"Vergütungserwartung": Geduldete Überstunden sind zu bezahlen

07.08.2012 17:10 Uhr
LAG-Urteil: Nimmt der Arbeitgeber stillschweigend ständige Überstunden hin, so weckt er bei den Angestellten berechtigte Erwartungen auf eine entsprechende Zusatzvergütung.

Setzt der Arbeitgeber zur Zeiterfassung eine Computer-Tabelle ein, aus der die Tätigkeiten während der Überstunden nicht hervorgehen, hat er selbst Schuld. Er muss diese laut einem Urteil bezahlen.

Ein Vorgesetzter hat darauf zu achten, dass in seinem Bereich das Aufgabenpensum möglichst innerhalb der regulären Arbeitszeit erledigt wird. Nimmt er stillschweigend ständige Überstunden hin, so weckt er bei den Angestellten berechtigte Erwartungen auf eine entsprechende Zusatzvergütung, denen das Unternehmen nachkommen muss. Das hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg festgestellt (Az.: 6 Sa 1941/11 ).

Wie die Deutsche Anwaltshotline meldete, hatte eine Büroangestellte eine mit 2.000 Euro monatlich dotierte Stelle mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Bei ihrer Einstellung wies ihr neuer Chef sie an, stets Arbeitsbeginn und -ende in eine im Computer hinterlegte Anwesenheitsliste einzutragen. Das tat die Frau auch, wobei die Tabelle schließlich insgesamt fast 400 Überstunden anzeigte. Die wollte die Frau nun zusätzlich vergütet haben. Und stieß dabei bei ihrem Arbeitgeber auf taube Ohren.

Die Computer-Auflistung würde nichts darüber aussagen, welche Tätigkeiten die Frau in den vermeintlichen Überstunden ausgeführt habe. Nur so könne aber geprüft werden, ob sie nicht in der Lage gewesen wäre, die ihr zugewiesenen Arbeiten innerhalb der regulären Arbeitszeit zu erledigen und ob die behaupteten Überstunden tatsächlich betriebsnotwendig gewesen seien. Und außerdem hätten die Geschäftsführer von der auf dem allgemeinen Server hinterlegten Arbeitszeit-Tabelle sowieso keine Kenntnis gehabt.

Weil die umstrittene Anwesenheitsliste aber nicht von der Büroangestellten in Eigeninitiative angefertigt wurde, sondern wie bei allen Mitarbeitern auf ausdrückliche Weisung ihres Vorgesetzten ausgefüllt wurde, konnte der Arbeitgeber mit seinen Argumenten nicht punkten. "Eine solche Duldung von Überstunden durch den Vorgesetzten als Direktionsbefugten muss sich dann aber letztendlich der Arbeit- und Lohngeber zurechnen lassen", erklärte Rechtsanwältin Tanja Leopold den Berliner Urteilsspruch. Die Frau hat wegen der bei ihr geweckten Vergütungserwartung zu Recht Anspruch auf Zahlung eines restlichen Gehalts in Höhe von 4.369,57 Euro brutto. (asp)

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