Liquidität Teil 1
Selbst wenn die Werkstatt brummt und profitabel arbeitet: Wird das Geld knapp, gerät ein Kfz-Betrieb mitunter schnell in einen Abwärtssog, der bis in die Insolvenz führen kann. Die Themen Liquidität und Finanzierung sollten daher nicht unterschätzt werden.
Profitabel heißt nicht unbedingt, dass tatsächlich genügend Geld da ist, um allen Zahlungsverpflichtungen pünktlich nachkommen zu können“, sagt Michael Zülch, Geschäftsführer von Zülch Consulting, einem Beratungsunternehmen, das sich auf die Kfz-Branche spezialisiert hat. Wenn zum Beispiel ein großer Firmenkunde seine Rechnungen nicht mehr bezahlt, wenn Werkstattinvestitionen hohe Tilgungsleistungen erfordern oder wenn satte Steuernachzahlungen fällig werden, kann es finanziell unangenehm eng werden.
„Die meisten Unternehmensinsolvenzen werden nicht wegen zu geringer Rentabilität angemeldet, sondern weil es an Liquidität mangelt“, so der Experte. Sich darauf zu verlassen, dass die Hausbank weiterhilft, wenn das Geld kurzfristig knapp wird, sei gefährlich. Denn den unsicheren Kandidaten unter ihren Unternehmenskunden drehen Banken mittlerweile immer schneller den Geldhahn zu. Nicht allein deshalb empfiehlt Zülch allen Werkstattinhabern, konsequent auf ihre Liquidität zu achten. „Eine solide Finanzlage erhöht zudem die Stabilität und Krisenresistenz und erweitert die unternehmerischen Spielräume.“ Anhand eines Dutzends kritischer Fragen lässt sich schnell überprüfen, wie es um das Liquiditätsmanagement im Unternehmen bestellt ist. Die ersten sechs werden in dieser, die nächsten sechs in der Juli-Ausga-be der asp gestellt – und natürlich auch kompetent beantwortet.
1. Nutzen wir den Kontokorrentkredit richtig? Sinn und Zweck des Kontokorrentkredits ist es sicherzustellen, dass dem Betrieb das Geld nicht ausgeht. Eine Werkstatt muss nicht nur saisonale Engpässe, sondern auch unerwartete oder unerwartet hohe Forderungen überbrücken können. Zur Finanzierung von Investitionen sollte der Kontokorrentkredit daher nicht genutzt werden, betont Zülch. „In der Praxis kommt das allerdings immer wieder vor, gerade bei günstigen Gelegenheiten in Sachen Werkstattausstattung, die schnell wahrgenommen werden, ohne dass man sich vorher Gedanken über die Finanzierung macht.“ Bis sich diese Investition amortisiert hat, steht der Kontokorrentkredit dann nicht mehr für Unvorhergesehenes zur Verfügung.Wer einen bestimmten Betrag seines Kontokorrentkredits das ganze Jahr über in Anspruch nimmt, sollte mit der Bank über ein Liquiditätsdarlehen verhandeln, für das die Zinsen in der Regel deutlich niedriger ausfallen. „Allerdings muss dieses Darlehen dann auch getilgt werden“, so Zülch.
2. Ist unser Kontokorrentkredit hoch genug? Viele Banken verlangen Bereitstellungszinsen für den Kontokorrentkredit. Das heißt, der Bankkunde zahlt auch dann Zinsen, wenn er den Kredit nicht ausnutzt. Sparsame Unternehmer neigen daher dazu, den Kontokorrentkredit möglichst niedrig anzusetzen. Im Falle eines Falles kann diese Summe dann aber nicht ausreichen. Es lohnt sich, genau zu überlegen, wie hoch die Sicherheitsreserve sein muss, um möglichst viele Eventualitäten abzudecken. Die Höhe des Kontokorrentkredits kann mit den Banken verhandelt werden. Dafür braucht der Unternehmer allerdings aussagekräftige Informationen, unter anderem zur zeitlichen Verteilung von Ein- und Auszahlungen.
3. Informieren wir unsere Hausbanken ausreichend? Regelmäßig die Betriebswirtschaftlichen Auswertungen und einmal jährlich die G+V-Rechnung sowie die Bilanz an die Hausbank zu schicken, genügt nicht, um ein gutes Verhältnis zum Firmenkundenbetreuer aufzubauen. „Bankmitarbeitern zu erklären, wie das Werkstattgeschäft funktioniert, warum sich die Zahlen in diese Richtung entwickelt haben und was künftig geplant wird, trägt dazu bei, das Vertrauen in die unternehmerischen Fähigkeiten zu stärken“, erklärt Zülch. Zwei- oder dreimal jährlich sollte der Unternehmer also durchaus Bankgespräche führen – auch wenn er keine weiteren Kredite braucht. Sobald sich finanzielle Engpässe auch nur abzeichnen, empfiehlt der Unternehmensberater dringend, die Bank darüber zu informieren und dabei auch einen Plan zu präsentieren, wie das Problem gelöst werden kann. Darauf zu hoffen, dass die Bank eine unautorisierte Überziehung stillschweigend toleriert, ist nicht ratsam. „Mittlerweile wird jeder einzelne Tag, an dem ein Firmenkunde das festgelegte Kreditlimit überschreitet, erfasst“, berichtet der Experte. Passiert das an mehr als drei oder vier Tagen im Jahr, wird das Rating negativ beeinflusst. Außerdem besteht die Gefahr, dass eine Werkstatt daraufhin bankintern als unsicherer Kandidat gehandelt wird. Die bittere Konsequenz kann sein, dass die Bank den Kontokorrentkredit binnen 14 Tagen fällig stellt. Im Klartext bedeutet dies, dass der Werkstattinhaber das Geld innerhalb diesen Zeitraums zurückzahlen muss.
4. Haben wir mehr als eine Bankverbindung? Wenn ein Unternehmen schnell Geld braucht, weil die Hausbank nicht mehr bereit ist, die Kreditlinien zu erhöhen oder vielleicht sogar den Kontokorrentkredit gekündigt hat, ist es fast schon zu spät. „Wer keine erstklassige Bonität mitbringt tut sich schwer, binnen kurzer Zeit eine neue Bankverbindung aufzubauen“, so Zülch. Wenn eine Bank den Betrieb und den Unternehmer seit Jahren kennt, sind die Chancen auf frisches Kapital höher. Sich allein auf ein Geldinstitut zu verlassen, stellt ein unnötig hohes Risiko dar. Außerdem lassen zwei Bankverbindungen auch einen Vergleich der jeweiligen Konditionen zu, was sich durchaus lohnen kann.
5. Kennen wir alle Finanzierungsmöglichkeiten, die uns offenstehen? Finanzierungen müssen natürlich nicht ausschließlich via Bankkredit erfolgen. So kann Anlagevermögen auch geleast (mehr dazu bei der nächsten Frage) oder in Raten abbezahlt werden. Darüber hinaus gibt es Beteiligungsgesellschaften, die für einen bestimmten Zeitraum Anteile am Unternehmen erwerben und damit das Eigenkapital aufstocken. Mittlerweile steht diese Alternative auch mittelständischen Handwerksbetrieben offen. So engagiert sich zum Beispiel die BayBG bereits ab einer Summe von 10.000 Euro. Darüber hinaus gibt es zahlreiche öffentliche Liquiditätshilfe- und Bürgschaftsprogramme mit interessanten Konditionen, die in der Regel über die Hausbank beantragt werden müssen. „Es lohnt sich, bei jedem Bankgespräch ganz konkret nach öffentlichen Fördermaßnahmen zu fragen“, rät Michael Zülch. Factoring, also der Verkauf offener Rechnungen, sei für mittelständische Werkstattbetriebe dagegen nicht geeignet. „Die Factoring-Dienstleister sind überwiegend an hohen Forderungsbeträgen gegenüber einzelnen bonitätsstarken Unternehmen interessiert.“
6. Stimmt unsere Finanzierung gro-ßer und mittelgroßer Investitionen? Bei größeren Investitionen wie etwa einem Werkstattneu- oder -umbau wird die Finanzierungszeit häufig zu kurz angesetzt. „Viele Unternehmer sind zu optimistisch und nehmen sich hier zu viel vor“, sagt Zülch. Die goldene Finanzierungsregel, die besagt, dass der Kredit zur Finanzierung eines Anlageguts in etwa so lange laufen soll, wie es genutzt wird, hat durchaus ihre Berechtigung. Wer Kredite schnell zurück-zahlt, spart zwar Zinsen. Zu hohe Tilgungszahlen entziehen dem Unternehmen jedoch Liquidität. „Sicherer ist es, große Investitionen lieber länger zu finanzieren als Liquiditätsengpässe zu riskieren“, fasst Zülch zusammen. Außerdem weist er darauf hin, dass Leasing eine Alternative zur Kreditfinanzierung sein kann. „Leasing schont nicht nur die Kreditlinien bei der Bank, sondern wirkt sich auch positiv auf die Bilanzkennzahlen aus, zum Beispiel auf die Eigenkapitalquote, also das Verhältnis von Eigenkapital zu Gesamtkapital, die wiederum fürs Rating herangezogen werden“, sagt der Berater.
Im zweiten Teil unserer Übersicht zum Thema Liquidität geht es vor allem um Internes. Denn die vom Werkstattinhaber vorgegebenen Zahlungsbedingungen, die Büroorganisation und die Höhe von Geschäftsführergehalt oder Privatentnahmen bestimmen, ob eine Werkstatt ständig unter akutem Geldmangel leidet oder auch kurzfristige und unerwartete finanzielle Engpässe locker überbrücken kann.
Eva Elisabeth Ernst
- Ausgabe 6/2012 Seite 50 (1005.4 KB, PDF)