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Airbag-Systeme: Explosive Lebensretter

04.10.2021 11:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Airbag Daimler
Rundum-Sicherheit für die Insassen: Moderne Fahrzeuge sind mit vielen Airbags ausgestattet. Der Austausch in der Werkstatt kann sehr kostspielig werden.
© Foto: Daimler

Meldet das Fahrzeug einen Airbag-Fehler, muss es umgehend zur Überprüfung in die Werkstatt. Eine umfassende Fehlerdiagnose und Reparatur sind dann nötig. Hierbei muss einiges beachtet werden, um die Mitarbeiter nicht zu gefährden.

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Kurzfassung

Instandsetzungsarbeiten an Airbags oder Gurtstraffern sind durch Gesetze, Richtlinien und Vorschriften reglementiert. Werkstätten müssen sie einhalten, sonst riskieren sie schlimme Verletzungen und empfindliche Strafen.

Pyrotechnische Sicherheitssysteme in Kraftfahrzeugen - das sind Airbags, Gurtstraffer, aktive Motorhauben oder Batterietrennschalter - vermindern zuverlässig Unfallfolgen. Sie enthalten jedoch explosionsgefährliche Stoffe, die bei einem unsachgemäßen Umgang bei der Reparatur erhebliche Gefahren für die Gesundheit des Mitarbeiters bergen, wenn ein Airbag ungewollt auslöst.

"Zu den häufigsten Ursachen für Ausfälle in Airbagsystemen zählen neben erhöhten Übergangswiderständen an Steckverbindungen fehlerhafte Steckanschlüsse sowie gebrochene oder gequetschte, elektrische Leitungen. Aber auch Beschädigungen der Sitzbelegungsmatten oder Crash-Sensoren können das Airbagsystem deaktivieren", erklärt Michael Breuer vom Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK). "Grund hierfür sind meist mechanische Belastungen wie beispielsweise das durch die Sitzverstellung hervorgerufene Lockern von Steckverbindungen." Die Instandsetzung von Airbags oder Gurtstraffern erfordert vom Mitarbeiter fundierte Kompetenzen und Fertigkeiten. Hier sind es fahrzeugspezifische Kenntnisse, insbesondere zur Funktions- und Wirkungsweise der Sicherheitssysteme sowie zu Arbeitsschutzmaßnahmen.

Anzeigepflicht

Grundsätzlich besteht für alle Gewerbetreibende, die den Umgang mit pyrotechnischen Gegenständen ausüben, nach § 14 des Sprengstoffgesetzes die Pflicht, zwei Wochen vor Aufnahme dieser Tätigkeiten eine "Anzeige des beabsichtigten Umgangs" beim jeweils zuständigen Amt für Arbeitsschutz via Vordruck anzuzeigen. Dabei ist die verantwortliche Person im Betrieb anzugeben. Diese kann beispielsweise der Werkstattinhaber oder die von ihm beauftragte fachkundige Person sein, die Aufsichts- und Weisungsbefugnis im Betrieb besitzt. Zum Umgang mit Airbags und Gurtstraffern zählen der Ein- und Ausbau, das Aufbewahren beziehungsweise Lagern, das Vernichten, Befördern, Erwerben, Vertreiben sowie das Überlassen und das Entsorgen.

Für den Umgang mit pyrotechnischen Gegenständen in Kraftfahrzeugen (zum Beispiel der Austausch der Airbag-Einheit) ist unter anderem § 4 der 1. Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1. SprengV) zu berücksichtigen. Demnach dürfen die erwähnten Tätigkeiten nur von Personen mit mindestens der eingeschränkten Fachkunde P1 im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit durchgeführt werden. Dies gilt auch für das Vernichten von Airbag- oder Gurtstraffereinheiten im Fahrzeug im eingebauten Zustand.

Während der Auslösung des Airbags darf sich niemand im Fahrzeug aufhalten. Wurde der Airbag im eingebauten Zustand ausgelöst, muss der Fahrzeuginnenraum vor dem Beginn von Arbeiten ausreichend gelüftet werden. Zu beachten ist auch, dass nach der Zündung eines Airbags der Gasgenerator heiß ist. "Egal welche Arbeiten am Airbagsystem durchgeführt werden - die eingeschränkte Fachkunde P1 ist neben der Berücksichtigung der Fahrzeug-Herstellervorgaben immer Pflicht", sagt Michael Breuer, "denn Airbags und Gurtstraffer sind pyrotechnische Gegenstände der Kategorie P1 und unterliegen somit dem Sprengstoffrecht." Schulungen zum Erwerb der eingeschränkten Fachkunde P1 werden unter anderem von der Akademie des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes in Bonn (TAK) oder von TÜV SÜD angeboten.

Diejenigen, die eine Schulung durchführen, müssen über die erforderlichen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen verfügen und sollten möglichst einen Befähigungsschein haben. Art und Umfang der Schulung sind jedoch per Gesetz nicht genau definiert. Von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) wird ein Schulungszeitraum von mindestens sechs Stunden empfohlen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass ausgebaute, noch nicht gezündete Airbag- und Gurtstraffer-Einheiten entweder an einen spezialisierten Entsorger abzugeben sind oder nur von verantwortlichen Personen ausgelöst werden, die über einen Befähigungsschein nach § 20 des Sprengstoffgesetzes verfügen und deren Unternehmen eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis nach § 7 des Sprengstoffgesetzes besitzt.

Nur Originalteile verwenden

Es ist wie viel Wissen nötig, um sicher an Airbag-Systemen zu arbeiten. Das bestätigt auch Wolfgang Droschzak, Kfz-Sachverständiger aus München: "Während meiner Berufspraxis musste ich bereits öfters erleben, dass Kfz-Profis ohne eingeschränkte Fachkunde nach P1 und entsprechendes Wissen Airbags getauscht haben. Davon muss ich dringend abraten - denn wenn der Einbau nicht fachgerecht erfolgt, hat dies im Ernstfall schwerwiegende juristische Folgen für die Werkstatt." Auch ist der Einbau aufgrund des pyrotechnischen Satzes, wie der erfahrene Kfz-Sachverständige noch ergänzt, sehr gefährlich. Doch selbst wenn dieser gelingt, ist ein nicht fachmännisch verbauter Airbag eine Gefahr, da er während der Fahrt unvermittelt auslösen kann. Es geschieht auch gelegentlich, dass aus Schrottautos ausgebaute Airbags wieder verbaut werden - und dies, obwohl in Deutschland der Handel mit gebrauchten Airbags im Rahmen der Autoverwertung verboten ist.

Auch bei der Lagerung von Airbags und Gurtstraffern sind rechtliche Vorgaben zu beachten. In Deutschland sind das die 2. SprengV in Verbindung mit den Sprengstofflager-Richtlinien LR 410 "Richtline Aufbewahrung kleiner Mengen" und LR 240 "Lagerung von Airbagund Gurtstraffer-Einheiten". Gemäß diesen Vorgaben darf bei der Lagerung in Arbeitsräumen die maximale Nettoexplosivstoffmasse (NEM) von zehn Kilogramm nicht überschritten werden. Die Sprengstofflager-Richtlinien gelten nicht für die Lagerung von pyrotechnischen Rückhaltesystemen, die in größeren Bauteilen von Kraftfahrzeugen, beispielsweise Armaturenbrettern, Lenksäulen, Türen oder Sitzen eingebaut sind.

Anschlüsse nach unten

Da Airbags auch nach Trennung der Spannungsversorgung bei einem Unfall sicher funktionieren müssen, sind im Airbag-Steuergerät Kondensatoren, die auch nach dem Abklemmen der Fahrzeug-Batterie den Airbag noch auslösen können. Somit sind vor einem Airbag-Wechsel nach dem Abklemmen der Batterie(n) die Fahrzeug-Herstellervorgaben zwingend zu beachten. Nach der Demontage werden ausgebaute Airbags mit den Anschlüssen nach unten an einem sicheren Platz abgelegt. Diese Maßnahme verhindert bei einer unbeabsichtigten Auslösung, dass der Airbag hochgeschleudert wird. Nach dem Einbau des neuen Airbags wird erst die Zündung eingeschaltet. Anschließend muss das Fahrzeug verlassen werden. Erst dann wird als Letztes die Batterie mit dem Fahrzeug verbunden.

Fragen an ...

René Babick
René Babick von TÜV SÜD Auto Service GmbH zu Insassenschutzsystemen und Airbag-Prüfung bei der HU:
© Foto: TÜV SÜD

asp: Welche Arten von typischen Airbag-Fehlern konnten bei der HU bisher schon aufgedeckt werden?

René Babick: Schon zwei Jahre nach der Einführung der Systemdatenprüfung, heute Vorgabenprüfung, wurde im Jahr 2008 eine Erhebung von festgestellten Airbag-Defekten bei den Hauptuntersuchungen durch die Überwachungsinstitutionen durchgeführt. Rund 80.000 defekte Airbags hatten die Prüfer damals festgestellt, allein davon 13.000 durch die Experten von TÜV SÜD. Die Mängel reichten von fehlerhafter Airbag-Technik über Manipulationen bis hin zu nach einem Unfall nicht wieder eingebauten Komponenten. Inzwischen subsumieren sich die Mängel in den aktuellen Statistiken unter der Vielzahl von Insassenschutzsystemen und auch die Prüfmethoden und die Prüftechnologien haben sich seit der Einführung der Vorgabenprüfung rasant entwickelt.

asp: Wurden seit Einführung der Systemdatenprüfung noch mehr Airbag-Fehler aufgedeckt?

R. Babick: Waren die Prüfer damals rein visuell unterwegs, so stehen spätestens mit der Einführung des HU-Adapters im Jahr 2015 und der ebenfalls sehr aktuellen Zustandsprüfung dem Prüfer sehr gute Prüfmethoden zur Verfügung. Unabhängig davon, ob die Kontrolllampe für den Airbag eine Störung meldet, kann der Prüfer die wesentlichen Steuergeräte auf relevante Einträge überprüfen und gegebenenfalls die Software auf ihre Integrität untersuchen bis hin zur Kontrolle angeordneter Rückrufe seitens des KBA. Diese neuen Prüfmethoden und Prüftechnologien führen nicht unbedingt zu mehr Mängeln, aber die technische Überwachung wird hier ihrem Auftrag gerecht, diese komplexen Systeme des Insassenschutzes in ihrer Gesamtheit zu prüfen.

asp: Sollen Werkstätten ihre Kunden direkt auf das Thema Airbag ansprechen?

R. Babick: Ja. Bei einem Autounfall trägt ein Airbag als Bestandteil des Insassenrückhaltesystems im Fahrzeug einen wesentlichen Anteil dazu bei, Verletzungen zu vermeiden. Umso wichtiger ist es, dass der Fahrzeughalter die regelmäßigen Inspektionen seines Fahrzeuges wahrnimmt und bei eventuellen Fehlermeldungen oder Auffälligkeiten das Fahrzeug unbedingt einer Fachwerkstatt vorstellt.

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