Seit vier Jahren ist Karsten Lorenzen Prokurist und Serviceleiter bei der Wilhelmsen Automix GmbH im nordfriesischen Enge-Sande. In der Mehrmarkenwerkstatt sind rund 30 Mitarbeiter beschäftigt, das Führungsteam setzt sich aus einem Geschäftsführer und einem weiteren Prokuristen zusammen. Bereits vorher war Lorenzen als kaufmännischer Angestellter im Teile- und Zubehörbereich bei Wilhelmsen Automix beschäftigt. Auf seine Führungsaufgaben und die neue Rolle bereitete er sich mit Weiterbildungen des Kfz-Verbands Schleswig-Holstein vor. "Ich habe damals fast alle Führungsseminare besucht, die angeboten wurden, um im Umgang mit den Mitarbeitern Sicherheit zu bekommen", erinnert sich Lorenzen. Seine wichtigste Erkenntnis: "Als Diktator kommt man nicht weiter." Daher ist es ihm wichtig, die Mitarbeiter ernst zu nehmen und sie in Entscheidungen mit einzubinden. Gute Führungskräfte zeichnen sich seiner Meinung nach durch Konsequenz und die faire Behandlung aller Mitarbeiter aus.
Gutes Betriebsklima
Dennoch achtet Lorenzen darauf, auf individuelle Wünsche einzugehen, soweit es der Betriebsablauf zulässt - etwa wenn es um Urlaubswünsche geht. Dass das Betriebsklima bei Wilhelmsen Automix stimmt, erkennt er nicht zuletzt daran, dass das Team sich auch nach Feierabend trifft. "Derzeit planen wir ein gemeinsames Wochenende, an dem unsere Mitarbeiter sowohl etwas für ihr Fachwissen als auch für ihre Seele tun können", erklärt Lorenzen.
Dass Seminare zum Thema Mitarbeiterführung nicht nur den Aufstieg in Führungspositionen erleichtern, sondern auch dazu beitragen können, erfahrenen Vorgesetzten und Chefs neue Impulse zu geben, betont Marcus Müller. Der betriebswirtschaftliche und psychologische Berater und Trainer, der regelmäßig für das Kfz-Gewerbe tätig ist, spricht gerne von der Entwicklung einer Führungspersönlichkeit. Zu deren wichtigsten Eigenschaften zählt für Müller die Menschenorientierung, also der Spaß am Umgang mit Menschen und die Freude daran, Mitarbeiter bei ihrer fachlichen, aber auch persönlichen Weiterentwicklung zu unterstützen. Mindestens genauso wichtig ist für Marcus Müller ein hohes Reflektionsvermögen: "Eine gute Führungskraft legt Wert auf ehrliches Feedback und ist bereit, daraufhin ihr Verhalten zu ändern." Denn eine perfekte Führungspersönlichkeit komme im wahren Leben selten bis nie vor. Wer jedoch eine gewisse Offenheit für konstruktive Kritik mitbringe und bereit sei, an sich selbst zu arbeiten, könne sich in diese Richtung entwickeln.
"In meinen Seminaren sind einige Teilnehmer immer wieder schockiert, wenn sie jemand auf etwaige Schwächen hinweist", sagt Müller. "Und ich bin immer wieder erstaunt, wie sie mit diesen Informationen umgehen." Verleugnen, abperlen lassen, sich lautstark rechtfertigen. Schließlich sind es Führungskräfte und Unternehmer nicht gewohnt, dass ihr Verhalten kritisiert wird. Dadurch entsteht bei einigen der
Eindruck, sie seien nahezu perfekt. Das zeugt zwar von einem starken Selbstbewusstsein in Kombination mit guten Verdrängungsmechanismen. Meist handelt es sich dabei allerdings um einem Trugschluss, der sich negativ auf die Motivation der Mitarbeiter, das Betriebsklima und letztlich auf die Entwicklung des Unternehmens auswirkt.
Führungspersönlichkeit entwickeln
Ein Chef, dem seine Mitarbeiter auch in kritischeren Situationen offen und ehrlich die Meinung sagen, macht in Sachen Führung schon ziemlich viel richtig. Ein gutes Zeichen ist es auch, wenn Mitarbeiter ihren Arbeitgeber in ihrer Familie, ihrem Freundes- und Bekanntenkreis weiterempfehlen oder ein Team auch nach Feierabend gemeinsam mit den Chefs noch etwas unternimmt. Deutliche Anzeichen, sich über das Führungsverhalten Gedanken zu machen, sind laut Marcus Müller dagegen sinkende Produktivität, steigende Krankheitszeiten sowie der Eindruck, dass keiner mitdenkt. Auch wenn das gesamte Team nur Dienst nach Vorschrift schiebt, weist das auf ein Führungsproblem hin.
"Führungsseminare können die subjektive Wahrnehmung durchaus verändern. Doch wer wirklich daran arbeiten will, sein Verhalten gegenüber seinem Team nachhaltig zu verändern, für den ist ein Coaching ideal", sagt Müller. Dabei begleitet der Coach den Chef einen ganzen Arbeitstag lang und nimmt auf, wie er im Umgang mit Mitarbeitern und Kunden agiert. "Bereits nach ein, zwei Coaching-Tagen ergibt sich ein klares Bild, wo Führungsschwächen liegen", sagt Müller. Danach kann ein Coach auch konkrete Handlungshinweise geben und dabei unterstützen, die neuen Verhaltensweisen im Alltag umzusetzen.
Die Mühe lohnt sich. Denn es besteht ein Zusammenhang zwischen der Qualität der Führung und der Leistungskraft eines Unternehmens. Dies belegt der jüngste "Engagement Index" des Beratungsunternehmens Gallup. Die Studie basiert auf einer repräsentativen Umfrage, für die im Jahr 2014 über 2.000 zufällig ausgewählte Arbeitnehmer ab 18 Jahren interviewt wurden.
Emotionale Bindung entscheidend
Der Engagement-Index misst die emotionale Bindung von Mitarbeitern an ihren Arbeitgeber. 15 Prozent der Beschäftigten zählen zu den Mitarbeitern, die bereits innerlich gekündigt haben. Genauso hoch ist die Quote der emotional hoch gebundenen Mitarbeiter, die Gallup als Leistungsträger identifiziert hat. Mehr als zwei Drittel zählen zu den gering gebundenen Mitarbeitern: Sie schieben Dienst nach Vorschrift.
Laut Marco Nink, Senior Practice Consultant bei Gallup, belegt die Studie, dass Führungsqualitäten hohen Einfluss auf die emotionale Bindung haben. Dazu einige Erkenntnisse:
- Von den Befragten, die das Gefühl haben, dass sie sich immer an ihren Vorgesetzten wenden können, egal, welche Fragen sie haben, sind 31 Prozent emotional hoch an ihren Arbeitgeber gebunden. Bei denjenigen, die dieser Aussage widersprechen, sind es nur zwei Prozent.
- Von den Befragten, die regelmäßige Besprechungen im Team haben, sind 20 Prozent emotional hoch gebunden - dagegen sind es nur elf Prozent der Mitarbeiter, bei denen keine regelmäßigen Meetings stattfinden.
- Von den Befragten mit Vorgesetzten, die sich auf die Stärken ihrer Mitarbeiter konzentrieren, weisen 36 Prozent eine hohe Bindung auf. Von den Mitarbeitern, bei denen diese Aussage nicht zutrifft, sind nur zwei Prozent emotional hoch gebunden.
Interessant sind auch die folgenden Ergebnisse: Ein Viertel der Teilnehmer hat schon einmal seine Arbeitsstelle wegen eines Vorgesetzten gekündigt, um das eigene Wohlbefinden zu verbessern. 19 Prozent der Mitarbeiter ohne emotionale Bindung sind aktiv auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. Untern den emotional hoch gebundenen Mitarbeitern ist es lediglich ein Prozent. "Darüber hinaus weisen emotional nicht gebundene Mitarbeiter im Schnitt fünf Tage mehr Fehlzeiten auf als ihre emotional hoch gebundenen Kollegen", sagt Marco Nink. Sein Fazit: "Gute Führung steigert die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen - schlechte Führung hingegen ist ein kritischer Kostenfaktor."
Kurzfassung
Gute Führung ist ein klares Wettbewerbskriterium, schlechte hingegen kostet Geld. Coachings und Führungsseminar können bei der Entwicklung von Führungsqualitäten helfen. Entscheidend ist unter anderem der Spaß im Umgang mit Menschen.
Das geht gar nicht...
Klassische Führungsfehler, die Marcus Müller bei seinen Coachings von Chefs und Führungskräften in Kfz-Betrieben immer wieder beobachtet:1. Mitarbeiter anschreien: Selbst in hoch emotionalen Situationen und beim größten Ärger ist das nicht in Ordnung. So viel Selbstbeherrschung muss sein. Mitarbeiter, die angebrüllt werden, suchen sich meist rasch einen besseren Arbeitsplatz - oder sie kündigen innerlich. Dass die Guten gehen und alle anderen Dienst nach Vorschrift schieben, ist die Konsequenz.2. Unklare Aufgabenverteilungen: Den Großteil der Mitarbeiter verunsichert und stresst es, wenn sie nicht genau wissen, was sie zu tun haben. Bessere Strukturen in den Arbeitsalltag einzuführen, entlastet übrigens auch die Führungskraft, da sie nicht ständig mit Rückfragen bombardiert wird.3. Mitarbeiter vor vollendete Tatsachen stellen: Viele Werkstattinhaber informieren ihre Mitarbeiter nicht rechtzeitig über Themen, die für alle wichtig sind - von Mitsprachemöglichkeiten ganz zu schweigen. Sinnvoll ist es, das Team frühzeitig einzubinden, wenn es etwa um den Kauf von Werkstattausstattung geht. Schließlich kann es durchaus sein, dass die Mechatroniker ziemlich klare Vorstellungen davon haben, was ihre Arbeit erleichtern würde. Ein weiteres Beispiel: Wenn Werkstattinhaber Azubis einstellen, sollten sie die Kandidaten dem Meister, der die Ausbildung durchführt, zumindest vorstellen und seinen Eindruck berücksichtigen.4. Zu wenig Lob: "Nicht gemeckert ist genug gelobt" - das mag noch vor zehn Jahren gut funktioniert haben, heute kommt eine Führungskraft mit dieser Einstellung nicht sehr weit. Besser ist es, die Leute dorthin zu loben, wo man sie haben will. Das funktioniert allerdings nur mit echtem Lob - nicht mit Bauchpinselei.
- Ausgabe 10/2015 Seite 48 (182.3 KB, PDF)