Unternehmensübergabe
Sein Lebenswerk einem Nachfolger zu übergeben ist schwer genug. Ausgesprochen bitter wird die Sache, wenn sich der Altunternehmer Illusionen über den Wert seiner Werkstatt macht.
Magere Jahre nach der Gründung, der Zwang, ständig in neue Werkstattausstattung zu investieren, sukzessive Ausweitung des Angebots, Aufstocken der Belegschaft, die Überbrückung auslastungsschwacher Wochen – ein Unternehmerleben hat viele Höhen und Tiefen. In harten Zeiten hilft oft der Gedanke weiter, dass man sich schließlich etwas aufbaut, dass Werte geschaffen werden, deren Früchte man eines Tages ernten wird – spätestens dann, wenn der Betrieb an einen Nachfolger übergeben wird. Ist es dann soweit und der Werkstattinhaber denkt ans Aufhören, droht in vielen Fällen eine böse Überraschung. „Es gibt häufig einen gravierenden Unterschied zwischen dem Wert eines Unternehmens und dem Preis, der sich beim Verkauf oder im Zuge der Übergabe an einen Nachfolger erzielen lässt“, sagt Erich Jedelhauser. Der Münchner Rechtsanwalt hat sich auf die Begleitung der Prozesse rund um die Unternehmensnachfolge spezialisiert. Dabei erlebt er immer wieder, dass übergabewillige Unternehmer herbe Enttäuschungen verkraften müssen. „Zu erkennen, dass der gute Name des Unternehmens, die vielen langjährigen Stammkunden, die teuer angeschaffte Betriebsausstattung und letztlich die eigene Lebensleistung weniger wert sind als erwartet, kann ein richtiger Schock sein“, berichtet Jedelhauser.
Jenseits der meist allzu optimistischen Einschätzungen des Inhabers gibt es mehrere betriebswirtschaftliche Methoden, den Wert eines Unternehmens zu ermitteln (siehe Kasten). Diese recht komplexen Berechnungen haben allerdings nur bedingt praktischen Nutzen. Denn gerade bei mittelständischen Handwerksbetrieben fällt der hierbei ermittelte Unternehmenswert in vielen Fällen enttäuschend niedrig aus. „Und selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, heißt das noch lange nicht, dass es für diesen Preis tatsächlich einen geeigneten Käufer gibt“, weiß Jedelhauser aus Erfahrung.
Vorsorge unabhängig vom Betrieb
Seine Empfehlung an alle Unternehmer lautet daher, sich frühzeitig um die eigene Altersvorsorge zu kümmern und sich nicht darauf zu verlassen, dass allein der Verkauf oder die Verpachtung des Betriebs schon ausreichen wird, um einen angenehmen Lebensabend zu finanzieren. Dies bekräftigt auch Franz Falk, Geschäftsführer der Handwerkskammer (HWK) Region Stuttgart. „Es ist äußerst riskant, seine Altersvorsorge nur auf eine einzige Säule, nämlich den Betrieb, zu stellen.“ Derzeit seien gerade Kfz-Werkstätten äußerst schwierig zu verkaufen. Und auch wer darauf setzt, dass die betrieblichen Immobilien wertvoll genug sind, könne Probleme bekommen. „In diesem Fall kommt meist nur die Verpachtung in Frage. Wenn die Pacht zu hoch ist oder der Nachfolger die Organisation nicht im Griff hat, droht die Gefahr, dass er sich übernimmt und nach zwei oder drei Jahren aufhören muss“, weiß Falk aus einigen Fällen. „Dann sitzt der Altinhaber ohne Pacht da und muss die Werkstatt vielleicht selbst wieder übernehmen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.“
Vor Übergabe nicht auf Sparflamme
Falk stellt fest, dass die Unternehmer in ihren letzten Geschäftsjahren nicht mehr viel investieren, wenn sie noch keinen Nachfolger haben. „Damit schneiden sie sich ins eigene Fleisch.“ Denn dann befinde sich der Betrieb auf dem absteigenden Ast und es werde umso schwieriger einen Nachfolger zu finden. Als Lösungsansatz empfiehlt der HWK-Geschäftsführer, sich frühzeitig mit der Nachfolgersuche zu beschäftigen und den Prozess gründlich vorzubereiten. „Es kann mitunter Jahre dauern, bis Interessenten gefunden werden, die dann auch noch die entsprechende Bonität mitbringen“, weiß Falk. „So manche Kandidaten bleiben in dieser Zeit auf der Strecke. Da heißt es geduldig zu sein und einen langen Atem zu haben.“ Zudem müsse auch während dieser Zeit der Betrieb möglichst professionell weitergeführt werden – „und zwar mit dem Fuß auf dem Gaspedal.“ Denn für einen gut geführten, modernen und rentablen Betrieb findet sich leichter ein Nachfolger. Je höher die Rentabilität, desto eher sind auch die Banken bereit, dem Nachfolger Kredite zu gewähren. Und das gilt bei Unternehmensübergaben innerhalb der Familie genauso wie bei externen Kandidaten.
Strategiepapier als Verkaufshilfe
Insbesondere wenn ein Nachfolger außerhalb der Familie gesucht wird, empfiehlt Erich Jedelhauser, eine schriftliche Unternehmensstrategie aufzusetzen, in der schwarz auf weiß festgehalten wird, welche Pluspunkte die Werkstatt hat und was ein Nachfolger alles daraus machen könnte. Eine sorgfältige Ermittlung der dringendsten Kundenbedürfnisse wie etwa Öffnungszeiten, neue Serviceleistungen oder eine Ausweitung des Verkaufssortiments ist ebenfalls wichtig. Und auch die Stärken und Schwächen der Hauptkonkurrenten sollten darin analysiert werden. „So ein Dokument macht natürlich Arbeit, hilft aber sehr bei den Verhandlungen mit Interessenten, da sie damit wichtige Informationen jenseits der trockenen Zahlen der Bilanzen und betriebswirtschaftlichen Auswertungen bekommen“, sagt Jedelhauser. Darüber hinaus erstellt er mit seinen Mandanten noch einen Versorgungsplan, in dem festgehalten wird, welche Einkünfte der Unternehmer und seine Ehefrau in Zukunft erwarten können. Jahr für Jahr werden dort zum Beispiel die Auszahlungen von Lebensversicherungen, gesetzliche und private Rentenzahlungen, Zins- und Mieteinkünfte sowie weitere Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit aufgelistet. Dem gegenüber stehen die künftigen Ausgaben, die vom Lebensstil und den Planungen für die Aktivitäten im Ruhestand abhängen. „Daraus lässt sich dann die Versorgungslücke ermitteln, die durch die Betriebsübergabe gedeckt werden soll“, erklärt Jedelhauser. Welche Lösung optimal und auch durchsetzbar ist, hängt natürlich vom Einzelfall ab. „In der Regel sind Unternehmer angenehm überrascht, dass die Versorgungslücke nicht ganz so groß ist, wie sie vermuten.“
Versorgungslücken schließen
Sollte die Versorgungslücke jedoch so hoch ausfallen, dass sie durch die Übergabe des Unternehmens allein keinesfalls geschlossen werden kann, heißt es umdenken. „Der Unternehmer kann sich überlegen, ob er selbst nochmal angreift und sein Unternehmen nach oben bringt. Er kann aber auch verkaufen und weiterhin in der Werkstatt oder einem anderen Betrieb arbeiten“, sagt Jedelhauser. „Da gibt es diverse Möglichkeiten.“ Die Bedingungen der gesetzlichen Rentenversicherung dürfen hier allerdings nicht außer Acht gelassen werden.
Zu viel für die Werkstatt zu verlangen, ist jedoch nicht empfehlenswert. Einem externen Nachfolger dürfte es ohnehin schwerfallen, Kaufpreis oder Ablöse über einen Bankkredit zu finanzieren. Denn auch die Banken prüfen bei Geschäfts-übernahmen genau, ob eine Investition sinnvoll ist. Und einem Familienmitglied mit zu hohen Lasten den Sprung in die Selbständigkeit zu erschweren, ist natürlich ebenfalls tabu.
Leben und (über-)leben lassen
„Gerade bei familieninternen Nachfolgeregelungen muss man immer fragen, ob das Unternehmen dem Junior ein angemessenes Einkommen und gleichzeitig den Ruhestand des Seniors finanzieren kann“, so der Anwalt. Ist das nicht der Fall, sollte der Senior seinen Betrieb besser behalten und der Junior außerhalb des Familienunternehmens arbeiten oder sich allein eine Existenz aufbauen. „Fünf Jahre später kann man die Situation dann nochmal neu betrachten – da ergeben sich dann oft neue Ansätze mit besseren Ausgangsbedingungen.“
Beim Unternehmensverkauf oder -verpachtung nach dem Motto „leben und leben lassen“ zu agieren, empfiehlt auch Franz Falk. Schließlich ist es ja nicht nur in ländlichen Regionen, wo jeder jeden kennt, immer auch im Interesse des Alteigentümers, dass sein Lebenswerk erfolgreich weitergeführt wird. Die Tragfähigkeit der Nachfolgelösung ist sogar noch wichtiger, wenn der Betrieb nicht komplett verkauft, sondern verpachtet oder gegen Nießbrauchsrecht übertragen wird. Diese Varianten gewinnen gerade in Ballungsräumen, in denen sich die Grundstückspreise in den vergangenen 20, 30 Jahren vervielfacht haben, an Bedeutung. „Im Großraum Stuttgart kann es sich angesichts der Immobilienpreise heute fast kein junger Meister mehr leisten, eine bestehende Werkstatt zu kaufen“, sagt Falk. Welche Lösungen in diesem Fall in Frage kommen und was beim Verkauf betrieblicher Grundstücke zu beachten ist, darum geht es in der nächsten asp-Ausgabe. Eva Elisabeth Ernst
Der Wert der Werkstatt
Ermittlungsverfahren
Zur Ermittlung des Wertes eines Unternehmens gibt es verschiedenste Verfahren. Das neue Erbschaftssteuergesetz favorisiert das Ertragswertverfahren, das auch von den Gerichten seit Längerem anerkannt wird. Im so genannten vereinfachten Ertragswertverfahren wird der durchschnittliche Jahresüberschuss der letzten drei Jahre herangezogen, bereinigt um alle außerordentlichen und atypischen Geschäftsvorfälle, wie etwa dem Verkauf von Gegenständen aus dem Betriebsvermögen oder außergewöhnlich hohe Forderungsausfälle. Zur Ermittlung des Kaufpreises wird der bereinigte durchschnittliche Jahresüberschuss mit einem Faktor multipliziert, der sich rund um den Wert von 12,5 bewegt. Der Faktor berücksichtigt Verzinsung und Risikozuschläge. Der Wert einer Werkstatt, die in den vergangenen drei Jahren im Schnitt 20.000 Euro Gewinn eingefahren hat, liegt laut vereinfachter Ertragswertmethode also bei 250.000 Euro. „Bei Einzelunternehmern muss vor dem Multiplizieren allerdings noch ein angemessener Unternehmerlohn abgezogen werden“, sagt Jedelhauser. Genauere Zahlen, was unter „angemessen“ zu verstehen ist, gibt es unter anderem bei den Handwerkskammern. Als Daumenregel kann man die Entlohnung des teuersten Mitarbeiters plus 33 Prozent Aufschlag heranziehen. „Gerade bei kleineren Unternehmen ist der nach dieser Methode berechnete Unternehmenswert dann häufig enttäuschend niedrig“, berichtet Jedelhauser.
Ernüchternd ist auch die andere Möglichkeit, nämlich der Verkauf des Betriebsvermögens zum realen Zeitwert. „Da bleibt in der Praxis meistens gerade so viel übrig, dass die Schulden getilgt werden können“, so der Rechtsanwalt. Den letzten Trumpf bilden dann die betrieblichen Immobilien – sofern vorhanden. Doch auch hier gibt es bei Nachfolgeregelungen einige Fallstricke zu beachten, um nicht übermäßig hohe Steuern bezahlen zu müssen. Mehr dazu in der nächsten asp.
Franz Falk, Geschäftsführer der Handwerkskammer Region Stuttgart
Extra-Tipp
Die meisten Handwerksunternehmen sind meist stark von Persönlichkeit und Know-how des Inhabers geprägt. Für den Nachfolger kann das problematisch werden, weil sowohl Mitarbeiter als auch Kunden auf den ehemaligen Unternehmer fixiert sind. Wenn ohne den bisherigen Chef alles zusammenbricht, drohen seinem Nachfolger ernsthafte Anlaufschwierigkeiten. Darum kann es sinnvoll sein, dass der Altinhaber noch einige Zeit im Unternehmen verbleibt, um seinen Nachfolger gebührend einzuarbeiten und einzuführen. Für etwas größere Werkstattbetriebe ist die Einführung einer zweiten Führungsebene empfehlenswert, so dass der Laden auch ohne den Chef läuft. Am besten geschieht dies lange vor der Unternehmensübergabe. Schließlich kommt es durchaus vor, dass Führungskräfte später den gesamten Betrieb übernehmen. In der Fachsprache heißt das „Management Buyout“.