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Reine Männersache?

19.04.2013 12:02 Uhr

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Frauen in der Werkstatt

Frauen, die in einer Kfz-Werkstatt arbeiten, sind immer noch eine Seltenheit. Dabei kommen Kfz-Meisterinnen und -Mechatronikerinnen nicht nur bei weiblichen Kunden gut an. Doch bevor die Frauenquote in Werkstätten steigt, müssen offenbar erst noch gewisse Vorurteile beseitigt werden.

Kann ich mal den Meister sprechen?“ Diese Frage hört Simone Palm mit schöner Regelmäßigkeit von neuen Kunden. „Wenn ich dann erkläre, dass ich die Kfz-Meisterin und Geschäftsführerin bin, ist das auch kein Problem“, sagt Palm. Offen negativ habe noch kein Kunde reagiert – und sofort wieder vom Hof gefahren sei auch noch keiner. 2003 gründete sie zusammen mit Anna Kennerknecht die Autoviva GmbH in Berlin-Spandau.

Als Betriebswirtin des Handwerks ist Kennerknecht für das Kaufmännische zuständig, Palm für Werkstatt und Technik. An der Annahme sitzen beide gemeinsam. „Unsere Kunden finden es gut, dass sie sofort Kontakt zu den Chefinnen haben“, betont Palm.

Während die Männer ob der Frauenpower bei Autoviva eher erstaunt sind, reagieren Kundinnen ausgesprochen positiv darauf. „Wir hören mindestens einmal am Tag, wie toll es ist, dass hier Frauen eine Werkstatt leiten“, freut sich Palm. Sie selbst interessierte sich schon als Mädchen für Autos und Verbrennungsmotoren, daher war es nur konsequent, dass sie eine Ausbildung zur Kfz-Mechanikerin absolvierte. „In der Berufsschule war es dann schon komisch, das einzige Mädchen in der Klasse zu sein. Lediglich eine Klasse unter mir war noch ein anderes Mädchen“, erinnert sich Palm. Diskriminiert fühlte sie sich in der Berufsschule allerdings selten. Auch bei ihren weiteren beruflichen Stationen nach Abschluss ihrer Ausbildung hatte sie keine Schwierigkeiten, sich als Frau zu behaupten.

1992 absolvierte sie ihre Meisterprüfung und war anschließend auch im Lkw-Bereich als Werkstattleiterin tätig, danach als Ausbilderin der Kfz-Innung Berlin. Vor zehn Jahren wagte sie den Sprung in die Selbständigkeit, den sie bislang nicht bereut hat. Aus Platzgründen zog die Werkstatt 2006 an den jetzigen Standort in der Altonaer Straße in Berlin und wurde Bosch Service. „Die Werkstatt läuft ausgesprochen gut“, sagt Palm. Mittlerweile beschäftigt Autoviva sechs Kfz-Mechatroniker und eine Aushilfsfahrerin. Sich bei ihren Mitarbeitern durchzusetzen, fällt Simone Palm nicht schwer. „Ich bin die Chefin in der Werkstatt und was ich sage, wird gemacht. Wer die Verantwortung trägt bestimmt nun mal, wo‘s langgeht und prägt das Profil des Unternehmens.“ Im Grunde würde sie zwar einen anderen, etwas weniger autoritären Führungsstil bevorzugen. Aber um ein männliches Team zu führen, müsse man als Chefin nicht nur fachlich überzeugen, sondern auch entsprechend auftreten, so ihr Fazit nach zwanzig Jahren Führungserfahrung in Pkw- und Nutzfahrzeugwerkstätten.

Anna Kennerknecht und Simone Palm würden ausgesprochen gerne Mechatronikerinnen einstellen oder weiblichen Werkstattnachwuchs ausbilden. Doch es fehlt an Bewerberinnen. „Leider interessieren sich einfach zu wenig Mädchen für diesen Ausbildungsberuf“, so Palm.

Frauenquote unter drei Prozent

Tatsächlich ist der Anteil der jungen Frauen, die einen Ausbildungsvertrag zur Kfz-Mechatronikerin abschließen, gering. Birgit Behrens, Geschäftsführerin Berufsbildung des Zentralverbands des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK), beziffert die Quote der weiblichen Azubis auf 2,8 Prozent. „Der Wert pendelt seit Jahren auf diesem niedrigen Niveau“, bedauert Behrens. „Obwohl wir uns intensiv darum bemühen, auch Mädchen für die technischen Kfz-Berufe zu interessieren.“ So wird zum Beispiel beim jährlichen Leistungstest junger Kfz-Mechatroniker ein Sonderwettbewerb für Mechatronikerinnen in Ausbildung und nach bestandener Gesellenprüfung Teil 1 veranstaltet. „Nicht zuletzt, um einer breiteren Öffentlichkeit zu zeigen, dass auch junge Frauen diesen Beruf wählen und darin erfolgreich sind“, sagt Behrens. Aktivitäten zum Girls‘ Day, der in diesem Jahr am 25. April stattfindet (siehe Kasten), gehören ebenfalls dazu. Hier wirbt der ZDK dafür, dass sich Mädchen an diesem Tag auch in Kfz-Werkstätten umschauen.

Falsche Vorstellungen etabliert

Behrens ist der Meinung, dass nicht nur die Mädchen selbst, sondern auch deren Eltern, Lehrer und Berufsberater häufig falsche Bilder über die technischen Werkstattberufe im Kopf haben. „Ein Teil des Problems besteht darin, dass die jungen Frauen gar nicht erst darauf aufmerksam gemacht werden, dass es diese Berufe gibt und dass sie durchaus auch für sie in Frage kommen.“ Allerdings räumt auch die ZDK-Geschäftsführerin ein, dass eine gewisse Affinität zum Auto und zum Schrauben wichtige Voraussetzungen und bei Mädchen eben nicht besonders häufig zu finden seien. „Doch auch die Kfz-Betriebe könnten sich etwas mehr um weiblichen Nachwuchs für die Werkstatt bemühen“, betont Behrens. „Denn der demografische Wandel lässt sich nicht mehr aufhalten. Im Osten Deutschlands ist es heute schon schwierig, Azubis zu finden. In den nächsten Jahren wird sich die Situation auch in den anderen Regionen verschlechtern.“ In dieser Situation die Hälfte der potenziellen Azubis zu ignorieren, sei nicht sinnvoll.

Das betont auch Friederike Tanzeglock, Geschäftsführerin der Vestischen Innung des Kfz-Gewerbes. „Bei uns absolvieren pro Ausbildungsjahrgang seit Jahren lediglich drei bis vier junge Frauen die Gesellenprüfung. Das ist natürlich viel zu wenig, um die Präsenz von Frauen in Kfz-Betrieben zu erhöhen.“ Mittlerweile komme es in der Branche zumindest häufiger vor, dass etablierte Unternehmen auch von Töchtern übernommen werden. „Doch um ein breiteres Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Kfz-Mechatroniker kein reiner Männerberuf ist, brauchen wir noch viel mehr gute Beispiele.“ Tanzeglock empfiehlt Werkstattinhabern, bei Veranstaltungen wie etwa einem Tag der offenen Tür, auch Mädchen anzusprechen, ob sie sich nicht eine Ausbildung in der Werkstatt vorstellen können. Bewerberinnen, die sich für eine kaufmännische Ausbildung im Büro interessieren, können ebenfalls auf die Werkstattberufe hingewiesen werden.

„Wenn sich Mädchen einmal für die Ausbildung zum Mechatroniker entschieden haben, dann ist das kein Problem mehr“, berichtet Tanzeglock. „Da sie meist kommunikationsfreudiger sind, tun sie sich leichter im Umgang mit Kunden, was in den Werkstätten durchaus erkannt und genutzt wird.“ Und wer weiblichen Werkstatt-Nachwuchs ausbilde, sollte diese Auszubildenden etwa auch auf Ausbildungsmessen oder bei Vorträgen in Schulen zu Wort kommen lassen. „Es fehlt immer noch an guten Beispielen, um den Bewusstseinswandel bei Mädchen einzuleiten“, sagt Tanzeglock. „Noch immer gehen die meisten davon aus, dass es sich beim Kfz-Mechatroniker um einen reinen Männerberuf handle, weil man da ständig schwer heben muss.“ Dass es längst Hilfsmittel für Hebearbeiten gibt und zudem verstärkt Computer in den Fahrzeugen und Werkstätten Einzug gehalten haben, wüssten die wenigsten.

Auch Melanie Lipinski, Kfz-Meisterin und Inhaberin des gleichnamigen bft-Service-Centers in Gelsenkirchen, hätte in ihrer Werkstatt durchaus gerne weibliche Auszubildende oder Fachkräfte. „Dort beschäftige ich drei Mechatroniker und eine Hilfskraft. Daher kann ich maximal zwei Ausbildungsplätze anbieten. Ein Mädel, das sich dafür bewirbt, muss schon wirklich Interesse und Talent haben und sich vorher in einem Praktikum bewähren“, sagt Lipinski. „Wer großen Wert auf perfekt gemachte Fingernägel legt, ist jedoch kaum die ideale Kandidatin.“ Allzu groß sei die Nachfrage ohnehin nicht: Melanie Lipinski ist seit 1998 im Familienunternehmen tätig. In all den Jahren hatte sie bislang eine einzige Praktikantin, und ein Mädchen sah sich die Werkstatt am vergangenen Girls‘ Day an. „Da hat sich aber die Mutter darum gekümmert, dass die bei uns vorbeikam.“

Von der Kollegin zur Chefin

Neben Interesse und Talent empfiehlt Lipinski allen Mädchen, die eine Ausbildung in der Werkstatt machen wollen, eine gute Konstitution. „Die Arbeit als Mechatroniker ist körperlich nämlich durchaus anstrengend.“ Sie selbst geht regelmäßig ins Fitness-Studio, um ihre Rückenmuskulatur aufzubauen. Als Ausrede für das mangelnde Interesse von Mädchen an Werkstattberufen lässt sie das allerdings nicht gelten: „Krankenpflegerinnen müssen auch schwer heben – und während ein Getriebe innerhalb von dreißig Sekunden in den Motorraum verfrachtet wird, dürfte es durchaus länger dauern, bis eine Oma von einem Bett ins andere gehoben wird.“

Sie selbst bezeichnet sich als „Schrauberin aus Leidenschaft“. Wegen ihres Interesses an Motorrädern lernte sie Mechanikerin mit Schwerpunkt Zweirad. Nach ihrer Ausbildung startete sie 1998 im Unternehmen ihres Vaters Franz-Josef Lipinski und legte 2001 die Meisterprüfung im Kfz-Handwerk ab. Anfang 2012 übernahm sie den Familienbetrieb, in dem heute noch ihre Eltern und fünf weitere Mitarbeiter tätig sind. Probleme sich durchzusetzen, hat sie nicht. „Der Start war allerdings schon etwas seltsam“, erinnert sie sich. „Das lag aber weniger daran, dass ich eine Frau bin, sondern dass ich von der Kollegin zur Chefin wurde.“ Bei Konflikten mit ihren Mitarbeitern fordert Lipinski sie dazu auf, sich zu überlegen wer das Gehalt bezahlt - um dann in 15 Minuten nochmal darüber zu sprechen. Wie Simone Palm kann auch Melanie Lipinski über keinerlei unangenehme Kundenreaktionen berichten. „Aufgrund meiner kurzen Haare wurde ich anfangs öfter als ,junger Mann‘ bezeichnet“, sagt die Kfz-Meisterin. „Und neue Kunden kucken vielleicht etwas überrascht, dass sie einer Kfz-Meisterin gegenüberstehen. Aber die meisten kommen ohnehin auf Empfehlung zu uns – und lassen sich dann gerne von unseren günstigen Preisen überzeugen.“ Dass bereits vor ihrer Übernahme der Werkstatt viele Kunden ausdrücklich von ihr betreut werden wollten, freut sie noch heute. Das spricht schließlich nicht nur für ihre Fachkompetenz, sondern auch für ihr Auftreten gegenüber Kunden.

Offenbar ist das von Friederike Tanzeglock erwähnte weibliche Kommunikationsgeschick gerade bei der Fahrzeugannahme wichtig, vor allem wenn es mit einer gewissen Diplomatie einhergeht. So hat Simone Palm festgestellt, dass sich viele Männer bei der Fahrzeugannahme ganz anders verhalten, wenn ihre Ehefrau oder Freundin danebensitzt. „Dann argumentieren sie besonders kompetent und wissen vermeintlich genau, was mit ihrem Fahrzeug los ist.“ Kommen sie alleine, falle es ihnen dagegen leichter, Simone Palms professionelles Know-how zu akzeptieren. Sich im Falle eines Falles zurückzunehmen und ihre Kunden trotz besseren Wissens nicht zu belehren, hat sie sich längst angewöhnt. Ob das nun für speziell weibliche Sozialkompetenz spricht oder nicht, ist für Palm zweitrangig: „Mir ist wichtig, dass jeder Kunde bei uns ein gutes Gefühl hat und zufrieden vom Hof fährt.“ Eva Elisabeth Ernst

Dass für weibliche Mitarbeiter in der Werkstatt eine extra Toilette sowie ein separater Umkleideraum zur Verfügung gestellt werden muss, ist ein besonders hartnäckiger Mythos – und wird auch immer wieder gerne als Argument gegen die Ausbildung und Beschäftigung von Frauen in Kfz-Betrieben angeführt. „Das ist aber schon seit Jahren nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben“, betont Friederike Tanzeglock, Geschäftsführerin der Vestischen Kfz-Innung. „Es genügt, wenn ein abschließbarer Toilettenraum sowie ein abschließbarer Raum zum Umkleiden vorhanden sind.“

Die Initiative Girl‘s Day hat zum Ziel, Schülerinnen ab der 5. Klasse für einen Tag zum Besuch von Arbeitsstätten in den Bereichen Naturwissenschaften, Technik, IT oder Handwerk einzuladen und sie dadurch zu ermuntern, sich auch für Ausbildungsberufe jenseits der klassischen weiblichen Domänen zu interessieren. Die Initiative unterstützt auch Kfz-Betriebe: Sie können ihr Angebot kostenlos unter www.girls-day.de in der Aktionslandkarte eintragen und so Mädchen, Eltern und Lehrkräfte über ihre Aktion informieren. Darüber hinaus gibt es regionale Arbeitskreise, die dabei unterstützen, die Aktivitäten der einzelnen Unternehmen vor Ort bekannt zu machen. Kostenlose Aktionsmaterialien wie Poster und Mailings, mit denen Werkstätten gezielt in nahegelegenen Schulen und Berufsinformationszentren auf ihr Angebot aufmerksam machen können, können ebenfalls auf der Website bestellt werden. In diesem Jahr findet der Girls‘ Day am 25. April statt. Bereits jetzt über eine Teilnahme im nächsten Jahr nachzudenken, kann sich lohnen.

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