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Porsche Cayenne: Vom Außenseiter zum Wegbereiter

08.12.2020 08:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Die ersten Entwürfe des Porsche Cayenne sind bereits sehr nah am späteren Fahrzeug. Dass dieses ein riesiger Erfolg werden würde, war damals alles andere als absehbar.
© Foto: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

Als Porsche 2002 den ersten Cayenne vorgestellt hat, dachten viele noch an einen Ausrutscher. Doch längst baut Porsche mehr Gelände- als Sportwagen, der Erstling hat zahlreichen Konkurrenten den Weg geebnet und gerade die erste Million vollgemacht. 911 & Co können da schon lange nicht mehr mithalten.

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Von Benjamin Bessinger/SP-X

Ein Vorstandschef in Gummistiefeln – zumindest bei Porsche hat es das seit den Tagen der Traktoren nicht mehr gegeben, und die wurden 1963 eingestellt. Doch knapp 40 Jahre später hat Porsche-Chef Wendelin Wiedeking noch einmal robustes Schuhwerk eingepackt, als er im Herbst 2002 zur Präsentation eines neuen Modells nach Spanien geflogen ist. Denn statt auf die Rennstrecke ging es auf die Buckelpiste, und statt eines Sportwagens hat er den ersten Geländewagen der Marke enthüllt: Vorhang auf und Bühne frei für den Cayenne.  

Unter dem Codenamen "Colorado" entwickelt und eng mit dem VW Touareg verwandt, sollte er der Marke endlich einen Sinn geben und damit neue Kundenkreise erschließen. Denn in ungewohnter Offenheit hatte Wiedeking damals die Frage beantwortet, wer bis dato einen Porsche brauche: "Eigentlich niemand." Statt deshalb aber den Laden dicht zu machen, hat er den ersten Porsche mit Mehrwert auf den Weg gebracht: Ein "Sport Utility Vehicle (SUV) mit überragenden Eigenschaften im Gelände zu erstellen, das den Reisekomfort einer Oberklasse-Limousine mit der Agilität eines Sportwagens verbindet," hat er seinen Ingenieuren ins Lastenheft geschrieben. Und was die geliefert haben, kam offenbar gut an.

Mit Abstand erfolgreicher als der 911

Schon vor dem Verkaufsstart im Dezember 2002 hat Porsche die Prognose für das erste Jahr von 25.000 auf 30.000 Autos angehoben und die Produktion danach beständig gesteigert. So ist der Cayenne nicht nur zur mittlerweile erfolgreichsten Porsche-Baureihe geworden und hat bereits im Geschäftsjahr 2007/2008 den 911 mit knapp 50.000 Stück bei einer Gesamtproduktion von mehr als 105.000 Autos überholt. Kurz vor der zweiten Halbzeit für die bereits dritte Generation des SUV-Flaggschiffs ist gerade die erste Million voll geworden ist. Zum Vergleich: Vom 911 hat Porsche in dieser Zeit kaum mehr als halb so viele Autos verkauft.  

Die erste Generation des Cayenne stammt aus der Feder des damaligen Designchefs Harm Lagaaij und startet gleich als Turbo – mit 450 PS und 266 km/h Spitze steigen die Schwaben ganz oben ein. Allerdings wagen sie später noch einen zweiten Tabubruch und bringen sogar einen Diesel – mit großem Erfolg. Als nach 275.000 Exemplaren die zweite Generation startet, wird der Cayenne einmal mehr zum Vorreiter und läutet bei Porsche die Hybrid-Ära ein – erst noch ohne und dann ab 2014 auch mit Steckdosen-Anschluss. Das läuft so gut, dass Porsche 2017 beim Cayenne III erst gar keinen Diesel mehr anbietet. Erst recht nicht, nachdem die Schwaben mit in den Strudel des Abgasskandals im VW-Konzern geraten sind.  

In China gilt Porsche als Geländewagenhersteller

Mit dem Cayenne hat nicht nur Porsche die Nische verlassen und seine Marktabdeckung dramatisch erweitert. Nicht umsonst gelten die Stuttgarter zum Beispiel in China als Geländewagenhersteller und müssen ihren Sportsgeist erst mühsam etablieren. Sie haben auch vielen anderen Herstellern den Weg ins einträgliche Abseits geebnet.  

Natürlich gab es auch vorher schon potente, prestigeträchtige und teurer SUV – angefangen beim Range Rover und der Mercedes G-Klasse bis hin zu damals noch jungen Autos wie dem Mercedes ML oder dem BMW X5. Und notorische Besserwisser erinnern zurecht an den Lamborghini LM002 als erstes SUV eines Sportwagenherstellers, selbst wenn der mit 301 verkauften Exemplaren allenfalls eine Fußnote in der PS-Geschichte rechtfertigt. Doch ohne den Erfolg des Cayenne hätte es weder einen Bentley Bentayga gegeben, noch einen Lamborghini Urus. Und genau wie bei Porsche sind die SUV auch dort mittlerweile die mit Abstand meistverkauften Modelle geworden.

Vorbild für andere Luxushersteller

Davon haben sich auch Marken außerhalb des VW-Konzerns inspirieren lassen: Maserati hat mit dem Levante nachgezogen, Rolls-Royce mit dem Cullinan, Aston Martin mit dem DBX und selbst Ferrari hat mittlerweile allen Widerstand aufgegeben und mit der Entwicklung des ersten SUV begonnen, das binnen zwei Jahren auf den Markt kommen soll. Den Namen haben die Italiener schon jetzt verraten, weil sie damit den Puristen die Angst nehmen wollen: Purosangue soll der Ferrari für Feld, Wald und Wiese heißen: Reines Blut.

Fehlt jetzt eigentlich nur noch McLaren. Zwar weigern sich die Briten bislang standhaft und wollen sich dem Alltag nicht weiter annähern als mit dem GT, der als erster McLaren überhaupt solch praktische Nebensächlichkeiten bietet wie einen Schminkspiegel und ein Handschuhfach. Einem echten SUV erteilen sie deshalb beständig eine Absage. Doch muss man kein Prophet sein, um auch in Woking eine gewisse Profitgier zu unterstellen. Und je weiter der Brexit und Corona den Kassenstand drücken, desto größer könnte die Versuchung werden.  


Rückblick: Eine Million Porsche Cayenne

Rückblick: Eine Million Porsche Cayenne Bildergalerie

Porsche hat kürzlich seinen ein-millionsten Cayenne produziert.
© Foto: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

Ein schlechtes Gewissen muss da niemand haben, und auch keine Angst um verwässerte Markenwerte. Auch das beweise das Beispiel des Cayenne, sagt Jan Burgard vom Strategieberater Berylls in München: "Ich sehe hier eher eine Übertragung dieser Werte auf ein neues Spielfeld, welches durch zunehmende Elektrifizierung ohnehin durchgerüttelt wird." Der Cayenne zähle zweifellos zu den sportlichsten Premium-SUV und passe daher sehr gut zur Marke Porsche, ähnlich wie ein DBX zu Aston Martin oder ein Urus zu Lamborghini. Und die großen SUV von Bentley, Rolls Royce und Maybach verkörperten mit ihren Luxus- und Komfort-Attributen ebenfalls die Werte ihrer Marken, sagt der Experte: Damit hätten sich Hersteller und Händler neue Zielgruppen erschlossen und Geld für Investitionen verdient, die dann natürlich auch den Sportwagenkäufern zugutekamen. Ohne Cayenne & Co könnte sich Porsche einen 911 womöglich gar nicht mehr leisten.  

"Größerer Meilenstein als der Wechsel vom luft- auf den wassergekühlten Sechszylinderboxer."

Statt die Schwaben für den Schritt aus der Nische auf den Massenmarkt zu kritisieren, müsse man den Strategen dazu gratulieren, dass sie sich so frühzeitig dem SUV-Segment zugewandt haben. Der Erfolg in den meisten Märkten von China bis USA hängt längst maßgeblich an Cayenne und Macan, analysiert Burgard und die Zahlen aus Zuffenhausen geben ihm Recht: Von den knapp 192.000 Autos, die Porsche in den ersten drei Quartalen ausgeliefert hat, waren gut 64.000 Cayenne – das sind 34 Prozent. In China lag der Anteil sogar bei 37 Prozent und in Deutschland als Mutterland der Schnellfahrer noch immer bei 21 Prozent, meldet der Vertrieb.  

"Weltweit nimmt die Bedeutung von Sportwagen und sportlichen Coupés eher ab, während der Zuspruch zu Luxus-SUV weiter stark wächst", ist Burgard überzeugt: "Da mag das Murren der gusseisernen Sportwagenfans noch so groß sein, der Cayenne ist für Porsche ein weit größerer Meilenstein als der Wechsel vom luft- auf den wassergekühlten Sechszylinderboxer."

SUV-Gewinne finanzieren die Elektromobilität

Selbst der notorisch kritische Autopapst Ferdinand Dudenhöffer zollt Porsche Lob und Anerkennung für den mutigen Schritt und akzeptiert den vermeintlichen Sündenfall der Sport- und Luxushersteller: "Die Autobauer machen prächtige Gewinne mit den Fahrzeugen. Mit diesen Gewinnen ist es möglich, andere wichtige Investitionen zu finanzieren, wie die teure Elektromobilität", sagt er mit Blick auf die allein 50.000 Luxus-SUV, die in Deutschland in diesem Jahr verkauft werden. Allerdings seien diese Gewinne nicht ohne Risiko, mahnt der Experte: Dickschiffe konfrontieren und haben damit auch einen negativen Imageeffekt, der insgesamt das wichtig SUV-Segment belastet. "Ein Großteil der Luxus-SUV sind mächtig, vielleicht zu mächtig für zum Teil enge Straßen in unseren Städten, enge Parkbuchten und konfrontativ für Radfahrer und Fußgänger."

Zwar könne man das Klimawandel-Dilemma der Luxus-SUV lösen, so wie es etwa Tesla mit dem Model X, Mercedes mit dem EQC oder Audi mit dem E-tron getan haben. "Aber es bleibt die Konfrontation durch die pure Größe: Autos von mehr als fünf Metern Länge, zwei Metern Breite und 1,80 Metern Höhe sind eher gedacht für Amerikaner, Saudis oder Chinesen", sagt Dudenhöffer und mahnt, solche Riesen für diese Regionen zu reservieren: Für heimische Gefilde fordert er mehr Mittelmaß beim Luxus und empfiehlt Porsche & Co einen Blick ins eigene Archiv: "Die Rückkehr zur Größe des ersten Cayenne wäre für deutschen Straßen nicht das schlechteste." 

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KOMMENTARE


Franko-Ede

08.12.2020 - 16:19 Uhr

Bei aller Freude sind aber andere Pinoniere zu nenne. 1997 der Mercedes ML, 1999 der Bayern X5. Sovie Zeit muß sein!


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