasten möglichst kurz sein. "Grabungs- und Bauarbeiten am Autohaus sind mit durchschnittlich 3.000 Euro pro Ladepunkt die größten Kostentreiber", sagt Ikic. Ähnlich vorausschauend sollten Kfz-Betriebe beim Netzanschluss vorgehen: Steht der Bau der ersten Ladesäulen an, sollten sie gleich genug Anschlussleistung für weitere Ausbauschritte beantragen.

Ladeinfrastruktur muss mitwachsen

Auch Lueg und die Rosier-Gruppe sind so vorgegangen: Rosier hat dazu mit The Mobility House seine 22 Betriebe in drei Größenformate unterteilt und jeweils Richtwerte kalkuliert, welche Ladeinfrastruktur und Netzanschlussleistung nötig ist, wenn 2025 jeder vierte Neuwagen in Deutschland ein E-Auto wäre. Diese Endausbaustufe wurde bei Planung, Netzanschluss und Grabungsarbeiten zugrunde gelegt. Die Zahl der tatsächlich installierten Ladepunkte entspricht jedoch nur dem aktuellen Bedarf. Erst wenn dieser steigt, rüstet die Gruppe gemäß einem Drei-Stufen-Plan neue Säulen nach. "Damit können wir flexibel auf die reale Marktentwicklung reagieren und senken gleichzeitig unseren Anfangsinvest", erklärt Hendrik Rosier, Spartenleiter Logistik und Rosier-Gesellschafter. So verfügt der Standort Menden derzeit über 14 Ladepunkte. Dank eines neuen Trafos und bereits verlegter Leerrohre könnten aber 15 weitere dazukommen. Ähnlich läuft auch der Ausbau bei Lueg. Die Bochumer Gruppe baut zudem ausgewählte Standorte zu spezialisierten "Elektro-Hubs" mit überdurchschnittlich viel und sehr leistungsfähiger Infrastruktur aus. Der Betrieb in Essen verfügt etwa über eine 160-kW-DC-Ladesäule und einen 1.000-kW-Netzanschluss.

Bei der Auswahl der Ladestationen-Modelle gibt es auch Faustregeln. Viele Experten raten tendenziell zu etablierten europäischen Anbietern. Bei Billig-Importen aus Asien sei Vorsicht geboten, weil diese oft nicht den hiesigen Sicherheitsstandards entsprechen. Wurde eine Ladesäule zudem nur für den chinesischen Markt produziert und zugelassen, haftet der Käufer, wenn damit in Deutschland aufgrund von Produktmängeln ein Unfall passiert. Die Ladeleistung der Wallboxen oder Ladesäulen sollte bei mindestens 11 kW AC liegen. Da der Preissprung von einer 11-kW- auf eine 22-kW-AC-Wallbox aber meist bei unter 100 Euro liegt, sei es mit Blick auf die Zukunft sinnvoll, gleich die höhere Leistungsstufe zu wählen, gibt Ikic zu bedenken. Das sehen Lueg und Rosier ähnlich: Sämtliche Ladestationen der Gruppen erlauben Ladevorgänge mit 22 kW Wechselstrom. Und sie erfüllen den OCPP1.6-Kommunikations-Standard.

Dieser Open-Source-Standard ist Voraussetzung für die Kommunikation der Ladestation mit Lade- und Energiemanagement-Systemen im Backend. "Wir empfehlen unbedingt, darauf zu achten", sagt Stanka. Ohne intelligente Lade- und Energiemanagement-Software sei es etwa nicht möglich, ein Lastmanagement zu etablieren. Dieses sorgt dafür, dass die Energiekosten nicht aus dem Ruder laufen. Dazu regelt es die Energiezufuhr an den Ladestationen so herunter, dass keine teuren Lastspitzen entstehen, wenn mehrere Fahrzeuge parallel laden oder in der Werkstatt gerade das Schweißgerät läuft. Gleichzeitig sorgt es dafür, dass die Betriebsabläufe nicht ins Stocken kommen. So priorisiert die Software Vorführwagen, die schnell einsatzbereit sein müssen, während sie die Ladeleistung bei Mitarbeiterautos, die erst am Abend vollgeladen sein müssen, drosselt. Mit einem Lastmanagement ist es folglich nicht nötig, den Netzanschluss zu erweitern. Durch die deutlich niedrigeren Lastspitzen sinken auch die jährlichen Netzentgelte.

Ein Lade- und Energiemanagement ist auch nötig, um den Zugang zu den Ladestationen zu reglementieren. Bei der Rosier-Gruppe etwa funktioniert dies über Karten mit RFID-Chips. Diese sind im Lademanagement-System hinterlegt und bestimmten Nutzern zugeordnet, die sich darüber authentifizieren und die Ladestation freischalten können. Obwohl die Ladestationen bei Rosier prominent und weithin sichtbar positioniert sind, ist es für Kunden oder Externe derzeit aber noch nicht möglich, dort selbstständig zu laden. "Dafür sehen wir derzeit noch keinen Bedarf. Nichtsdestotrotz sind die öffentlich sichtbaren Ladesäulen wichtig, um uns als Vorreiter zu positionieren und unseren Kunden das Thema näherzubringen", sagt Rosier.

Das sieht Kaiser ähnlich: "Wenn wir unsere Kunden begeistern wollen, müssen wir zeigen, dass wir uns selbst zur E-Mobilität bekennen. Sonst leidet unsere Glaubwürdigkeit. Darüber hinaus können wir auf diese Weise zeigen, dass wir weiter sind als die meisten anderen Händler." Um diese Botschaft breit zu streuen, hat sich die Lueg- Gruppe entschieden, einen Teil der eigenen Ladeinfrastruktur öffentlich zugänglich zu machen. Es gehe laut Kaiser nicht um hohe Erträge auf absehbare Zeit: "Das klare Bekenntnis zur E-Mobilität steht im Vordergrund." Durch die Ladeinfrastruktur gebe es laufend Kontakt zu Bestands- und potenziellen Neukunden, die während des Ladens in den Showroom kommen - und dort später dann möglicherweise ihr nächstes E-Auto kaufen.

Fast Facts E-Infrastruktur

Hilfe suchen:Beim Aufbau einer zukunftsfähigen Ladeinfrastruktur lauern zahlreiche Stolperfallen. Wer diese nicht kennt, sollte sich Expertenrat einholen. Schon eine ungünstig platzierte Ladesäule kann aufgrund unnötig aufwendiger Erdarbeiten Tausende Euro zusätzlich kosten und so jede Ersparnis zunichtemachen. Die Spezialisten helfen meist aber nicht nur bei der richtigen Platzwahl, sondern auch bei allen anderen Fragen rund um Planung, Genehmigung, Wartung und Fördermittel.Infrastruktur skalieren:In der Werkstatt genügen oft nur eine 11-kW-AC-Wallbox und ein mobiler Ladekoffer, im Verkaufsraum tut es (am Anfang) oft bereits nur ein Ladepunkt oder sogar nur eine Attrappe; nur beim Laden von Vorführern, Werkstatt- und Kunden-Pkw sollte nicht zu klein dimensioniert werden.Infrastruktur in die Zukunft denken:Maßstab sollte sein, welche Infrastruktur in fünf Jahren nötig wäre: Ladesäulen auf Zuwachs planen bei Parkraum und Leerrohren; Anschlussleistung ggf. "auf Vorrat" beantragen.Hardware nicht "billig" kaufen:Vorsicht bei "Billigware" bei der Hardware: Werden Sicherheitsstandards erfüllt? Ist der Hersteller für Haftungsfragen greifbar?Auf Standards achten:Ladesäulen sollten mit dem Kommunikations-Standard OCPP1.6 arbeiten können, um intelligentes Lade- und Energiemanagement zu ermöglichen.Lastmanagement einplanen:Lastspitzen sind teuer, denn sie erfordern einen (eigentlich) überdimensionierten Netzanschluss oder sogar einen Trafo. Besser ist die gleichmäßige Verteilung der Stromnachfrage.Ladestationen in Szene setzen:Ladestationen sind auch wichtige Imageträger, um die Elektromobilität glaubwürdig in Szene zu setzen.

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