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Persönlicher Druckausgleich

17.10.2019 11:00 Uhr
Persönlicher Druckausgleich

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Mittelständische Werkstattunternehmer sind zunehmend angespannt und stehen immer stärker unter Druck", beobachtet Martin Seydell, stellvertretender Geschäftsführer und Betriebswirtschaftsexperte des Kfz-Verbands Schleswig-Holstein. Angesichts des akuten Personalmangels und der Schwierigkeiten, gute Mitarbeiter zu finden und zu halten, ist das auch kein Wunder. Dazu kommen ständig neue Technologien der Automobilhersteller, die Investitionen in Werkstattequipment und Weiterbildung erfordern.

Verdrängen löst das Problem nicht

Seydell hat daher durchaus Verständnis dafür, wenn sich Werkstattinhaber gestresst fühlen. Er stellt jedoch immer wieder fest, dass sich nur wenige wirklich mit ihrer aktuellen Situation und ihren Denkmustern auseinandersetzen und nach Lösungen suchen.

"Viele Werkstattunternehmer sind wahre Künstler im Verdrängen", fasst Seydell zusammen. "Sie überfordern sich so lange, bis sie ernsthafte gesundheitliche, seelische oder familiäre Probleme bekommen." Doch häufig seien es nicht allein die äußeren Umstände, die Probleme verursachen, sondern die Art und Weise, wie wir versuchen, sie zu bewältigen. Der unproduktive Umgang mit Arbeitsüberlastung, Ärger, Sorgen und Stress bringen Menschen jedoch immer mehr in die Defensive und können sogar in den Burnout führen ( siehe Kasten: Brennen oder Ausbrennen).

Starkes Erschöpfungsgefühl, Energiemangel, Ruhelosigkeit, Reizbarkeit, wenig Geduld für andere, Schlafprobleme, eine hohe Anfälligkeit für Infekte, hoher Blutdruck, häufige Kopf- oder Rückenschmerzen - all das können ernsthafte Anzeichen dafür sein, dass der Druck zu hoch ist.

"Wichtig ist, dass ein Unternehmer selbst erkennt, wann ihm alles zu viel wird", sagt auch der klinische Psychologe Jabin Kanczok. Als Referent der Führungsakademie Sylt, die Seminare für Junioren und Führungskräfte aus dem Kfz-Gewerbe bietet, kennt er die Themen, die Werkstattunternehmer beschäftigen - und rät dazu, möglichst rasch gegenzusteuern, wenn das Leben unrund läuft. "Leider haben wir keine elektronischen Assistenzsysteme, die uns rechtzeitig darauf hinweisen, dass wir ans Limit geraten", sagt er. "Doch je früher wir aktiv werden und etwas verändern, desto besser. Auch beim Auto sind regelmäßige Überprüfungen des Ölstands schließlich besser als ein Motorschaden."

Die Perfektionisten-Falle

Vor Überlastung im Beruf kann eine gute Organisation schützen. Es kann durchaus sinnvoll sein, die Routineabläufe um Terminvergabe, Fahrzeugannahme und -diagnose, Ersatzteilbestellungen, Reparatur- und Wartungsarbeiten, Rechnungstellung und Fahrzeugübergabe immer wieder auf mögliche Verbesserungen abzuklopfen. Martin Seydell empfiehlt, auch mit den Mitarbeitern darüber zu sprechen, an welchen Punkten es häufig hakt und was konkret verändert werden kann. "Wichtig ist, Prozesse möglichst einfach zu gestalten und nicht aus einem ungesunden Perfektionsdrang heraus alles weiter zu verkomplizieren", warnt Seydell. "Das schätzen auch die Kunden und die Mitarbeiter." Bei den vielen anderen Aufgaben, die jenseits des Tagesgeschäfts auf einen Werkstattinhaber einprasseln, rät Jabin Kanczok dazu, die Aufgaben, die nicht länger als zwei Minuten dauern, sofort zu erledigen. "Alles andere sollte in einem einzigen Ordner oder auf einer einzigen Liste gesammelt werden. Ideal ist es, wenn sich der Werkstattinhaber dann einmal wöchentlich an einem festen Ort und zu einem festen Zeitpunkt damit beschäftigt und entscheidet, was wirklich wichtig ist und wann welche Aufgabe wie erledigt wird", erklärt der Psychologe. Das sorgt für fokussiertes Arbeiten und verhindert das Verzetteln, Aufschieben und Vergessen.

Natürlich hilft auch das Delegieren von Aufgaben an Mitarbeiter gegen Überforderung - zumindest theoretisch. In der Praxis sind auch die Mitarbeiter meist zu stark ausgelastet, um dem Chef weitere Arbeit abzunehmen. Und neue, qualifizierte Kräfte einzustellen, ist ja - wie bereits erwähnt - heute nicht ganz so einfach.

Aufgaben delegieren

"Um den Chef wirklich zu entlasten, muss außerdem sichergestellt sein, dass die Aufgaben zuverlässig erledigt werden", betont Jabin Kanczok. Daher sind wiederum klare Vorgaben und Prüfungsmechanismen wichtig. "Wenn ein Werkstattunternehmer ohnehin schon im Stress ist, kann das Delegieren durchaus auch schiefgehen", warnt Martin Seydell. Allen Perfektionisten, die sich unnötig stark unter Stress setzen, empfiehlt er, sich dessen bewusst zu werden, dass sich die Welt immer schneller verändert und wir im Grunde nie mehr damit fertig werden, alles perfekt zu regeln.

Ein großer Stessfaktor ist es natürlich, wenn die Werkstatt nicht genug abwirft und es vielleicht sogar zu finanziellen Engpässen kommt. "Angesichts vieler mittelständischer Werkstattbetriebe, bei denen die Geschäfte in den letzten Jahren ausgesprochen gut gelaufen sind, sollte sich der Unternehmer in diesem Fall fragen, ob sein Geschäftskonzept, der Standort und die Zielgruppen passen", empfiehlt Martin Seydell. "Zudem sollte er auch über seine persönliche Eignung als Unternehmer nachdenken." Der Betriebswirtschaftsexperte des Kfz-Verbands rät dazu, sich schonungslos mit der Frage auseinanderzusetzen, ob das Leben als angestellter Meister nicht vielleicht doch besser wäre.

Verrechnungssätze anpassen

Läuft die Werkstatt dagegen gut, lässt sich die Arbeitsbelastung allein schon dadurch reduzieren, dass die Werkstatt nicht mehr Aufträge annimmt, als bei Normalbetrieb abgearbeitet werden können. "Das hört sich relativ simpel an", räumt Seydell ein. "Für viele Unternehmer ist es jedoch mental ausgesprochen schwierig, ihren Kunden mitzuteilen, dass sie ihr Fahrzeug erst in sechs Wochen vorbeibringen können." Eine kontinuierlich hohe Auslastung, so der Experte weiter, sollte Unternehmer dazu motivieren, ihren Stundenverrechnungssatz deutlich zu erhöhen. Auch das fällt mitunter schwer, weil dadurch Kunden wegbleiben könnten. Bei massiver Arbeitsüberlastung sticht dieses Argument allerdings nicht - ganz im Gegenteil. "Die Erhöhung darf ruhig hoch ausfallen", ermutigt Seydell und betont, dass der neue Stundensatz erst dann die richtige Höhe hat, wenn daraufhin rund 20 Prozent der Kunden wegbleiben. "Das verschafft dem Werkstattinhaber Luft - und erhöht zugleich den Gewinn."

Kurzfassung

Tief durchatmen - das mag über manche Stresssituation hinweghelfen, ein Rezept gegen Überlastung im Alltag ist es nicht. Hier hilft es nur, die Strukturen im Arbeitsalltag zu verändern. Sonst droht der körperliche Burnout.

Das Hamsterrad ausbremsen

Fünf Tipps vom klinischen Psychologen Jabin Kanczok, wie es Werkstattinhabern besser gelingen kann, aus ihrer täglichen Tretmühle auszusteigen und den Kopf wieder freizubekommen.- Ein langer, drei- bis vierstündiger Spaziergang in der Natur - allein, ohne Smartphone, ohne Musikhören oder andere Ablenkungen - hilft Ihnen dabei, erst einmal aus dem akuten Notfallmodus herauszukommen und Distanz von Ihren Sorgen und Problemen zu gewinnen.- Sinnvoll ist es, künftig einmal pro Woche spazieren zu gehen. Dann genügen meist auch zwei Stunden, bis der gewünschte Distanz-Effekt eintritt.- Eine einfache Atemübung unterstützt Sie dabei, gelassener zu werden: Atmen Sie zweimal täglich jeweils sechs Minuten lang fünf Sekunden ein und fünf Sekunden aus. Die erste Wirkung spüren Sie nach drei Wochen konsequentem Üben.- Lassen Sie sich nicht ständig aus Ihrer Konzentration reißen, nur weil eine Nachricht auf Ihrem Smartphone eingeht. Stellen Sie den Ton für Benachrichtigungen ab. Lesen und beantworten Sie Ihre Nachrichten zu festen Zeiten. Wenn Sie die einhalten, gewöhnen sich auch Ihre Kunden sehr schnell daran.- Trennen Sie Arbeit und Privates. Lesen Sie in Ihrer Freizeit keine geschäftlichen Mails. Geben Sie Ihren Kunden nicht Ihre private Handynummer. Nehmen Sie keine Arbeit mit nach Hause und lesen Sie keine Fachliteratur.

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